Pandemie

Darf der Staat in die Weihnachtsstube?

Bund und Länder wollen für das Fest Beschränkungen lockern. Soll der Staat sich in die Feiertage einmischen?

25.11.2020

Von ANDRé BOCHOW UND IGOR STEINLE

Berlin. Natürlich ist es belastend, wenn der Staat sich in die familiären Weihnachtsfeiern einmischt. Es geht zwar lediglich um die Anzahl der Personen, die sich auf engem Raum um die Tanne scharen. Und ein bisschen um die Zusammensetzung der Feiergemeinde. Aber natürlich bleibt es eine Zumutung, dass Regeln für private Feiern vorgegeben werden. Allerdings macht der Staat das derzeit bei Geburtstags-, Hochzeits- und sonstigen Feiern auch. Wer das falsch findet, kann dann aber auch gleich sagen, der Staat solle sich nicht um Corona kümmern.

Dem Virus ist der Geburtstag des Heilands egal. Ohnehin wird Jahr für Jahr die Bedeutung von Weihnachten maßlos in die Höhe getrieben. Nicht zuletzt vom Einzelhandel, aber das ist hier nicht das Thema. Die Überhöhung findet auch in der Politik und in den Familien selbst statt. Alles, was nicht gut war zwischen den Menschen, muss nun gut werden. Allein diese allgemeine Harmoniesucht führt zu Dauerstress. Und Weihnachtsstress haben auch Millionen, die Weihnachten ohnehin allein sind.

Für die, die das Fest gern feiern, besteht trotzdem Druck. In diesem Jahr erst recht. Freiwillige Quarantänen, Angst vor Nachbarn, die einen wegen zu vieler Gäste denunzieren, und vor allem der Zwang zur Perfektion verursachen Beklemmungen. Schlimmer noch, dem Kampf gegen die Pandemie wird die weihnachtliche Beschränkungs-Amnestie keinen guten Dienst erweisen. Was am 23. Dezember richtig ist, ist es auch am 24., 25. und 26. Dezember. Wenn der Staat sich schon einmischt, soll er sich nicht wankelmütig zeigen. Das würde ein bisschen weniger Weihnachten bedeuten. Nicht schön, aber es gibt Schlimmeres.