Tübingen

Corona-Proteste: Es waren genug Masken auf

Am Samstagnachmittag trafen auf dem Marktplatz Gegner der Corona-Maßnahmen und Protest-Demonstranten aufeinander.

10.04.2021

Von Wolfgang Albers

Bis auf kleinere Ausnahmen blieb es weitestgehend friedlich auf dem Marktplatz. Bild: Uli Rippmann

Bis auf kleinere Ausnahmen blieb es weitestgehend friedlich auf dem Marktplatz. Bild: Uli Rippmann

Am Ende war dann Tübingen doch nicht Stuttgart. Aber das war gar nicht so klar am Samstagnachmittag gegen 17 Uhr, als rund 140 Polizisten vom Tübinger Revier und von der Göppinger Bereitschaftspolizei sich massiv um den Marktplatz herum postiert hatten.

Anjalena Galic hatte dort eine Demonstration angemeldet. Die Reutlinger Physiotherapeutin stand schon mit einigen Helferinnen und Helfern am Marktplatz und sagte: „Mein Anliegen ist es, über die Corona-Politik zu informieren und in einen Diskurs zu gehen.“

Dass der sich gegen die amtliche Corona-Politik richtet, war offensichtlich – aber würde das auch durch Masken-Verweigerung unterstrichen werden? Nadine Straubinger, Leiterin des Tübinger Ordnungsamtes, machte Anjalena Galic noch einmal die Regeln klar: „Ganz wichtig ist es, dass Sie die Masken aufhaben.“

Unterdessen hatte Erwin Dieringer, der Leiter des Tübinger Polizeireviers, etliche Szenarien im Kopf. Die Stuttgarter Querdenker-Demo und die heftige Kritik am Polizei-(Nicht)-Management hatte auch die Tübinger im Vorfeld beschäftigt: Auf engem Raum kamen zusammen die Corona-Protestler, das Marktplatzpublikum – und eine Gegendemo der Antifa, zwar nicht angemeldet, aber in den sozialen Medien angekündigt.

Die Polizei hatte deshalb einen Teil des Marktplatzes vor dem Rathaus eingegittert – das war der Demo-Raum. Die Zugänge am Platz waren abgeriegelt, aber eine Gruppe der Antifa ließ die Polizei ans Gitter. Sehr junge Leute, einer rief übers Megafon: „Rechtsgerichtete haben in Tübingen keinen Platz.“ Und alle skandierten: „Wer mit Nazis mitmarschiert, der hat wirklich nichts kapiert.“

Erreicht haben diese Worte eher wenige, weil die Polizei gleichzeitig die Corona-Protestler noch nicht auf den Marktplatz ließ. Erst mal gab es einen Platzverweis für die Antifa – und als die nicht ging, machten die Göppinger Bepos die Reihe dicht und schoben die Gruppe Richtung Holzmarkt-Ausgang. Dort sah die Rangelei auch robuster aus, bis die Absperrgitter standen.

Zwar mit Maske, aber ziemlich eingepfercht standen da Dutzende von der Antifa. „Wir wollen sie nicht ganz wegschieben, sie sollen auch demonstrieren können“, sagte Erwin Dieringer. „Aber auf Steinwurfweite entfernt – alles andere ist zu gefährlich.“ Und außerdem ging ihm schon das nächste Szenario durch den Kopf. Wie am Ende die Demonstranten an der Antifa vorbeibringen? Die kurz einkesseln?

Aber zunächst durften jetzt rund 150 Corona-Protestler mit Schildern wie „Denkst du selber oder wirst du gedacht?“ oder „Kein Impfzwang“ in den Gitter-Raum. Auf dem Platz verfolgten noch etwa 100 Schaulustige die Szenerie, und am „Lichtenstein“ sang noch eine Gruppe, auch von Polizei abgeschirmt, gegen die Marktplatz-Demo an.

„Bitte die Masken aufsetzen, deren Gebrauch wir hier kritisieren“, sagte Anjalena Galic. Viele taten das, aber auch so manche nicht. Immer wieder berieten Nadine Straubinger und Erwin Dieringer. Der Polizeichef entschied sich für das Hinnehmen: „Die meisten halten sich an die Regeln, da wäre ein Abbruch der Veranstaltung unverhältnismäßig.“

Währenddessen sprachen sich etliche Redende gegen die aktuelle Corona-Politik aus. Der Anthroposoph Christoph Hueck wandte sich auch gegen den Vorwurf, die Bewegung sei rechtsextrem: „Eine Diffamierung, Lüge und Beleidigung.“

Daniela Beck vom Elternnetzwerk kam noch einmal auf die von der Antifa blockierte Demo in der Mühlstraße zurück: „Wenn man auf Demonstrationen Angst haben muss, sein Kind mitzunehmen, dann läuft etwas ziemlich schief in dieser Stadt.“

Gegen Ende wurden die Töne radikaler. Eine Mutter namens Jana rief: „Sorgt dafür, dass die Verantwortlichen für das Masken-Verbot vor Gericht gestellt werden.“ Und ein Patrick attackierte alle, die für die Corona-Verordnungen verantwortlich sind: „Solche Leute gehören nicht an die Macht, sondern an den Laternenpfahl gefesselt. Wir müssen Gleiches mit Gleichem vergelten: Wir sollten sie am Nordpol aussetzen und sagen: Klatscht in die Hände, wenn euch friert.“

Dann sang noch einer „We shall overcome“, einige riefen „Danke“ zur Polizei, und weil die Antifa da längst nach Hause gegangen war, leerte sich der Marktplatz friedlich. Nadine Straubinger, die im Geiste schon eine maskenlose Menge befürchtet hatte, atmete durch: „Sicher, manches müsste noch besser laufen, aber insgesamt können wir zufrieden sein.“ Auch die Polizei, so Dieringer, zog insgesamt ein positives Fazit.

Handeln statt der Polizei?

Die Blockade einer Eltern-Demo durch die Antifa hat Diskussionen ausgelöst - und das Offene Treffen gegen Faschismus und Rassismus veranlasst, sich zu erklären. Durch ihren Pressesprecher Max Neumann („Ich heiße natürlich anders und will nicht, dass die Nazis meinen richtigen Namen in der Zeitung lesen“): „Die Querdenker sind eine rechtsaffine Bewegung - denen wollen wir die Straße nicht überlassen wie in Kassel oder Stuttgart.“ Jetzt am Samstag war die Taktik, mit Parolen und Bannern dagegenzuhalten: „Aber etwa bei der AfD haben wir auch einen aktionistischen Anspruch.“ Sprich: mit Blockaden. Was Grundrechte einschränkt. Woher kommt die Berechtigung? „Das machen wir an Inhalten fest.“ Außerdem: „Man sieht ja, was passiert, wenn die Polizei nichts macht. Wir können uns nicht auf den Staat verlassen.“ Die Gegendemo am Marktplatz wertet Max Neumann als Erfolg: „Trotz dem brutalen Vorgehen der Cops konnten wir die Corona-Leugner erfolgreich stören und einen Zugang erfolgreich blockieren. Im Anschluss nahmen wir selbstbestimmt die Straße durch die Tübinger Innenstadt. Dabei wurden Plakate verklebt und Banner aufgehängt.“