„Die 2. Liga ist eine Wundertüte“

Christian Gentner sieht im Stuttgarter Kader noch Raum für Nachbesserungen

Vor dem Auftaktspiel gegen St. Pauli spricht der VfB-Kapitän über die Vorbereitung, die Fans, den neuen Trainer und seine Mannschaft.

06.08.2016

Von MATTHIAS JEDELE

Christian Gentner geht in seine vierte Saison als VfB-Kapitän. Foto: imago

Christian Gentner geht in seine vierte Saison als VfB-Kapitän. Foto: imago

Die Vorbereitung läuft. Ist der VfB schon startklar für die 2. Liga?

CHRISTIAN GENTNER: Diese Frage ist schwierig zu beantworten, weil wir in einer neuen Liga an den Start gehen und nicht genau wissen, wo wir im Vergleich zu den anderen Mannschaften stehen. Wir können sagen, dass wir eine relativ gute Vorbereitung hatten und dies, nachdem es ja ein paar Veränderungen im Kader gab. Es wird sich allerdings erst noch zeigen, wie schnell es gelingt, dass sich eine schlagkräftige Truppe zusammenfindet. Das kann immer etwas dauern. Wichtig für uns war, dass wir mit wenig Verletzten durch die Vorbereitung gekommen sind. Das stimmt mich vorsichtig optimistisch.

Die Mannschaft musste nach vielen Abgängen neu formiert werden. Wo hakt es noch am meisten?

GENTNER: Die Abstimmung ist ein Faktor, den man nicht unterschätzen darf. Insbesondere im Vergleich zu anderen Mannschaften, die sich in den vergangenen Jahren in der 2. Liga etabliert haben und vom Kader her nahezu identisch in die neue Saison gehen. Zu Beginn der neuen Spielzeit ist das sicherlich ein Vorteil für diese Teams. Wir können uns in jedem Mannschaftsteil noch verbessern.

Sie stammen aus der VfB-Jugend und durften zwei Deutsche Meisterschaften feiern. Hätten Sie jemals gedacht, mit dem VfB in der 2. Liga zu spielen?

GENTNER: Ich habe es mir natürlich nie gewünscht. Ich sehe den VfB Stuttgart schon immer als den großen Verein hier in der Region. Mit seinen ganzen Gegebenheiten, seinem Umfeld und vor allem seinen Fans gehört der VfB Stuttgart einfach in die Bundesliga.

War es schwer, sich in der Sommerpause auch gedanklich auf das Unterhaus vorzubereiten?

GENTNER: Nein, es war nicht schwer. Aber so ein Abstieg setzt einen Prozess in Gang, der seine Zeit dauert und nicht eben von heute auf morgen endet. Das ist, glaube ich, für alle nachvollziehbar. Auch ich habe das in der Sommerpause gespürt. Aber mit dem Trainingsstart bereitet man sich auf eine neue Saison vor und da spielt es nicht die entscheidende Rolle, ob es die erste oder zweite Spielklasse ist. Man versucht seinen Körper wieder auf ein hohes Level zu bringen und das volle Leistungsvermögen auszuschöpfen.

Welche Konsequenzen haben Sie persönlich aus der vergangenen Saison gezogen?

GENTNER: Ich will gar nicht mehr groß über die Vergangenheit sprechen. Fakt ist, dass wir die aktuelle Situation zu 100 Prozent annehmen müssen. Die Saison wird für uns unglaublich schwer, auch weil uns alle anderen Mannschaften als großen Favoriten sehen.

Stichwort Wiederaufstieg. Ist der Kader nach den zahlreichen Abgängen stark genug, oder muss noch nachgebessert werden?

GENTNER: Wir haben schon eine gewisse Qualität in der Mannschaft. Aber der Kader ist nicht komplett und kann momentan den großen Ansprüchen noch nicht gerecht werden. Wir sind nicht der FC Bayern der 2. Liga.

Für das Heimspiel gegen den FC St. Pauli sind bereits über 54 000 Karten verkauft. Der VfB scheint trotz des Abstiegs an Beliebtheit nichts eingebüßt zu haben. Ganz im Gegenteil, die Mitgliedszahlen steigen sogar. Woran liegt das?

GENTNER: Unsere Fans wissen, dass sie eine enorme Hilfe für unser großes gemeinsames Ziel Wiederaufstieg sein können. Wir müssen jetzt nur aufpassen, dass wir das nicht als zu großen Druck empfinden, sondern als Unterstützung betrachten. Es ist auf jeden Fall ein unglaubliches Zeichen an die Mannschaft und den kompletten Verein.

In der Vorbereitung hat ihre Mannschaft kein Spiel verloren, wie viel Aussagekraft hat das im Hinblick auf die bevorstehende Meisterschaftsrunde?

GENTNER: Testspiele in der Vorbereitung haben grundsätzlich keine große Aussagekraft, da man nie weiß, in welchem Fitnesszustand die Gegner auflaufen und ob das die jeweilige Bestbesetzung ist. Die Meisterschaft ist daher etwas komplett anderes. Nichtsdestotrotz hatten wir in den Spielen gute Momente und konnten für uns wichtige Schlüsse daraus ziehen. Da wir defensiv wenig zugelassen haben, konnten wir auch Selbstvertrauen mitnehmen. Es wäre jedoch trügerisch zu sagen, die Vorbereitung verlief super und deshalb sind wir perfekt auf die Saison vorbereitet.

Jos Luhukay ist jetzt seit gut sechs Wochen im Amt. Wie ist ihr Eindruck vom neuen Cheftrainer?

GENTNER: Jos Luhukay strahlt unheimlich viel Ruhe und Souveränität aus und war in den ersten Wochen der Vorbereitung sehr in der Beobachterrolle. Jetzt greift er immer mehr und mehr ein und macht klare Ansagen. Ich für meinen Teil vertraue sehr auf ihn und sein gesamtes Trainerteam. Er kennt so eine schwierige Situation aus seinen vorherigen Trainerstationen und hat mehrfach seine Qualität bewiesen. Diese Erfahrung merkt man ganz deutlich.

Wie oft spricht er mit ihnen als Kapitän im Hinblick auf den Leistungsstand der Mannschaft?

GENTNER: Wir tauschen uns mehrmals in der Woche aus.

Der VfB Stuttgart und Hannover 96 werden von vielen Experten als Favoriten eingestuft. Wen sehen sie vorne?

GENTNER: Ich bin ehrlicherweise kein Experte der 2. Liga. Ich denke aber, dass viele Mannschaften das Zeug dazu haben, oben mitzuspielen. Das hat die Vergangenheit auch schon gezeigt. Mannschaften wie Bochum oder Nürnberg gehören sicher zum Kreis der Favoriten. Es gab aber auch schon nicht ganz so hoch gehandelte Teams, die am Ende ganz oben standen, so wie Paderborn und Darmstadt. Auf der anderen Seite kann es aber auch sein, dass vermeintliche Favoriten sich plötzlich im Tabellenkeller wiederfinden. Daher ist die 2. Liga immer eine Wundertüte.

Wie lautet ihr persönliches Ziel und das der Mannschaft für die bevorstehende Runde?

GENTER: Es gibt hier keine persönlichen Ziele. Der Wiederaufstieg steht komplett über allem und alles andere muss dem untergeordnet werden. Jeder muss für sich versuchen, das Maximale dazu beizutragen.

Wie viel würden Sie auf einen direkten Wiederaufstieg des VfB setzen?

GENTNER (schmunzelt): Da es uns gar nicht erlaubt ist zu wetten, stellt sich diese Frage erst gar nicht. Ich kann aber garantieren, dass ich alles dafür tun werde, dass der VfB Stuttgart es schafft.