Kommentar

Copacabana statt Wahlkampf

In Hirrlingen wird am 21. Februar ein neuer Bürgermeister gewählt. Der bisherige Chef im Rathaus, Manfred Hofelich, tritt nach 32 Jahren im Amt nicht wieder zur Wahl an. Damit ist dieses Mal sicher: Irgendein anderer wird’s.

12.02.2016

Von Hete Henning

Von den anfangs vier Kandidaten ist einer kurzfristig abgesprungen: Stefan Rieble, Ex-Polizist, Betriebswirt und Geschäftsführer eines Fitness-Centers in Rottweil, hat seine Kandidatur aus familiären Gründen zurückgezogen. So etwas ist nicht schön, kann aber passieren.

Doch noch ein zweiter Kandidat ist de facto eine Nullnummer: Markus Rölle. Der Hirrlinger hatte seine Bewerbung gleich am ersten Tag nach der Stellenausschreibung auf dem Rathaus eingereicht, um dann bei der Bekanntgabe der Bewerber zu erklären, er kandidiere nur „aus Prinzip“ – möglicherweise, weil er gleich um die Ecke wohnt und ein Wahlkampf mehr oder weniger für ihn nicht ins Gewicht fällt.

Denn Versicherungsmakler Markus Rölle ist zugleich der Landtagskandidat der AfD im Wahlkreis Tübingen. Die AfD drängt bekanntlich in die Parlamente, um dort zu beweisen, dass sie es besser kann als die anderen Parteien. Mit Kandidaten wie dem 43-jährigen Hirrlinger lassen ihre Aussichten zu wünschen übrig. Denn statt in der heißen Phase Wahlkampf zu machen, flog Markus Rölle am Donnerstag vor einer Woche erstmal nach Rio de Janeiro. Dieses Wochenende wird er zurück erwartet.

Nichts dagegen, wenn jemand der hiesigen Fasnet entflieht, um sich statt Hexen die hübschen Sambatänzerinnen beim Karneval in Rio anzutun. Ein bisschen Spaß an der Copacabana ist schließlich nicht verboten.

Wenn er das aber tut, während sich seine Mitbewerber ernsthaft um politische Ämter um Stimmen bemühen, entlarvt er sich als Spaßkandidat, der die Wähler an der Nase herumführt.

Am Sonntag in einer Woche ist in Hirrlingen Bürgermeisterwahl. Auch die Kandidaten Christoph Wild und Heiko Kübler haben gerade Urlaub. Anders als Rölle opfern sie ihn, um die Hirrlinger von ihren seriösen Absichten und ihren Qualitäten als Bürgermeisteraspiranten zu überzeugen. Sie besuchen Firmen und Vereine, sprechen in Gastwirtschaften und gehen von Tür zu Tür. Das ist harte Arbeit.

Heute Abend werden sich Kübler und Wild bei der offiziellen Kandidatenvorstellung der Gemeinde präsentieren, am Montag bei der Podiumsdiskussion des TAGBLATTs. Markus Rölle ist bei beiden Veranstaltungen in der Eichenberghalle nicht dabei. Am Montag sei er wegen eines anderen Termins verhindert, ließ er wissen – mit Grüßen aus Rio Brasil. Rölle kandidiert für die AfD, die sonst nicht müde wird, den etablierten Parteien und anderen Institutionen vorzuwerfen, dass sie das Volk missachten.