Verkehr · Fördermittel

Schönbuchbahn: „Da geht enorm Geld flöten“

Der Zweckverband Schönbuchbahn setzt nach Ansicht eines Experten bei der Finanzierung aufs falsche Pferd. Beim Bund wären höhere Fördermittel zu holen gewesen.

27.11.2019

Von RAIMUND WEIBLE

Spätestens im Jahr 2021 sollen die neuen E-Fahrzeuge des spanischen Herstellers CAF auf die elektrifizierte Strecke der Schönbuchbahn gehen. Foto: Landratsamt Böblingen

Spätestens im Jahr 2021 sollen die neuen E-Fahrzeuge des spanischen Herstellers CAF auf die elektrifizierte Strecke der Schönbuchbahn gehen. Foto: Landratsamt Böblingen

Böblingen. Wir freuen uns auf den 14. Dezember“, sagt Thomas Engesser. Der Bürgermeister von Dettenhausen (Kreis Tübingen) fügt hinzu: „Vor allem freue ich mich für die Pendler.“ Den Ankündigungen des Landratsamts Böblingen zufolge nimmt an diesem Tag die Schönbuchbahn wieder ihren Betrieb auf und es endet der Busersatzverkehr. Ab dem 14. Dezember laufen vier von der DB Regio geliehene E-Triebwagen im Halbstundentakt auf der Strecke zwischen Dettenhausen und Böblingen. Zwischen Holzgerlingen und der Kreisstadt verkehren noch die alten Diesel-Regio-Shuttles im 15-Minuten-Takt – bis dann 2021 die neun E-Fahrzeuge des spanischen Herstellers CAF auf die elektrifizierte Strecke gehen.

Eigentlich hätten die Züge der Schönbuchbahn schon nach dem Ende der Sommerferien rollen sollen. Doch dann gab es Probleme mit der Leit- und Sicherungstechnik. Das waren jedoch nicht die einzigen Probleme beim Umbau der Schönbuchbahn auf elektrischen Betrieb. Zauneidechsen in Holzgerlingen und Bombenfunde auf dem Gelände des neuen Betriebshofs in Böblingen bremsten den Bau. Falsche Berechnungen des Untergrunds für die Gründung von 50 Oberleitungsmasten, die Lieferung von 80 falschen Masten und ein felsiger Untergrund bei der Tieferlegung der Bahn sorgten für Verzögerungen und Mehrkosten.

Schwierigkeiten traten auch beim Projektmanagement auf. Das ursprünglich beauftragte Unternehmen, sagt Landrat Roland Bernhard, konnte „infolge Personalmangels die Arbeit nicht mehr fortsetzen“. All die Probleme verteuerten das Projekt. Nach letzten Angaben kosten die Elektrifizierung der Strecke mit der Einrichtung von Doppelspuren, Beseitigung von zwei Bahnübergängen und weitere Eingriffe 76,8 Millionen Euro. Dabei nicht enthalten sind die 19 Millionen Euro für den neuen Betriebshof in Böblingen und die 53 Millionen Euro für den Kauf der Elektrotriebwagen. Da noch drei E-Triebwagen nachbestellt werden, kommt das Projekt am Ende auf über 160 Millionen Euro.

Darüber hat der Zweckverband Schönbuchbahn die Öffentlichkeit ins Bild gesetzt. Doch mit dem größten finanziellen Manko hielt der Verband hinterm Berg. Dem Zweckverband entgeht dadurch, dass er das Projekt zur Förderung beim Land anmeldete und nicht beim Bund, nach Meinung von Experten ein hoher Millionenbetrag. Geld, das von den Kreisen Böblingen und Tübingen als Träger des Verbands bezahlt werden muss. Man war beim Start des Projekts davon ausgegangen, bei den Kosten unter der 50-Millionen-Euro-Marke zu bleiben. Daher beantragten die Kreise die Förderung über das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) des Landes. Doch die Kosten schossen durch die Decke.

Das hätte man beim Zweckverband voraussehen müssen, erklärte ein Bahnexperte, der nicht namentlich genannt werden möchte. Bei einer realistischeren Kalkulation hätte man die 50- Millionen-Marke überschritten und die Investition beim GVFG des Bundes anmelden können. Der Bund fördert maximal mit einem Satz von 80 Prozent, das Land höchstens mit 75 Prozent.

Auf eine Anfrage reagierte Landrat Bernhard ausweichend. Er ließ erklären, dass die maximal erreichbare Förderung in beiden Varianten gleich sei. Das Fazit des Bahnexperten: „Da geht enorm Geld flöten.“

Fatal wirkt sich für den Zweckverband aus, dass die Förderung des Landes gedeckelt ist und daher mit den tatsächlichen Kosten nicht mitwächst. Es bleibt beim Festbetrag von 37,5 Millionen Euro für den Streckenausbau und den Betriebshof sowie 13,5 Millionen Euro für die Beseitigung von Bahnübergängen und fünf Millionen Euro für die neuen Fahrzeuge. Für die Mehrkosten gibt es keinen Zuschlag. Durch die Fehler bei den Strommasten entstanden laut Landratsamt Mehrkosten in Höhe „eines niedrigen einstelligen Millionenbetrags“. Der Verband hat ein Regressverfahren gegen das beauftragte Unternehmen eingeleitet.

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Erstellt:
27.11.2019, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 45sec
zuletzt aktualisiert: 27.11.2019, 06:00 Uhr

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