Die ersten Wettpflüger trainieren schon auf dem Einsiedel

Über 50 Teilnehmer aus 29 Nationen kämpfen am ersten Septemberwochenende um die Titel

Eigentlich ist der stark lehmhaltige Acker (80 bis 85 Prozent) auf dem Einsiedel wie geschaffen für eine Pflüger-Weltmeisterschaft. Doch die große Trockenheit in den vergangenen Monaten ließ auch ihn etwas bröselig werden.

23.08.2018

Von Manfred Hantke

Das deutsche Team der Beetpflüger beim Training am Dienstag: Im Bildvordergrund der viermalige Deutsche Meister Sebastian Murkowski, dahinter Andreas Deisting (links) und Hans Hörnel. Bilder: Hantke

Das deutsche Team der Beetpflüger beim Training am Dienstag: Im Bildvordergrund der viermalige Deutsche Meister Sebastian Murkowski, dahinter Andreas Deisting (links) und Hans Hörnel. Bilder: Hantke

„Der Boden ist nicht einfach“, blickt Sebastian Murkowski skeptisch in die von ihm gezogenen Furchen: „Zu leicht, zu trocken, zu sandig.“

Murkowski, Deutscher Meister im Leistungspflügen, ist einer der Teilnehmer bei der Pflüger-Weltmeisterschaft, die am 1. und 2. September auf dem Hofgut ausgetragen wird. 29 Nationen sind dabei, von Australien über Kenia und Kroatien bis Russland und Wales (wir berichteten mehrfach). Die besten Pflüger ihrer Länder versammeln sich dort oben und suchen ihrerseits ihre Meister im Beet- und Drehpflügen.

Der 31-jährige Murkowski ist an diesem Dienstag mit seinen Unterstützern Hans Hörnel und Andreas Deisting (zuständig fürs Schrauben, fürs Training und für Ideen), nicht der einzige, der auf dem Einsiedel schon seine Furchen zieht. Auf eigens ausgewiesenen inoffiziellen Trainingsfeldern (das offizielle Training beginnt am Montag, 27. August) sind bereits eine ganze Reihe Teams zugange, darunter die Kroaten, Dänen, Österreicher und die US-Amerikaner.

Die meisten WM-Teilnehmer haben ihre eigenen Traktoren (und Pflüge) mitgebracht, einen John Deere oder Fendt, einen Belarus oder Ford. Der musste verschifft oder per Flugzeug transportiert werden. Manche Teams stehen in kleinen Gruppen um den Traktor und den Pflug herum, schauen sich die Schare an, blicken kritisch in die krümelnde Furche, schrauben, fachsimpeln und überlegen, wie sie die Furchen noch akkurater ziehen können. Andere, wie der Neuseeländer Bob Mehrtens, ziehen ihre Bahnen, stets den Blick nach hinten auf ihre Furche gerichtet.

Beim inoffiziellen Training drehte auch Bob Mehrtens aus Neuseeland seine Runden auf dem Einsiedel.

Beim inoffiziellen Training drehte auch Bob Mehrtens aus Neuseeland seine Runden auf dem Einsiedel.

Während die einen trainieren, sind die Mitarbeiter vom Pflügerrat, dem Ausrichter der WM, damit beschäftigt, die offiziellen Trainingsfelder abzustecken, die Wettkampffelder einzuteilen sowie die Absperrungen für die WM vorzubereiten. Pro Tag sind 20 Leute im Einsatz, sagt deren Chef Johannes Wegst. Und wenn wieder ein Team auf dem Einsiedel ankommt, sind sie auch da beim Abladen der Traktoren und Pflüge behilflich. „Die Engländer sind da“, ruft einer. Schon eilen einige vom Feld weg, Traktor und Pflug kommen ins „Fahrerlager“, ein Gebäudeteil auf dem Einsiedel.

Unterdessen berät sich das deutsche Team Murkowski am Pflug und setzt den Schraubenschlüssel an. Seit 15 Jahren pflügt er, sagt der 31-Jährige. Viermal schon wurde er Deutscher Meister, war bei internationalen Wettkämpfen in Schweden, Dänemark und Kanada dabei.

Die meisten Wettkampf-Pflüger bei der WM sind zwar Landwirte, aber auf den Traktoren sitzen auch hauptberufliche Kaufleute, Schlosser, Dreher, Logistiker und Anlagenbauer. Murkowski ist Tischlermeister. Er zieht seine Furchen also nur abends und an den Wochenenden auf dem Acker. In diesen Tagen aber ist er von morgens bis zum Sonnenuntergang auf dem Feld, 13 Stunden pro Tag, zwei Stunden Mittagspause gönnt sich das Team bei dieser Hitze.

Zum Traktor ist Murkowski gekommen, als er auf einem landwirtschaftlichen Betrieb ein Gespann stehen sah. Da habe es ihn gepackt, sagt er. Er machte den Traktor-Führerschein und pflügt sich seitdem in die Weltspitze. Die Genauigkeit sieht er als Herausforderung: „So perfekt wie möglich den Boden für die Saat vorbereiten.“

Bei der WM tritt Murkowski im Drehpflügen an. Sein Ziel: eine Medaille. Dazu muss er unter die besten drei Drehpflüger kommen. Sein Favorit für den Titel ist John Whelan aus Irland. Der 48-Jährige war achtmal irischer Meister, je zweimal Europa- und Weltmeister.

Auch zwei Frauen pflügen bei der Weltmeisterschaft

Beim Wettpflügen sind neben den über 50 Männern zwei Frauen vertreten: die erst 16-jährige Schülerin und Junioren-Meisterin Hailey Gruber aus den USA und die dreimalige schwedische Meisterin Emilia Bengtsdottir (24). Beim Wettpflügen wird nicht nach Geschlecht getrennt. Die WM auf dem Einsiedel ist die 65., zum vierten Mal wird sie in Deutschland ausgetragen. Wettbewerbe gibt es im Stoppel- und Graslandpflügen jeweils mit Dreh- und Beetpflug. Pro Nation dürfen maximal zwei Teilnehmer an den Start. Zwei bis drei Schare sind pro Pflug erlaubt. Jeder Teilnehmer muss eine Fläche von 0,2 Hektar beackern. Zeit: 3 Stunden. Spurhaltesysteme (GPS) sind verboten. Wichtig beim Pflügen sind Geradlinigkeit der Furchen, eine konstante Tiefe (sie darf nur um plus/minus 2,5 Zentimeter abweichen), ein gleichmäßiges Erscheinungsbild des gepflügten Feldes und die Zeit. Gras und Stoppeln müssen sauber untergepflügt werden, Radspuren dürfen nicht sichtbar sein. Löcher oder Erdhügel müssen vermieden werden. Eine Jury vergibt die Punkte, werden Kriterien nicht voll erfüllt, gibt’s Abzug. Erwartet werden zur WM bis zu 25 000 Zuschauer.

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Erstellt:
23.08.2018, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 12sec
zuletzt aktualisiert: 23.08.2018, 01:00 Uhr

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