Tübingen · Mühlstraße

HGV: „Das autofeindliche Image der Stadt“

Der Handel- und Gewerbeverein kritisiert die zweimonatige Sperrung der Mühlstraße heftig. Auch OB Boris Palmer äußert sich erneut.

27.07.2019

Von loz

Bilder und Montage: Ulrich Metz

Bilder und Montage: Ulrich Metz

„Mit großem Unverständnis“, teilte der Vorstand des Tübinger Handel- und Gewerbevereins (HGV) am Freitag mit, habe man „die von OB Palmer auf Antrag der AL/Grünen angeordnete Sperrung der Mühlstraße für den Individualverkehr ab Mitte September zur Kenntnis genommen“. Boris Palmer hatte in der Gemeinderatssitzung am Dienstagabend angekündigt, die Mühlstraße für die Dauer von zwei Monaten für den Autoverkehr, der über die Neckarbrücke kommt, zu sperren.

Der HGV schreibt: „Auch wenn eine Beratung im Gemeinderat bei diesem Thema formal nicht notwendig ist“, habe es eine solche Relevanz für die Einwohner Tübingens und die auswärtigen Besucher, „dass eine Anordnung ohne vorherige Diskussion und Abwägung der verschiedenen Positionen zumindest fragwürdig erscheint“. So würden Fakten geschaffen, die „mit dem Anspruch einer transparenten, kommunikativen Politik nichts zu tun haben“.

Für den Handel in Tübingen erwarten die Vorsitzenden Jörg Romanowski, Stefan Rinderknecht und Herbert Rösch durch die vorübergehende Sperrung „keinerlei Vorteile“. Stattdessen befeuere sie „das autofeindliche Image Tübingens“, wodurch auch ein Verlust der Kaufkraftbindung „mit fatalen Folgen für Einzelhandel und Gastronomie“ drohe. „Die Konsequenz daraus wird eine Verlagerung des Verkehrs auf die Strecken in Lustnau und der Weststadt sein.“ Doch diese Strecken sieht der HGV im Berufsverkehr schon jetzt „maximal ausgelastet“. Die Zunahme der Fahrzeuge, schon allein durch Lieferwagen für die Mühlstraße, könne diese Strecke kaum verkraften.

Der HGV kündigt an, die zweimonatige Testphase „sehr kritisch“ zu begleiten und fordert eine transparente und umfassende Auswertung des Probelaufs – „unter Beteiligung aller Betroffener“. Zudem wünscht sich der Verband eine klare Beschilderung, die schon „weit außerhalb des Stadtgebiets“ auf die Sperrung aufmerksam macht.

Auch die Gemeinderatsfraktion der CDU legt in einer Stellungnahme noch einmal nach: Palmer sperre die Mühlstraße „eigenmächtig, um sein ehrgeiziges Ziel, Autos aus Tübingen zu verbannen, auch umzusetzen“. Dafür sei dem OB „jedes Mittel recht“.

Die Tübinger Kreisverbände des Allgemeinen Deutschen Fahrrad Clubs (ADFC) und des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) teilen mit, dass sie die Initiative Palmers begrüßen. So könne der begrenzte Raum in Tübingen nicht für alle Verkehrsarten gleichberechtigt zur Verfügung gestellt werden. „Die Umgestaltung der Fahrbahnen mit einer mittleren Fahrradspur auf der Neckarbrücke ist ein wesentlicher Beitrag zur Verkehrssicherheit der Radfahrenden und damit auch ein wichtiger Impuls, innerorts umweltfreundliche und die Stadt entlastende Verkehrsmittel zu benutzen.“

Oberbürgermeister Boris Palmer reagierte unterdessen mit einem Brief an die Stadträte und Stadträtinnen auf die Kritik an seinem Vorgehen. Darin verteidigt er nochmals den Verkehrsversuch, schreibt dann aber: „Gleichwohl erkenne ich an, dass eine Mehrheit der Fraktionen hier eine Grundsatzfrage berührt sieht und eine Debatte einfordert.“ Beim Klimaschutzprogramm gelte es jedoch, keine Zeit mehr zu verlieren. „Sehr wohl können aber Randbedingungen und konkrete Ausgestaltung des Versuches besprochen und geändert werden.“ Palmer schlägt eine Sondersitzung des Klimaausschusses am 2. September vor.

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