Reutlinger Schwörtag

Chinesischer Gruß zur Premiere

Der neue OB Thomas Keck skizziert vor seinem ersten Schwur die Schwerpunkte, die er in seiner Amtszeit angehen will.

15.07.2019

Von Thomas de Marco

Zünftig, zünftig: Beim 15. Schwörtag marschieren Handwerker mit den Fahnen der früheren Zünfte im Umzug durch die Stadt.Bilder: Horst Haas

Zünftig, zünftig: Beim 15. Schwörtag marschieren Handwerker mit den Fahnen der früheren Zünfte im Umzug durch die Stadt.Bilder: Horst Haas

Beim 15. Schwörtag neuerer Prägung hat erstmals Reutlingens neuer Oberbürgermeister Thomas Keck am Sonntag beim Schwörtag den historischen Eid abgelegt: „Für mich ist das ein ganz besonderer Tag“, sagte Keck vor rund 1000 Besucherinnen und Besuchern im Hof des List-Gymnasium, wo zu Zeiten der Freien Reichsstadt das Schwörtags-Zeremoniell abgehalten worden war. Damals seien nicht nur der Bürgermeister und die Ratsmitglieder auf das Wohl der Stadt vereidigt worden. Im Gegenzug habe auch die Bürgerschaft den so genannten Gehorsamseid auf das neu gewählte Stadtregiment abgelegt.

Für Keck ein interessanter Aspekt: „Auch wenn ich von Ihnen keinen Gehorsamseid erwarte, halte ich es durchaus für angebracht, darauf hinzuweisen, dass jede und jeder Teil des Ganzen ist und nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten hat“, betonte der OB.

„Mögest du in interessanten Zeiten leben!“ Diesen Gruß, der seit 1936 als „chinesischer Fluch“ bezeichnet wird und den man in China nur seinen ärgsten Feinden wünscht, stellte Keck an den Beginn seiner Rede. Wobei er selbst derzeit interessante Zeiten der positiven Art erlebe als neuer OB in seiner Heimatstadt. Und dann skizzierte Keck die Schwerpunkte, die er in seiner Amtszeit verfolgen will.

In vielen Punkten sollte sich die Bürgerschaft aktiv einbringen oder wenigstens Lebensweisen und Gewohnheiten auf den Prüfstand stellen. „Denn wir müssen handeln!“, forderte Keck. Beispiel Mobilitätswende: In Sachen „Masterplan Radverkehr“ mache sich noch im Sommer eine „Task Force“ auf den Weg zu einer schnelleren Umsetzung. Dafür würden auch Verbände und Initiativen wie ADFC, VCD und „Eltern radelnder Schüler“ an den Tisch geholt. Aber ob temporäre Schließung einer Fahrspur in der Lederstraße oder Kontrolle des LKW-Durchfahrtsverbots – alle Maßnahmen zur Luftreinhaltung würden zwangsläufig zu Lasten des Autoverkehrs gehen müssen, kündigte Keck an.

„Volle Fahrt voraus“ heiße es dagegen bei der Schaffung bezahlbaren Wohnraums: „Wir brauchen die Wohnungen jetzt und nicht erst in 30 Jahren!“, sagte der OB unter Applaus. Auch sein Interesse für OB Boris Palmers Androhung eines Baugebots in der Nachbarstadt Tübingen wurde vom Publikum mehrheitlich goutiert.

Beim Thema Nachhaltigkeit hege er große Sympathien für die Mission 2035 der „Fridays for Future“-Bewegung: „Ein klimaneutrales Reutlingen bis 2035 ist ein ambitioniertes Ziel, vor dem ich aber nicht zurückschrecke.“ Und zu den jungen Leute, die auch in Reutlingen in kürzester Zeit eine organisierte, schlagkräftige Umweltbewegung aufgebaut hätten, sagte Keck unter großem Applaus: „Wir brauchen euch und eure Dynamik, damit sich endlich etwas verändert!“

Für eine gerechte und lebendige Stadt habe er zusammen mit der Händler-Interessengemeinschaft „RT aktiv“ die Grundidee entwickelt, leer stehende Wohnungen über Ladengeschäften an Studierende und junge Menschen zu vermieten. Auch „niederschwellige Kulturkneipen“ wünscht sich Keck.

Einer der erfreulichsten Termine in seinen ersten 100 Tagen als Oberbürgermeister sei im Juni die Fahrt nach Stuttgart in den Landtag gewesen, wo er von Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut Fördergelder in Höhe von einer Viertelmillion Euro für das künftige Innovationszentrum „Innoport“ auf dem ehemaligen Betz-Areal entgegennahm. „Das Innovationszentrum ist der Auftakt für die Entwicklung des zwölf Hekter großen Areals zum modernen Industriepark „RT_unlimited“, betonte Keck. „Produktion kommt zurück – im dritten Jahrtausend keine Belästigung, sondern Bereicherung. Ich bin sicher, dass hier schon bald jede Menge attraktive und zukunftsträchtige Arbeitsplätze entstehen!“

Auf alle diese Zukunftsaufgaben freue er sich. Kommende Haushalte der Stadt müssten aber unter der Prämisse „Stärkung der eigenen Finanzkraft und Kostenkontrolle“ stehen. Nach 104 Tagen als Oberbürgermeister könne er verraten: „Ich mach’s gern!“, verkündete Keck und ließ sich von Linus Wüsteney, Schüler am Friedrich-List-Gymnasium, den Schwörstab reichen. Danach wurde noch einige Stunden im und um den Hof des List-Gymnasiums kräftig gefeiert.

Über 3000 Gäste beim Mittelaltermarkt

Noch mal gutgegangen ist der Mittelaltermarkt im Reutlinger Volkspark für die Organisatoren: Nach dem verregneten Start am Freitag (wir berichteten) blieb es am Samstag und Sonntag trotz vieler dunkler Wolken trocken. Knapp 3500 Besucherinnen und Besucher sind gekommen, um Schwertkämpfe, die Vögel eines Falkners oder Gaukler und Tänze anzusehen, Musik zu hören oder sich für die Angebote von rund 50 Händlern und Gastronomen zu interessieren. Im vergangenen Jahr waren gut 2000 Leute mehr gezählt worden. „Diesmal sind wir mit einem blauen Auge davongekommen“, sagt Anja Katz vom Veranstalter „Fabula Corvinus“. Reichlich blau gewesen ist am Samstag ein Besucher, der kollabierte und sich so aggressiv verhielt, dass Rettungskräfte und Polizei gerufen werden mussten. „Das war aber der einzige Zwischenfall, sonst lief alles ohne Probleme ab“, sagt Katz. Die Resonanz von Händlern und Lagergruppen sei gewesen: „Tolles Gelände, toll organisiert, toller Markt.“ Wenn die Stadt will, kommt „Fabula Corvinus“ im nächsten Jahr wieder mit dem Markt nach Reutlingen.

Zum Artikel

Erstellt:
15.07.2019, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 24sec
zuletzt aktualisiert: 15.07.2019, 01:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Sie möchten diesen Inhalt nutzen? Bitte beachten Sie unsere Hinweise zur Lizenzierung.

Push aufs Handy

Die wichtigsten Nachrichten direkt aufs Smartphone: Installieren Sie die Tagblatt-App für iOS oder für Android und erhalten Sie Push-Meldungen über die wichtigsten Ereignisse und interessantesten Themen aus der Region Tübingen.

Newsletter


In Ihrem Benutzerprofil können Sie Ihre abonnierten Newsletter verwalten. Dazu müssen Sie jedoch registriert und angemeldet sein. Für alle Tagblatt-Newsletter können Sie sich aber bei tagblatt.de/newsletter auch ohne Registrierung anmelden.
Das Tagblatt in den Sozialen Netzen
    
Faceboook      Instagram      Twitter      Facebook Sport
Newsletter Wirtschaft: Macher, Moneten, Mittelstand
Branchen, Business und Personen: Sie interessieren sich für Themen aus der regionalen Wirtschaft? Dann bestellen Sie unseren Newsletter Macher, Moneten, Mittelstand!