Carol

Carol

Cate Blanchett spielt in dem Melodrama eine verheiratete Frau, die sich in den 1950-er Jahren in eine Verkäuferin verliebt.

03.01.2015

Von Klaus-Peter Eichele

Eine Liebesbeziehung zwischen zwei Frauen – wer fühlt sich denn davon auf den Schlips getreten? In den 1950-er Jahren so mancher. Die berühmte Krimiautorin Patricia Highsmith hat ihren einschlägigen Roman, den Regisseur Todd Haynes jetzt verfilmt hat, 1952 unter einem Pseudonym veröffentlicht, weil sie Angst um ihre Karriere hatte. Ihre Heldin muss, als die Affäre auffliegt, um das Sorgerecht für ihr Kind fürchten und sich der demütigenden Prozedur einer psychiatrischen Behandlung unterziehen.

Diese von Cate Blanchett gespielte Carol lebt in betuchten Verhältnissen im Umland von New York. Ihre Ehe mit einem besitzergreifenden Grobian ist zerrüttet – auch, weil sie irgendwann beschlossen hat, ihre Zuneigung zu Frauen nicht mehr länger zu verbergen. Bei einem Ausflug in die Stadt begegnet Carol der viele Jahre jüngeren Therese (Rooney Mara), die in einem Warenhaus Spielsachen verkauft, aber auch künstlerische Ambitionen hat. Dem flüchtigen Gespräch an der Kasse folgen Treffen im Café und in Carols palastähnlichem Heim.

Während die Ältere und Erfahrene sich ihres Verliebtseins längst bewusst ist und die junge Frau zielstrebig umgarnt, weiß Therese, die Homosexualität bis dahin nur vom Hörensagen kannte (als Kind aber lieber mit der Modelleisenbahn als mit Puppen gespielt hat), zunächst kaum, wie ihr geschieht. Auch darüber hinaus akzentuiert der Regisseur die Unterschiedlichkeit der beiden Frauen: Damenhafte Pelzmantel-Eleganz trifft auf burschikose Kumpelhaftigkeit, spießiger Reichtum auf ärmlichen Bohème-Lifestyle, Doris Day auf Audrey Hepburn. Der Liebe, die sich schließlich vehement Bahn bricht, können diese (Klassen-)Gegensätze aber nichts anhaben.

Als Störfaktor erweist sich vielmehr das Umfeld. Carols Mann schickt den beiden, als sie sich auf einem gemeinsamen Ausflug endlich ganz nahe kommen, einen Schnüffler auf die Pelle. Es droht die Zerstörung von Carlos bürgerlicher Existenz. Solche Umstände tragen aber auch dazu bei, dass Lust und Leidenschaft – völlig konträr zum thematisch verwandten Film „Blau ist eine warme Farbe“ – hier kaum eine Chance zur Entfaltung haben. Stattdessen dominiert unerfülltes Sehnen und schmerzvoller Verzicht – auch wenn die Geschichte am Ende eine andere Wendung nimmt.

Stilistisch ist „Carol“, wie jeder Film von Todd Haynes („I’m Not There“), ein Schmuckstück. Authentisch, aber nie museal rekonstruiert er das Amerika der McCarthy-Ära sowohl hinsichtlich der Kostüme und Accessoires als auch des für Außenseiter bedrückenden Zeitgeists. Und wie schon sein Oscar-nominiertes Drama „Dem Himmel so fern“ (2002) ist auch dieser Film eine Hommage an die klassischen Hollywood-Melodramen, jenen subtil verschlüsselten Anklagen der bürgerlichen Ehe als Gefühlsgefängnis.

Vorsicht, Männer: In diesem Film seid ihr bloß Würstchen, Schwätzer und Stiernacken.