Rottenburg · Kolumne

Corona-Tagebuch: Thomas Weigel

Thomas Weigel, Rottenburgs Erster Bürgermeister und jetzt wieder corona-negativ, schreibt in unserer Kolumne.

25.04.2020

Von an

Thomas Weigel. Privatbild

Thomas Weigel. Privatbild

Corona? Corona! Ich habe es nachts schon gemerkt, bevor es morgens zur Gewissheit wurde: Kopfweh, Gliederschmerzen, Fieber. Jetzt hat es mich doch erwischt. Der Test positiv. Zwei Wochen „häusliche Absonderung“. Wer um Himmels Willen erfindet solche Begriffe? Die beste aller Ehefrauen ist wenig später ebenfalls positiv. Zwei unserer Kinder werden mit interniert. Wir sortieren uns. Nachbarn und Freunde kaufen ein und grüßen zur Terrasse oder durchs Fenster. Wir sind beeindruckt, wie viele liebe Menschen sich um uns sorgen. Nach drei Tagen im Bett geht’s uns besser. Mit Einkäufen versorgt, lassen wir es uns gut gehen, bis wir Geruchs- und Geschmackssinn verlieren. Aber auch das geht nach ein paar Tagen weg. Schule und Studium zu Hause klappen erstaunlich gut.

Die Kontakte mit den Kolleg/innen im Rathaus fühlen sich fremd an. Viel Zeit, die letzten Wochen Revue passieren zu lassen. Schöne Erinnerungen an die Fasnet. Sehr schmerzende und verstörende Erinnerungen an die Tage in Griechenland und im Lager Moria Ende Februar. Auftritte in einigen Fernseh- und Radiosendungen in der Hoffnung, unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen eine Zukunft in Deutschland anbieten zu können. Dann die Aufgabe, mit unglaublich zupackenden Kolleg/innen die Stadt „herunterzufahren“. Lange Tage im Rathaus. Viele Telefonate mit Menschen, die ihre Probleme mit den sich ändernden Verhältnissen schildern.

Nach viel Schlaf und einem zweiten negativen Test dürfen wir am Gründonnerstag wieder raus. Wir stellen fest, dass unsere Familienblase eine schöne Zeit war. Um uns herum ist aber eine neue Welt entstanden. Trotzdem bin ich froh, wieder ins Rathaus zu dürfen. Auch dort ist alles anders. Video- und Telefonkonferenzen anstatt Besprechungen. Keine abendlichen Sitzungen. Weniger persönliche Kontakte. Das vermisse ich am meisten. Aber die Baustellen laufen.

Schmerzliche Nachrichten aus einem Pflegeheim. Sorgen um die Finanzen der Stadt und der Unternehmen. Hilfspakete werden entwickelt, Läden sollen öffnen. Die Stadt beginnt sich zu räkeln. Auch meine Sekretärin ist Gott sei dank wieder genesen. Schließlich die Botschaft, dass zunächst eine kleine Zahl unbegleiteter Flüchtlinge nach Deutschland kommt. Endlich.