Festival: Bunt, laut, offen

Das 13. Ract war womöglich das letzte im Anlagenpark

Das 13. Ract-Festival lockte bei gutem Wetter am Wochenende 26.000 Besucher in den Tübinger Anlagenpark.

09.06.2019

Von Miri Watson

Woodstock-Stimmung auf dem Tübinger Ract-Festival. Bild: Erich Sommer

Woodstock-Stimmung auf dem Tübinger Ract-Festival. Bild: Erich Sommer

Zum letzten Mal im Anlagenpark. Zumindest vorerst, möglicherweise für immer: Das 13. Ract-Festival zog am Wochenende 26.000 Besucherinnen und Besucher zum Park zwischen Uhlandstraße und Europaplatz. Und es wurde deutlich, warum Tübingen auch künftig das jugendorganisierte Musik- und Politikfestival braucht.

Das gute Wetter lieferte die beste Voraussetzung für ein gelungenes Festivalwochenende. Fröhliche Gesichter überall. Menschengruppen, die im Schatten der Bäume oder vor den Bühnen saßen, um Pakoras oder Langos zu essen, Bier oder Johannisbeer-Cider zu trinken, zu plaudern und der Musik zu lauschen. Die war, wie immer auf dem Ract, ganz schön abwechslungsreich: Geigen und Saxophone auf der Bühne Ost, harte Gitarrenriffs auf der Bühne Mitte, Rap und adrenalingeladene Beats auf der Bühne West und dazu Tanzmusik auf der Swing-Stage.

„Es ist bunt, laut, offen – und auch noch jung“, sagte Corinna Lange, die das Festival mit ihrer Familie besuchte. „Außerdem ist es voll cool, dass es ein politisches Festival ist.“ An Infoständen konnten Besucherinnen und Besucher sich über die Arbeit der Jugendorganisationen von Parteien und Vereinen informieren. Auch umweltaktivistische Gruppen waren dabei: „Fridays for Future“, „Extinction Rebellion“ oder „Ende Gelände“. Das Freie Radio Wüste Welle, das wieder live vom Gelände sendete, hatte eine Podiumsdiskussion organisiert, passend zum diesjährigen Ract-Motto „Über-Morgen Nachdenken“: „Da gehört auch die Reflexion des Globalen Nordens über die Beziehung zum Globalen Süden dazu“, so Matzel Xander von der Wüsten Welle.

Die neue Gruppierung „Tübingen spricht“, die Menschen verschiedener politischer Überzeugungen dazu bringen will, miteinander in Kontakt zu kommen, organisierte Diskussionen auf dem Festival – zu Europa, zur Flüchtlingspolitik oder zum Thema Wohnraum. „Diese Diskussionen waren immer mega gut besucht“, sagte Fabrizio Weber vom Organisations-Team des Festivals.

Am Samstagmittag war das traditionelle Kinderfest mit Hüpfburg, Stationenspiel, Kinderschminken und weiteren Angeboten, das viele Familien mit kleinen Kindern aufs Gelände lockte. Die einjährige Tochter von Milena Baitinger war zwar noch zu klein, um mitzumachen, Baitinger genoss dennoch die Stimmung: „Es ist schön, tagsüber mit einem Kind wohin gehen zu können, wo Livemusik gespielt wird.“

Trotz des anstehenden Umbaus des Europaplatzes, von dem auch der Anlagenpark betroffen sein wird, soll es auch in den kommenden Jahren ein Festival geben, aber: „Es ist momentan völlig unklar, wo das Ract künftig stattfinden wird“, sagte Zoe Steinacker vom Orga-Team, „Aktuell befinden wir uns in einem Suchprozess, bei dem wir uns aber vom Ordnungsamt supergut unterstützt fühlen“. Am liebsten wäre den Festivalmacherinnen und -machern, wenn das Ract im Alten Botanischen Garten oder auf der Kastanienallee zwischen Wildermuth-Gymnasium und Freibad stattfinden könnte. „Der Festplatz ist keine Alternative für uns – schon allein, weil unser politisches Angebot wahrscheinlich durch fehlende Laufkundschaft weit weniger angenommen würde“, so Steinacker.

Ganz klar ist für das Orga-Team aber: Nächstes Jahr gibt es wieder ein Ract. Auch Besucherin Hatice Dingil sagte: „Das Ract gehört zu Tübingen wie der Anlagensee“.

Hochzeit auf der Bühne Ost

Wer am frühen Samstagnachmittag bei Bühne Ost vorbeikam, wunderte sich womöglich. Denn es war keine Band, die da eine größere Menschenmenge vor die Stage gelockt hatte, sondern ein frischvermähltes Brautpaar: Nachdem Christin Gumbinger und Thomas Kittel, beide Mitglieder des Ract-Orga-Teams, sich mittags im Standesamt hatten trauen lassen – mit Rainer Kaltenmark vom Ordnungsamt als Trauzeuge – zogen sie direkt weiter aufs Festival, um ihre Gäste vor der Bühne zu empfangen. Die Eheleute, die statt traditionellerer Hochzeitsmode gelbe Warnwesten als Outfit gewählt hatten, wurden in den Reden ihrer Freunde für ihr Engagement, vor allem beim Festival, gelobt. Nach dem Empfang auf der Bühne gab’s im Workshopbereich Essen für die Hochzeitsgesellschaft.