Tübingen

DGB-Gewerkschafter muss vor Gericht

Die Staatsanwaltschaft wirft dem stellvertretenden Tübinger DGB-Vorsitzenden Tobias Kaphegyi das Abhalten einer nicht genehmigten Versammlung in Weilheim vor.

12.12.2018

Von job

Am 2. Januar steht der stellvertretende Vorsitzende des Tübinger Kreisverbands des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) vor dem Tübinger Amtsgericht. Die Anklage wirft Tobias Kaphegyi vor, er habe auf dem Gehweg vor dem Realmarkt in Weilheim eine illegale Versammlung abgehalten.

Am 13. Juli hatte die Gewerkschaft Verdi die Beschäftigten der Real-Märkte bundesweit zu einem Streik aufgerufen. Die Gewerkschaft wirft Real vor, 4500 Arbeitsverträge mit befristet Beschäftigten nicht verlängert zu haben. Außerdem begehe das Unternehmen Tarifflucht, da bei Neueinstellungen nicht der mit Verdi ausgehandelte Flächentarifvertrag angewendet werde, sondern eine laut Gewerkschaft schlechtere Vereinbarung mit dem „Deutschen Handels- und Industrieangestellten Verband“ (DHV), die bis zu 30 Prozent Lohnverlust bedeute. Real weist den Vorwurf zurück und spricht von einer „marktgerechten Vergütung“. Um die Streikenden zu unterstützen, hatte der Verein „Aktion Arbeitsunrecht“ zu Solidaritätsaktionen aufgerufen. Daran beteiligten sich bundesweit Initiativen in über 20 Städten. In Weilheim verteilten Ehrenamtliche des DGB-Kreisverbands Flugblätter an die Kunden des Real-Marktes.

Die Geschäftsleitung des Marktes hatte sich nach Gewerkschaftsangaben bereits auf mögliche Solidaritätsaktionen vorbereitet und mehrere Wachleute auf dem Gelände postiert. Sie erteilten Gewerkschaftern Hausverbot, die im Laden Flugblätter verteilt hatten. Die DGB-Leute verließen daraufhin das Gelände des Marktes.

„Wir haben dann auf dem Bürgersteig noch ein Abschlussfoto mit Plakaten gemacht, um die Aktion zu dokumentieren“, sagte Kaphegyi gegenüber dem TAGBLATT, „dann sind wir gegangen.“ Parallel habe wohl der Geschäftsführer die Polizei geholt. Als der DGB-Vize mit Kollegen gerade ins Auto steigen wollte, um seine Kinder von der Kita abzuholen, sei ein Streifenwagen vorgefahren und habe sie an der Abfahrt gehindert. Ein Polizist habe ihre Personalien verlangt und mit Festnahme gedroht, wenn ihm kein Hauptverantwortlicher genannt werde. Daraufhin gab Kaphegyi ihm seinen Namen.

Die Staatsanwaltschaft erwirkte einen Strafbefehl wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz: Kaphegyi habe auf dem Gehweg vor dem Realmarkt eine nicht angemeldete Versammlung abgehalten, an der außer ihm noch zwei weitere Personen für etwa 12 Minuten teilgenommen hätten. „Es handelt sich um ein Offizialdelikt, das wir verfolgen müssen“, erklärte Staatsanwaltschafts-Sprecher Nicolaus Wegele. Das Tübinger Amtsgericht verhängte 20 Tagessätze á 70 Euro.

Kaphegyi legte Einspruch ein. Deshalb kommt es nun am Mittwoch, 2. Januar, 9.15 Uhr, im Sitzungssaal 13 des Tübinger Amtsgerichts zur Verhandlung.

Verdi und DGB geißeln Kriminalisierung

Die Gewerkschaft Verdi und der DGB erklären sich in Pressemitteilungen solidarisch mit Kaphegyi: „Es ist befremdlich, dass die gewerkschaftlichen Unterstützerinnen und Unterstützer in solchen Auseinandersetzungen in Fragen der Beschäftigungsbedingungen nun kriminalisiert werden sollen“, erklärte Verdi-Sekretär Jan Bleckert. Noch schärfer formuliert es der DGB: „Die Kriminalisierung des Gewerkschaftskollegen Kaphegyi, der sich gegen die skandalöse Tarifflucht bei Real einsetzt, ist eine Justizposse.“ Polizei und Staatsanwaltschaft machten sich „zum Handlanger eines Konzerns, der sich massiv seiner gesellschaftlichen Verantwortung entzieht“. Das „unsägliche Verfahren“ vergeude Steuergelder und wertvolle Arbeitszeit der Sicherheitsbehörden.