Der Ruderer Elias Kun: Zwischen Breisach und Tübingen

Das TAGBLATT hat den Silbermedaillensieger bei einer seiner seltenen Neckarfahrten begleitet

Mitglieder des Tübinger Rudervereins Fidelia müssen was im Kopf haben: Wenn sie vor ihrem Bootshaus stehen, den Zahlencode des elektronischen Türschlosses. Elias Kun tippt sie schnell ein, dann öffnet er die Eingangstür. Der 18-Jährige trainiert noch einmal, bevor er in die USA fliegt. Vier Jahre lang will er in Boston (USA) nicht nur studieren, sondern an der Universität auch intensiv Leistungssport betreiben.

25.08.2018

Von Tobias Zug

Das kommt vom Rudern: Elias Kun trainiert im Einer-Boot auf dem Tübinger Neckar. Bild: Ulmer

Das kommt vom Rudern: Elias Kun trainiert im Einer-Boot auf dem Tübinger Neckar. Bild: Ulmer

Elias Kun ist eines der großen Talente im deutschen Rudersport, dieses Jahr gewann er mit Jasper Angl (Neptun Konstanz) bei der Junioren-Weltmeisterschaft Silber im Zweier ohne Steuermann.

Im Bootshaus geht er die Treppen runter ins Kellergeschoss, wo sich die Krafträume und die Umkleidekabinen befinden. Kun wohnt nicht weit weg vom Ruderverein in derselben Straße, kommt deshalb mit dem Fahrrad. Beinpressen, Kurz- und Langhanteln, eine Musikanlage, Sprosswände aus Holz und vom Rost angefressenen Metall stehen in einem Raum, der einst mal ein Ruderbecken war. Einige Fitnessgeräte hat der Verein im vergangenen Jahr von einem ortsansässigen Fitnessclub bekommen, als der seinen Laden räumte. So zwei bis maximal drei Mal in der Woche trainiert Kun im Kraftraum für jeweils etwa 70 Minuten – höchstens: „Meine Sportart ist ja Rudern.“ Und nicht Bodybuilding.

Wobei er in Tübingen nur recht selten in den am Bootshaus vorbeifließenden Neckar sticht. Gerudert hat er meistens am Wochenende in Breisach mit seinem Nationalteamkollegen Angl. Da machen sie dann schon mal vier bis fünf Einheiten mit Strecken zwischen 80 und 100 Kilometern. „Das Bootsgefühl ist das Wichtigste“, sagt Kun. In Tübingen steigt er ab und zu mal in ein Einerboot, wie an diesem Tag. Im Zweier fährt er hier nicht. „Es gibt hier halt keinen, der unseren Ruderstil hat“, erläutert Kun, „und es läuft nicht mit jedem so gut wie mit Jasper.“

Kein Alkohol, selten Fast-Food

In der Bootshalle sind noch Ruder-Ergometer gelagert. Auf einem solchen trainiert Kun auch noch ein bis zwei Mal die Woche. Sein bisheriger Trainer, der Tübinger Physiotherapeut Stephan Gutbrod, hat Trainingsprogramme für Kun ausgearbeitet. So „fuhr“ Kun im Winter auf dem Ergometer weniger intensive, dafür umfangreichere Strecken bis zu 80 Minuten, während es in den Sommermonaten genau andersrum war.

Der Ruderer Elias Kun im Interview
04:34 min
Der Ruderer Elias Kun spricht mit TAGBLATT-Redakteur Tobias Zug über seine Anfänge und seine sportlichen Ziele. Video: tzu

In der Bootshalle steigt Kun auf ein Holzpodest, um ein Einerboot vom obersten Stapel zu holen. Jede und jeder im Verein hat feste zugeteilte Boote, Kun mehr, manche weniger. 14 Kilogramm wiegt so ein Einerboot, das Kun auf seinen Schultern zum Steg ans Ufer schleppt. Immer kann auf dem Neckar nicht gerudert werden. Bei Gewitter und Hochwasser nicht, bei bestimmten Minusgraden nicht, weil das Eis sich am Boot festfriert und das Material beschädigt. Und im Dunkeln sollte man es auch bleiben lassen. Diesmal ist bestes Ruderwetter. Bis zum Kirchentellinsfurter Stauwehr können die Tübinger rudern, das sind etwa zweieinhalb Kilometer. Nicht sehr viel, in Boston, am Massachusetts Bay, wartet anderes Gewässer auf Kun.

Fast täglich trainiert Kun für seinen Sport, ist im Bootshaus, in Breisach oder bei Regatten. „Die Freizeit leidet darunter“, sagt er, „es ist schon schade, Freunden dann mal abzusagen. Aber durchs Rudern hat man ja auch Freunde.“ Für die Schule musste er Kompromisse eingehen, so fehlte Kun bei einem Trainingslager für drei Tage, um für das Abitur zu lernen. Einen Ernährungsplan hat er nicht, „aber ich achte schon darauf, was ich zu mir nehme“. Vor Wettkämpfen isst er viel Kohlehydrate wie Nudeln, McDonald’s-Besuche gibt’s – wenn überhaupt – nur nach gewonnenen Regatten. Alkohol? „Nein!“ Die Antwort kommt fast schneller als die Frage. Mag er nicht, „brauche ich auch nicht“. Als Quälerei mag er sein ganzes Tun nicht bezeichnen. „Nee“, sagt Kun, „das macht mir Spaß.“

Die Faszination am Rudern

Mit zwölf Jahren hat Elias Kun mit dem Rudern begonnen, die Wettbewerbe bei den Olympischen Spielen hatten es ihm angetan. Mittlerweile rudert der Tübinger für das Junioren-Nationalteam, gewann im vergangenen Jahr seine erste Junioren-Weltmeisterschafts-Medaille: Silber im Vierer mit Steuermann. 1,95 Meter groß ist Kun, was für Ruderer nicht außergewöhnlich ist. „Als Großer hast du vorne eine größere Reichweite und kannst einen längeren Schlag fahren, länger beschleunigen“, sagt Kun, „Kleinere fahren dagegen öfter eine höhere Schlagzahl.“ Am Rudern fasziniere ihn, „wenn man es schafft, wenn das Boot läuft“, sagt er, „am besten ist es, wenn man nach dem Rennen erst spürt, was man eigentlich geleistet hat.“

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Erstellt:
25.08.2018, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 04sec
zuletzt aktualisiert: 25.08.2018, 01:00 Uhr

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