Südstadtflair zum Abheben

Das 13. Lorettofest lockte bei tropischen Temperaturen am Samstag tausende von Besuchern an

Das Lorettofest entfaltete am Samstag zum 13. Mal seine Strahlkraft weit über das Viertel rund um den Lorettoplatz hinaus. Die Fest-Premiere des Gebärdensprachchors „Sign Singers – Singen mit den Händen“ kam sehr gut an.

11.09.2016

Von DOROTHEE HERMANN

Tübingen. Der mitreißende Sound von „Blues Blaster Seven“ traf genau die Grundstimmung für den Festabend im Lorettoviertel zwischen Katharinen- und Lilli-Zapf-Straße. „Es ist ein gutes Fest, guter Wein, nette Leute“, sagte ein 58-jähriger Tübinger, der weiter westlich an der Steinlach wohnt und immer gern beim Lorettofest vorbeischaut.

Gastgeber war die Stadtteil-Initiative Lorettina, die 2004 erstmals zum Fest lud, um das neu errichtete Quartier am einstigen Kasernenstandort zu beleben. Der zentrale Lorettoplatz, der am Samstag zur Festmeile wurde, diente früher als Exerzierplatz.

Beim Lorettofest, traditionell am letzten Samstag der Sommerferien, breitet sich dort heiteres Südstadtflair aus. Das Kletterbaum-Karussell war meist vollbesetzt und teilweise auch mächtig in Schwung.

„Es ist tolles Wetter. Heute läuft es sehr gut“, sagte Christiane Zenner-Siegmann, eine der Vorstandsfrauen beim Elkiko-Familienzentrum in der Lilli-Zapf-Straße im Viertel. Elkiko steht für Eltern-Kind-Kontakte. Beim Fest richtet der Verein den Lorettolauf für Kinder bis zehn Jahre aus, verkauft Waffeln, Kaffee, Tee und Kuchen. Als es Abend wurde, mixten mittlerweile jugendliche ehemalige Elkiko-Kinder alkoholfreie Cocktails an der Saftbar. „Das ist kompliziert“, erklärte Zenner-Siegmann. „Das sind richtige Cocktails! Da müssen genau abgemessen verschiedene Zutaten rein.“ Die Variante „Ocean“ enthält beispielsweise Banane, pink Grapefruit, Orange, Limette und Curaçaosirup. „Das gibt die tolle blaue Farbe“, sagte Zenner-Siegmann. Die Minzeblättchen für den Cocktail „Hugo“ werden für jedes Glas frisch gezupft und mit einem Mörser zerkleinert.

Harald Hain aus dem Lorettina-Vorstand schenkte Wein in feine Kelchgläser. Der 48-jährige Diplom-Pädagoge wohnt seit 2003 im Loretto-Viertel. „Da war hier teilweise noch Baustelle“, sagte er. Hain lebt in einem Mehrfamilienhaus, das eine Baugruppe konzipiert hat. „Wenn man gemeinsam ein Haus baut, kennt man sich einfach besser“, findet er.

Hain war froh über die rund 100 Helfer/innen, die zusätzlich zu den Lorettina-Aktivisten als Gastgeber eingesprungen sind, meist in Zwei- bis Drei-Stunden-Schichten. „Ohne sie würde es nicht funktionieren“, sagte er. Eine von ihnen war die 15-jährige Melina Köber, die mit fünf anderen Jugendlichen am Stand auf dem hinteren Platz alkoholfreie Getränke ausschenkte, bis es dunkel wurde. „Das Geschäft lief richtig gut“, sagte die Schülerin. „Wir haben einen ziemlich guten Umsatz gemacht.“

Der Erlös fließt in die Lorettina-Kasse, denn so ein Fest kostet auch: Gagen für die Bands, Pavillonzelte, bunte Flyer mit dem Programm. Für die Jugendlichen vom Getränkestand gab es Freigetränke. „Wir bauen jetzt ab, und dann machen wir Party!“, freute sich Melina und zählte auf: „Crêpes, Rote Wurst und Falafel.“ Die elfjährige Julia Brintzinger aus München half ebenfalls am Stand. „Ich bin hier geboren, aber dann sind wir nach München gezogen.“ Zum Fest kommt die Familie jedes Jahr zurück nach Tübingen. „Hier ist es immer schön, und wir treffen auch immer Freunde“, sagte Julia.

Die Bewirtung übernahmen fast ausschließlich Vereine, wie etwa der kurdische Kulturverein Reutlingen-Tübingen, dessen Köstlichkeiten gegen 18 Uhr bereits ausverkauft waren. Oder die Jugendfarm Kusterdingen, die sich am Grill so gut bewährt hat. Die Crêpes-Bäcker waren Profis und mussten deshalb auch mehr Standgebühr zahlen.

Als geschickte Falafel-Brater erwiesen sich wieder einmal Bewohner des Vier-Häuser-Projekts der Hechinger- und der Autenrieth-Straße. Dort leben insgesamt 103 Menschen, davon 42 Kinder und auch sechs Flüchtlinge, sagte die Deutschlehrerin und Mitbewohnerin Sol Sena. „Es ist einfach ein nettes Fest“, meinte die 38-Jährige, die an der Beruflichen Schule in Rottenburg unterrichtet und auch Deutschkurse für Flüchtlinge gibt. „Es ist schön für uns, als Vier-Häuser-Projekt im Viertel auch präsent zu sein. Es ist eine gute Atmosphäre zwischen Nachbarn. Inzwischen kennt man sich untereinander.“

Mindestens 400 Leute ließen sich von den „Sign Singers – Singen mit den Händen“, dem Gebärdensprachenchor der Tübinger Volkshochschule, verzaubern. Wenn die sechs Frauen mit Chorleiterin Rita Mohlau den Evergreen „What a Wonderful World“ in Gesten und Mimik übersetzen, kommt eine beschwingte Leichtigkeit auf, eine entspannte Sommerabend-Stimmung zum Abheben.

Info Die Lorettofest-Macher vom Verein Lorettina freuen sich über neue Mitstreiter. Infos und Kontakt unter lorettina-tuebingen.de.

Der Gebärdenchor „Sign Singers“ bezauberte und amüsierte die Lorettofest-Besucher am Samstag. Bilder: Sommer

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Ein starkes Talent auf der Tanzsportbühne der TSG beim Lorettofest.

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