Tübingen

Climbing Green

Das Aus der Mooswand in der Tübinger Mühlstraße könnte im Herbst kommen („Beim Moos ist nicht viel los“, 4. Juli).

11.07.2018

Von Reinhard von Brunn, Tübingen

Ohne großes Wimpernzucken wurden 33 000 Euro unserer Steuergelder für eine Mooswand in der Mühlstraße gesteckt. Ein „City Tree“ der Berliner Firma Green City Solutions sollte Abgase rausfiltern und das Ökogewissen beruhigen. Wie andernorts auch in Tübingen ein teurer Fehlschlag.

Etwa 200 Meter Luftlinie entfernt gibt es ein seit Frühjahr 2012 grünendes Gegenbeispiel: der Fassaden-Bewuchs der hässlichen Neckar-Parkhausfront. In zwölf Pflanzkübeln ranken sich Schlingknöterich, wilder Wein, Glyzinien, Efeu und immergrünes Geißblatt bis zum obersten Parkdeck und bedecken mildtätig den Waschbeton. Zur Freude von Anwohnern und Bootsfahrern, Vögeln, Insekten und sogar brütenden Enten. Es wäre eine dankbare Aufgabe für unsere Umwelt-Profis einmal auszurechnen, welche Mengen an CO2 und Feinstaub diese Wand jährlich neutralisiert.

Allerdings wurden dafür kein Werbe-Schnick-Schnack betrieben und keine teure Rechnungen gestellt. Stattdessen eigenhändig in sechs Jahren rund 9500 Eimer Neckarwasser hochgezogen, Privates in Pflanzen, Dünger und Substrat investiert. Umsonst für die Stadt, ehrenamtlich, aus Spaß an der Freude und Liebe zur Stadt: hinfahren mit dem Fahrrad, die Aussicht genießen, Fitness praktizieren, und das Ganze mit über 70.

Vielleicht sollten wir diese Öko-Aktion künftig „Climbing Green“ nennen. Ob die Stadt dann wieder einen Stadtgärtner mit der Gießkanne vorbeischickt oder gar eine Solarpumpe installiert? Wir fänden das gut.