Triumph für Daniel Lede Abal

Debakel für CDU und SPD / AfD erhält im Wahlkreis Tübingen 10,3 Prozent

Erneut ein Sieg der Grünen. Ein Absturz der CDU, blankes Entsetzen bei der SPD und eine AfD mit 10,3 Prozent: Das brachte der gestrige Tag im Wahlkreis Tübingen. Er wird künftig nur noch mit einem Abgeordneten im Landtag vertreten sein.

14.03.2016

Von Renate Angstmann-Koch

Tübingen. Die Grünen verbesserten sich im Wahlkreis Tübingen, schon bisher eine ihrer Hochburgen, noch einmal um 5,6 Prozent. Vor fünf Jahren hatte Daniel Lede Abal mit 21 Stimmen Vorsprung erstmals das Direktmandat des Wahlkreises gewonnen. Gestern wurde der Landtagsabgeordnete mit 37 716 Stimmen bestätigt – 13 866 Stimmen mehr als für CDU-Kandidat Klaus Tappeser. In der Stadt Tübingen stehen die Grünen mit 45,1 Prozent besser da als in Freiburg mit 43,2 Prozent. Im Nachbarwahlkreis Reutlingen erhielt der Grünen-Landtagsabgeordnete Thomas Poreski das Direktmandat. Nils Schmid (SPD) kam ebenfalls erneut in den Landtag.

Mit sechs Direktmandaten im Regierungsbezirk erzielten die Grünen ein „großartiges Ergebnis“, sagte der 39-jährige Daniel Lede Abal. Es zeuge vom Zuspruch für den Ministerpräsidenten. Für die CDU habe sich die „Fundamentalopposition“ gegen die Gemeinschaftsschule nicht ausgezahlt. Vor allem aber hätten diejenigen in der CDU die Wahl verloren, die Angela Merkels Flüchtlingspolitik nicht vorbehaltlos unterstützten – und damit auch die AfD gestärkt.

Debakel für CDU und SPD / AfD erhält im Wahlkreis Tübingen 10,3 Prozent

Klaus Tappeer hatte eine so deutliche Niederlage nicht erwartet. Sein Fazit: „Man kommt gegen den Trend nicht an.“ Drei Punkte waren es, die er als – wenn auch schwachen – Trost empfand: im Wahlkreis weniger stark verloren zu haben als die CDU landesweit; die AfD bei 10,3 Prozent halbwegs in Schach gehalten zu haben; und dass die grün-rote Regierung nicht weitermachen kann. Am Mittwoch tagt der CDU-Kreisvorstand. Bisher gebe es keine Differenzen: „Wir haben gemeinsam gekämpft und gemeinsam verloren, wie wir auch schon gemeinsam gewonnen haben.“

Dietmar Schöning (FDP) hatte Grund zum Jubeln, als die Prognose um 18 Uhr seine Partei landesweit bei 8 Prozent sah und ein drittes Mandat für den Regierungsbezirk greifbar schien. Doch wurde ihm schnell klar, dass seine 6,5 Prozent im Wahlkreis nicht reichen würden, um es zu erhalten.

Blankes Entsetzen herrschte nach der ersten Prognose bei der SPD – und dann noch einmal, als die AfD in den Hochrechnungen an ihr vorüberzog. „Eine stolze sozialdemokratische Partei, die von der AfD überholt wird“, zeigte sich die scheidende Landtagsabgeordnete Rita Haller-Haid verärgert. Verärgert nicht über die Wähler, sondern über die eigene Partei: „Das Ergebnis ist ein absolutes Desaster. Die SPD hat ein Problem, das seit langem anhält. Die Frage ist, als wie gerecht die Menschen diese Gesellschaft empfinden.“ Verunsicherte, die sich etwa vor Altersarmut fürchteten, neigten dazu, eine Partei wie die AfD zu wählen, um es den etablierten Politikern „mal richtig zu zeigen“.

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„Schwer enttäuscht“ war auch Haller-Haids Nachfolge-Kandidatin Dorothea Kliche-Behnke. Für sich persönlich konnte sie sich noch eine Zeitlang Hoffnung machen. Erst am späten Abend war dann klar, dass sie nicht in den Landtag kommt.

Bernhard Strasdeit wusste schon nach der ersten Prognose, dass die Linke die Fünf-Prozent-Hürde nicht nimmt. „Die hohe Wahlbeteiligung, die wir grundsätzlich sehr begrüßen, hat der AfD genutzt. Sie hat viele Protestwähler mobilisiert“, kommentierte er das „bittere Ergebnis“.

„Ich sehe alle demokratischen Parteien in der Pflicht, Wege zur Regierungsbildung zu finden“, sagt Lede Abal. Er bevorzuge eine weitere Zusammenarbeit mit der SPD. Auch mit der FDP gebe es Gemeinsamkeiten. Schockiert habe ihn zuletzt „die rassistisch konnotierte Wahlkampagne“ der CDU. Sollte sich die Partei nicht erneuern, sei eine Zusammenarbeit wohl schwierig – zumal sich die CDU mit dieser Wahl aus den „urbanen Räumen“ verabschiedet habe und nun eher konservative Abgeordnete die Fraktion dominierten.

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Chris Kühn spricht mit Blick auf das ganze Bundesgebiet von einem „dramatischen Wahlergebnis, weil es eine Veränderung der Parteienlandschaft“ bedeute. Die AfD, die einen „zum Teil klar rassistischen“ Wahlkampf gemacht habe, werde auch im Landtag das Klima vergiften.

Die AfD erzielte ihren besten Wert mit 18,3 Prozent in Bodelshausen gefolgt von Starzach (16,6 Prozent) und Neustetten (16 Prozent). Am schwächsten war sie mit 6,2 Prozent in Tübingen. Ihr Kandidat Markus Rölle punktete mit 11,8 Prozent auch an seinem Wohnort Hirrlingen nur leicht überdurchschnittlich.

In sechs der zehn Wahlkreis-Gemeinden gab es ein zweistelliges Minus für die CDU, gerade in ihren früheren Hochburgen. Die Grünen hingegen legten in Dettenhausen, Hirrlingen oder Neustetten überdurchschnittlich zu. Die SPD brach überall ein. In Rottenburg kam sie nichtmal auf die Hälfte der Prozente von 2011. Die FDP gewann fast überall hinzu. Nur in Starzach, wo vor fünf Jahren Max-Richard Freiherr von Rassler 11,3 Prozent erzielt hatte, gab es für sie ein Minus. Die Linke hatte kreisweit einen Zugewinn von 1,7 Prozent. Ihre Hochburg war mit 7,7 Prozent das Tübinger Stadtgebiet.