Gomaringen

Regionalstadtbahn: Das Projekt nimmt Fahrt auf

Großes Interesse an der Regionalstadtbahn: Rund 100 Gäste kamen zur SPD-Infoveranstaltung in Gomaringen. Willi Kemmler ist optimistisch, dass es bald wieder Schienenverkehr im Ort gibt.

31.01.2019

Von Gabi Schweizer

So könnte die Regionalstadtbahntrasse beim Gomaringer ZOB einmal aussehen. Montage: Jessica Scheffner, Gomaringer Verlag

So könnte die Regionalstadtbahntrasse beim Gomaringer ZOB einmal aussehen. Montage: Jessica Scheffner, Gomaringer Verlag

Vielleicht sieht der Morgen einer Gomaringer Familie in ein paar Jahren so aus: Das jüngere Kind pendelt mit der Regionalstadtbahn auf den Höhnisch, das ältere ins Derendinger Berufsschulzentrum, der Mann nach Reutlingen zur Arbeit – und die Frau baut Überstunden ab, setzt sich in die Bahn und besucht ihre Cousine im Tübinger Uniklinikum: Diese Zukunftsvision beschrieb die Gomaringer SPD-Gemeinderätin und Ortsvereinsvorsitzende Daniela Diestel. Die Regionalstadtbahn sei für sie ein „Herzensprojekt“, sagte sie zu Beginn der vorgestrigen Infoveranstaltung. Dazu hatten die SPD-Ortsvereine des Steinlachtals, „Steinlach-Sextett“ genannt, in den Alznauer Hof eingeladen. Als Experten referierten Willi Kemmler, langjähriger SPD-Lokalpolitiker und Regionalstadtbahn-Befürworter der ersten Stunde, und der Nehrener Kreisrat Hans Rebmann.

Im vollen Nebenzimmer saßen durchaus nicht nur Gomaringer, sondern auch Bürger umliegender Gemeinden. Die sogenannte „Gomaringer Spange“, Modul Drei des landkreisübergreifenden Projekts, hängt schließlich eng mit der Zollernbahn zusammen. Die neue Trasse verbindet sie mit Reutlingen. Gomaringen bekäme damit, nach Ende der „Somaschell“ im Jahr 1982, endlich wieder einen Gleisanschluss und drei innerörtliche Haltepunkte: auf Höhe des Real, beim Zentralomnibusbahnhof und unten beim Lidl. Fest eingeplant ist außerdem eine Station auf dem Höhnisch.

Gibt es eine Direktverbindung von Gomaringen nach Tübingen oder muss man umsteigen? Verläuft das zweite Gleis in Nehren neben der alten Trasse oder neben der Landesstraße? Bis wann fahren die Bahnen nachts? All das sind noch offene Fragen. Aber gerade darin sieht Daniela Diestel eine große Chance: Es lässt sich noch was ändern. Vor allem aber sei die Realisierung des Projekts noch nie in so greifbarer Nähe gewesen wie jetzt, betonte Kemmler.

Er und Rebmann resümierten noch einmal den bisherigen Planungsstand, auch fürs Gesamtprojekt. Die übers Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz bereitgestellten Bundesfördermittel sind aufgestockt worden. Vor allem davon hängt die Machbarkeit ab: 60 Prozent der Kosten übernimmt der Bund, 20 das Land. Die Gründung einer Projektgesellschaft steht unmittelbar bevor. Das erste große Bau-Modul ist die Strecke von Herrenberg nach Bad Urach. Sie lässt sich mit vergleichsweise geringem Aufwand ertüchtigen. Zollernbahn und Gomaringer Spange kommen im nächsten Schritt dran. Laut Zeitplan könnte die Gomaringer Spange dann Ende 2025 fertig sein, wobei die Reutlinger ihren Abschnitt schon weiter geplant haben als die Tübinger.

In Gomaringen solle die Trasse, soweit möglich, parallel zur L 384 verlaufen; wo der Platz nicht reicht, auch auf dieser, erklärte Rebmann. Die „Zwei-System-Bahn“ werde sowohl mit Eisen- als auch mit Straßenbahnschienen kompatibel sein. „Wo der genaue Anschlusspunkt an die Zollernbahn ist, ist noch offen.“ Die SPD wolle sich jedenfalls für eine Direktverbindung auch nach Tübingen einsetzen. Kemmler präzisierte später, ein Gleisdreieck sei gerade in der Diskussion, auch die Deutsche Bahn lege „Wert darauf“. Nur: „Da drüben ist es furchtbar eng.“

Manche Details hängen von Stuttgart 21 ab, weil die Taktung auf den neuen Bahnhof abgestimmt werden muss. Beispiel Nehren: Läge das zweite Gleis parallel zur Landesstraße, wäre es näher am Ortskern. Das aber, erklärte Rebmann, „bringt für die schnellen Züge keine wesentliche Verbesserung. Deswegen ist die Überlegung, ob es vielleicht doch parallel zur jetzigen Strecke verläuft.“ „Schnapsidee!“, rief jemand dazwischen. Und Stadtbahn-Aktivist Siegfried Riekeles aus Nehren forderte: „Die Stadtbahn soll zu den Bürgern kommen!“

Dass der Bedarf groß ist, davon ist Kemmler überzeugt. Schätzungsweise 2700 Menschen würden die Gomaringer Spange täglich nutzen. „Das ist etwas, was man früher gar nicht glauben konnte.“ Jedoch: Als in den 90ern die Ammertalbahn gebaut wurde, seien die Planer von 700 Fahrgästen am Tag ausgegangen, „heute sind es 9000“. Als Vorbild für die Regionalstadtbahn Neckar-Alb gilt vor allem die Karlsruher Stadtbahn. Alle angeschlossenen Städte hätten einen wirtschaftlichen Aufschwung erlebt, betonte Kemmler – die Grundstückspreise seien nach oben geschnellt. Lachen im Saal: Angesichts jetzt schon schwindelerregender Beträge erschien das wohl den wenigsten als Ziel.

Jedoch: Dass der Autoverkehr abnehmen müsse, klang immer wieder durch. Nur ein Zuhörer äußerte sich skeptisch: Er sei Anwohner – ob er sich jetzt auf nächtlichen Bahnlärm einstellen müsse? Eine Straßenbahn sei leise, konterte die GL-Gemeinderätin Petra Rupp-Wiese von schräg gegenüber am Tisch. „Wir haben vielleicht eine einmalige Chance, die wir jetzt packen müssen“, warb ein anderer Gast. Und eine Frau erinnerte an die „125 Bodelshäuser Schüler“, die einst die Bahnstrecke nach Balingen retten mussten. Heute seien die Züge voll. Am liebsten wäre ihr eine durchgehend zweigleisige Streckenführung auf der Zollernbahn. Es reicht, wenn es genügend Ausweichmöglichkeiten gibt, hielt Rebmann dagegen. Momentan kommt es öfters zu Verzögerungen, weil ein verspäteter Zug in einer Richtung auch den Gegenzug behindert.

Eine Ofterdingerin machte sich für einen Haltepunkt am Park- and-Ride-Platz ihres Ortes stark. Und nicht nur Tübingen und Reutlingen sollten gut angebunden werden, auch die Gegenrichtung: Sie pendelt täglich in vollen Zügen nach Ebingen.

Ein neues Buskonzept wünschte sich ein Gomaringer. Bürgermeister Steffen Heß, der im Publikum saß, verwies auf den Zentralomnibusbahnhof, der zugleich Bahnhaltestelle wird. Die Linie 111 werde dann nicht mehr benötigt. Aber vielleicht könne man einen Zubringerverkehr einrichten, überlegte Heß. Er ist selbst Kreistagsmitglied und deshalb nah dran am Thema: „Jetzt sind alle Partner im Boot“, kommentierte er die aktuelle Entwicklung. Und: „Es ist klar, dass wir die Bevölkerung früh einbinden wollen.“

Die SPD plant regelmäßige Informationsveranstaltungen. „Wahrscheinlich werden wir eine Art Stammtisch machen“, sagte Diestel. Und Rebmann ermunterte die Bürger, Bedenken zu äußern: Gern werde er dafür sorgen, „dass die Frage bis zu den Planern durchkommt“. Das Projekt dürfe nicht gefährdet werden, „nur weil man nicht rechtzeitig miteinander geredet hat“.

Die Skeptiker wähnte Siegfried Riekeles indes eher in Tübingen: „Die sagen, wir brauchen keine Straßenbahn, wir haben genügend Omnibusse. Da müssen wir ganz dicke Bretter bohren.“ Das Projekt hänge nicht von der Tübinger Innenstadtstrecke ab, erwiderte Rebmann. „Aber sie ist ein sehr sinnvoller Anteil.“

Elf neue Haltestellen geplant

Die Gomaringer

Spange vom Reutlinger Hauptbahnhof bis zum Schulzentrum auf dem Höhnisch ist 12,5 Kilometer lang. Elf Haltepunkte sollen auf der Strecke entstehen. Aktuelle Kostenschätzungen gibt es nicht, im Jahr 2012 war von 56,8 Millionen Euro die Rede. Insgesamt soll die Regionalstadtbahn rund eine Milliarde Euro kosten.

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Erstellt:
31.01.2019, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 4min 10sec
zuletzt aktualisiert: 31.01.2019, 01:00 Uhr

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