Tübingen · Bota

„Das ist bedauerlich, aber schlicht eine Tatsache“

Das Innenministerium sieht in der Drogenszene einen Anlass für Polizeikontrollen und bestreitet Rassismus.

20.08.2020

Von ST

Das Innenministerium hat den Vorwurf des Racial Profiling im Alten Botanischen Garten zurückgewiesen. In einem Antwortbrief an Oberbürgermeister Boris Palmer weist das Ministerium darauf hin, dass es zahlreiche Drogendelikte im Alten Botanischen Garten (Bota) gegeben habe, die seit 2018 zu 215 Ermittlungsverfahren geführt hätten. Bereits seit 2013 gebe es in Tübingen überdies vermehrt Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz durch gambische Staatsangehörige.

In Vertretung des urlaubenden Innenministers Thomas Strobl antwortete Staatssekretär Wilfried Klenk: Rassismusvorwürfe gegen die Polizei würden aufgeklärt, in letzter Zeit aber leider auch pauschal erhoben. In Tübingen und gerade im Bota gebe es Anlass zu Kontrollen. Im Brief heißt es: Im Jahr 2019 wurden im Vergleich zum Vorjahr (2018) in Tübingen 325 (249) Rauschgiftdelikte nach dem Betäubungsmittelgesetz, 272 (272) Aggressionsdelikte und 41 (57) Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, jeweils mit Tatort im öffentlichen Raum, registriert. Davon entfielen 205 (157) Fälle der Rauschgiftdelikte, 136 (131) Fälle der Aggressionsdelikte und 12 (11) Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung auf die Innenstadt. Das sind wie schon 2018 zwei Drittel aller Rauschgiftdelikte.

Klenk erklärend: „Es handelt sich hierbei um ein Kriminalitätsfeld, bei welchem überwiegend das polizeiliche Handeln zur Entdeckung und Aufklärung von Straftaten führt. Bürgerinnen und Bürger zeigen diese Delikte äußerst selten an. Konsequente Ermittlungsarbeit und ein hoher Verfolgungsdruck sind deshalb ein wesentlicher Schlüssel, um Rauschgiftdelikte aufzudecken.“

Hinter den entdeckten Straftaten bestehe zudem ein Dunkelfeld, aus welchem sich der Konsum der Abnehmer speise. Im Jahr 2019 wurden nach Angabe des Innenministeriums in Baden-Württemberg 145 Rauschgift-Todesfälle verzeichnet, darunter fünf Heranwachsende. Klenk schrieb: „Rauschgift nimmt Leben, und polizeiliche Kontrollen können dazu beitragen, diesen Teufelskreis zu durchbrechen.“

Im laufenden Jahr zeichne sich von Januar bis Juli in der Tübinger Innenstadt ein Anstieg der Rauschgiftdelikte ab. Das Polizeirevier Tübingen stellte bereits seit dem Jahr 2013 vermehrte Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz durch gambische Staatsangehörige fest.

„Aufgrund der objektiv belegbaren Entwicklungen der Kriminalitätslage führt das Polizeirevier Tübingen auch bereits seit dem Jahr 2013 verschiedene offene und verdeckte Maßnahmen zur Bekämpfung dieses Kriminalitätsschwerpunktes im Alten Botanischen Garten durch“, so das Innenministerium. Dabei wurden dort „aufgrund der durchgeführten Personenkontrollen, Bunkerabsuchen sowie strafprozessualen Folgemaßnahmen alleine seit dem Jahr 2018 über 800 Gramm Marihuana sowie kleinere Mengen an Haschisch, Amphetaminen und Ecstasy sichergestellt und damit aus dem Verkehr gezogen“. Folge waren 215 Ermittlungsverfahren wegen des Besitzes oder Handelns mit Betäubungsmitteln.

„Dies zeigt deutlich, dass die polizeilichen Kontrollen keineswegs ohne sachlichen Grund erfolgen“, schlussfolgerte Klenk. „Ohne Zweifel darf dabei allein die äußere Erscheinung, insbesondere die Hautfarbe der Personen, keinen Anlass zur Kontrolle geben; sie darf aber auch kein Hindernis sein, um rechtmäßige Maßnahmen durchzusetzen. Derartige Kontrollen richten sich nach den Gesamtumständen und dem Verhalten und nicht nach dem Aussehen der Personen.“ Bisher seien zu den von Palmer beschriebenen Vorgängen (wir berichteten) auch keine Beschwerden beim Polizeirevier Tübingen oder Polizeipräsidium Reutlingen eingegangen. „Leider halten sich in Einzelfällen offensichtlich gerade die Personen, die von der Polizei Neutralität und Objektivität einfordern, bei derartigen Vorwürfen selbst nicht an diese Grundsätze und stellen die Polizei unter einen Generalverdacht.“

„Es ist gut, dass das Ministerium jetzt Klarheit hergestellt hat“, meinte Palmer. „Die Vorwürfe sind haltlos und widerlegt. Die offene Drogenszene im Alten Botanischen Garten ist nicht akzeptabel, allein schon die Nähe zum Kinderspielplatz verbietet das. Unter den Dealern gibt es viele Männer mit afrikanischer, überwiegend gambischer Herkunft. Das ist bedauerlich, aber schlicht eine Tatsache.“

Zum Artikel

Erstellt:
20.08.2020, 18:44 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 47sec
zuletzt aktualisiert: 20.08.2020, 18:44 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Sie möchten diesen Inhalt nutzen? Bitte beachten Sie unsere Hinweise zur Lizenzierung.

Push aufs Handy

Die wichtigsten Nachrichten direkt aufs Smartphone: Installieren Sie die Tagblatt-App für iOS oder für Android und erhalten Sie Push-Meldungen über die wichtigsten Ereignisse und interessantesten Themen aus der Region Tübingen.

Newsletter


In Ihrem Benutzerprofil können Sie Ihre abonnierten Newsletter verwalten. Dazu müssen Sie jedoch registriert und angemeldet sein. Für alle Tagblatt-Newsletter können Sie sich aber bei tagblatt.de/newsletter auch ohne Registrierung anmelden.
Das Tagblatt in den Sozialen Netzen
    
Faceboook      Instagram      Twitter      Facebook Sport
Newsletter los geht's
Nachtleben, Studium und Ausbildung, Mental Health: Was für dich dabei? Willst du über News und Interessantes für junge Menschen aus der Region auf dem Laufenden bleiben? Dann bestelle unseren Newsletter los geht's!