Staatsministerin Annette Widmann-Mauz kam aus Berlin („sicher zum 20. Mal“), der SPD-Bundestagsabgeordnete Martin Rosemann („zum vierten Mal“) brachte die Reutlinger SPD-Kreisvorsitzende Ronja Nothofer mit („zum ersten Mal“). Auch Regierungspräsident Klaus Tappeser kehrte an die Stätte seines früheren Wirkens zurück. Landrat Joachim Walter war unter den Gästen. Bürgermeister aus der Nachbarschaft, Gemeinde-, Ortschafts- und andere Räte. Delegationen aus den Partnerstädten. Alle wurden von Oberbürgermeister Stephan Neher begrüßt. Nur die Delegation aus Gols, der burgenländischen Weinbaugemeinde, die vergaß er zunächst und holte es später nach: „Da geht man ja immer spätabends hin, zum Abschluss.“

Einzigartiges Stadtfest

Das Rottenburger Neckarfest

/

Das erste Wort bei der Eröffnung des „einzigartigen Stadtfestes“ hatte Diakon Jörg Stein, der vor allem die „Auslandsrottenburger“ begrüßte, bei denen die Stadt nicht mehr in den Ausweis, aber ins Herz geschrieben sei. Der Theologe wusste zwar, dass „unsere Heimat im Himmel ist“, als irdischer Ersatz reiche Rottenburg „als Ort des Heimatgefühls“ allemal aus. Als ökumenische Ergänzung wusste Pfarrerin Fetzer, dass „Feste eine willkommene Unterbrechung des Alltags“ seien. Alle sangen „Nun danket alle Gott“, die Stadtkapelle unterstützte die nicht immer textsicheren Sänger dabei aufs Trefflichste.

Der Oberbürgermeister setzte eine launige Ansprache vor seine Aufgabe, das Bierfass anzustechen. Einen Polizisten auf der Eberlebrücke gewahr werdend, erzählte er von der Idee, dass Bierfass „anzuschießen“: „Aber der hat mir seine Pistole nicht gegeben.“ Die erneute Vergabe des Titels „Fair Trade Stadt“ war Anlass „uns zu gratulieren“. Schließlich trägt die Stadt den Titel seit 2010. Damals als erste in Baden-Württemberg. Den Fassanstich erledigte der OB routiniert. Nichts ging daneben. Blieb ihm noch, das erste Highlight des Jahres anzukündigen, das Canadier-Rennen: „In den letzten neun Jahre haben wir, das Rathaus-Team, ja alle Rennen gewonnen. Auch wenn manche behaupten: als U-Boot, also unter Wasser.“

Baden ging die Rathausspitze diesmal nicht. Alle drei Bürgermeister saßen im selben Boot, hatten den gleichen Strohhut auf und ruderten in ungefähr die gleiche Richtung. Baden gingen zuerst drei Französinnen, die sich spontan zur Teilnahme am Rennen entschieden hatten, und dann auch noch das Team der Beruflichen Schule. Dort sollte man sich eigentlich mit den Canadiern auskennen, dort werden sie schließlich gebaut. Weitere Teilnehmer des Rennens um die liegende Acht waren drei Teams aus der Justizvollzugsanstalt, eines von der Oase, eines vom DRK und zwei von der Firma Bitzer. Die beiden fanden sich besonders stark und traten nur mit zwei anstatt drei Paddlern an wie die übrigen, und eines davon gewann auch noch.

Am Stand der Jungen Aktiven

In der Sonnenhitze nahm das Fest nur langsam Fahrt auf. Widmann-Mauz ließ sich am Stand der Jungen Aktiven von Ergenzingens Ortsvorsteher Sekt einschenken. Man saß dort im Schatten am Neckarufern auf bequemen Polstern. Der Golser Stand machte erst abends auf. Man hatte den Eindruck, dass die Neckarfest-Besucher versuchten, sich in der Nähe eines Fernsehers niederzulassen. Die Anspannung vor dem Spiel der deutschen Fußball-Mannschaft schien greifbar.

Auf dem Kinderflohmarkt im Stadtgraben dagegen herrschte munteres Treiben. Vom roten Ballerina-Kleid über Puzzles, Kartenspiele, elektronische Spiele gab es alles, was Kinder haben wollen. Und es im Zweifelsfall auch mit mehr oder weniger geübtem Geheule durchsetzen.

Beim Römermuseum hatten Amy, 10, und ihr Bruder Mika, 8, ihren Stand aufgebaut. Der umfasste drei Tische: „Auf dem liegen Mikas Sachen“, erklärte Amy die Regelung, „hier liegen meine, und dazwischen die, die uns beiden gehören.“ Die Geschäfte gingen gut, sagte sie. Und wie behaltet ihr den Überblick? „Ich mach Buchführung“, erwiderte Amy und zeigte einen Zettel mit den Einnahmen. Sind eure Zimmer jetzt leer? Ihre Mutter, die im Hintergrund die Aufsicht führte, verdrehte die Augen. „Nein“, sagte Amy strahlend. „Ich habe auch schon wieder was gekauft.“ Sie deutete auf eine abgedeckte Kiste. „Ein Playmobil-Krankenhaus.“ Jenseits der Sprollstraße erstreckte sich der Trödelmarkt kilometerlang. Ein Verkäufer von Gitarren und Ukulelen litt am mangelnden Interesse der Festbesucher. Auch die Ölbilder ein paar Schritte weiter, die in riesigen Formaten grünliche und daher frische Meereswellen zeigten, gingen nicht weg. Manchmal überraschten Nachbarschaften auf den Auslagen. Da standen zehn Handkaffeemühlen neben Stücker acht Karl-May-Bänden. Das Bild des Papstes Benedikt lag inmitten von Tafeln mit sehr lasziver Bierwerbung. So etwa: „Das ist der Grund, weshalb wir Bier immer ganz unten in den Kühlschrank legen.“

„Schneehühner“ bei Schiebel

Ganz weit unten war Highlife. Markus Schiebel hatte wieder den Hof in seiner Reifenhandlung ausgeräumt, ein Festzelt auf der einen Seite aufgebaut und eine gewaltige Grillanlage auf der anderen Seite. Drinnen rockten die „Schneehühner“, ein Duo aus Oberstaufen: „Ich bin geboren, geboren, geboren, geboren/ dich zu lieben.“ Schiebel ist ihr Manager. Draußen holte der Grillmeister einen Packen Pulled Pork nach dem anderen aus dem Smoker und stopfte wie ein Weltmeister ein Fladenbrot nach dem anderen damit. Nach dem Anpfiff des Spiels Deutschland gegen Schweden beruhigte sich alles spürbar. Wenigstens musste niemand das Führungstor der Schweden hungrig ertragen.

Weiter neckaraufwärts kämpfte auf der Schänzle-Bühne die Band „Ban Joory“ um die Aufmerksamkeit der Zuschauer. Die schauten nach rechts und links auf die Fernseher, in der Mitte war eine Trennlinie, scharf wie ein Scheitel. Die „Edelrocker“ auf der schwimmenden Bühne beim Nepomuk hatten ein paar Zuhörer die in ihre Richtung, aufs Wasser, schauten. Die Band spielte die Klassiker für Coverbands rauf und runter. Zwei Minuten vor Abpfiff kündigte der Sänger „Für uns“ von Andreas Bourani an. Damals 2014 sei das die Fußball-Hymne gewesen, in jenem Jahr, in dem alles so gut für Deutschland lief. Sie sangen den Refrain: „Das ist der Moment, der immer besteht.“ Da fiel der Führungstreffer. Dann war nur noch Jubel und Erleichterung. Zeit für den Golser Weinstand.