Conducta - Wir werden sein wie Che

Conducta - Wir werden sein wie Che

Kubanisches Drama um einen aufsässigen Schüler und seine betagte Lehrerin, die sich gegen absurde Bürokratie zur Wehr setzt.

10.02.2015

Von Dorothee Hermann

Conducta - Wir werden sein wie Che

Der elfjährige Chala ist kein Rabauke und hat trotzdem ständig Probleme. Dabei führt er ein unglaublich diszipliniertes Leben. Er stemmt den Haushalt für sich und seine drogenabhängige Mutter (Yuliet Cruz aus „Melaza“) und verdient das Geld für Essen und Strom als Taubenzüchter und Kampfhund-Trainer. Die Tiere hat Chala (herausragend: Armando Valdos Freire) über den Dächern von Havanna untergebracht, dem Himmel so nah, als würde er gleich abheben.

Die einzige, die kapiert, womit der Junge es aufnehmen muss, ist seine alte Lehrerin Carmela (Alina Rodriguez), getragen von einem gelassenen, politisch grundierten Selbstvertrauen („Meine Großmutter war die Enkelin von Sklaven“). Ihr dürfte die Sympathie des kubanischen Regisseurs Ernesto Daranas Serrano gelten, der seinerseits Chala eben nicht als depraviert und von vornherein chancenlos zeigt. Mit diesem Kunstgriff erreicht Serrano, dass die sozialen Mahlsteine noch gnadenloser wirken, weil sie ein Kind treffen.

Tauben und Kampfhunde, flüchtige Zärtlichkeit und blutige Aggression, das sind die Pole, zwischen die Chalas Leben eingespannt ist. Ständig ist er mit Geschehnissen konfrontiert, von denen er als Kind eigentlich nichts wissen dürfte. Mit dem bitteren Humor des Films sagen ihm das die Erwachsenen manchmal direkt ins Gesicht: „Du darfst nicht zusehen als Kind.“

Der einzige Ort, an dem der Junge Kind sein darf, ist die Schule. Sie ist auch Ort der unglaublichen Dynamik der Spiele der Jungs und der ersten Liebe zu Yeni (Amaly Junco), der Klassenbesten, einem ernsten, selbstbewussten Mädchen, das von dem kleinen Draufgänger nichts wissen will.

Sogar diese einigermaßen geordnete Kinderwelt ist bedroht, als eine übereifrige Sozialarbeiterin Chala ins Heim schicken will - weit weg von den Hundekämpfen und der destruktiven Mutter. Der Filmtitel „Conducta“ heißt „Verhalten“. Doch außer den Handlungen der einzelnen Figuren geht es um eine grundsätzlichere Frage: Was ist Humanität? Anscheinend ist sie nur noch marginalisiert zu haben, bei dem Jungen ohne Zukunft und der herzkranken Lehrerin, die beide in einen Abgrund blicken - in einem Land, das dabei sein könnte, genauso blutig zerfleischt zu werden wie ein Kampfhund im Ring.

Wo Kindsein ein Luxus ist - der tägliche Überlebenskampf des vaterlosen Chala.

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Erstellt:
10.02.2015, 16:13 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 08sec
zuletzt aktualisiert: 10.02.2015, 16:13 Uhr

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