By the Sea

By the Sea

Angelina Jolie und Brad Pitt spielen unter Jolies Regie ein Ehepaar, das auf einer Reise durch Frankreich eine Krise durchmacht.

11.11.2015

Von YASEMIN GÜRTANYEL

By the Sea

Es ist wohl kaum möglich, den Film „By the Sea“ anzuschauen und dabei auszublenden, dass das Angelina Jolies dritter Film ist, bei dem sie Regie führt. Bislang wurde sie für ihre Versuche nicht gerade mit Lob überschüttet, um es vorsichtig auszudrücken. Diesmal spielt sie sogar selbst mit, an der Seite ihres Ehemannes Brad Pitt – noch eine Provokation also.

„Brangelina“ stehen erstmals seit der Agentenkomödie „Mr. and Mrs. Smith“ (2005) wieder gemeinsaam vor der Kamera. Bei den Dreharbeiten zu diesem Film hatten sich die beiden kennengelernt, Brad Pitt hatte wenig später Jennifer Aniston für Angelina verlassen.

„Vanity Project“ (Projekt Eitelkeit), heißt es bereits hämisch von US-Kritikern über „By the Sea“. Der Film sei ein reines Ego-Projekt Jolies. Es handelt sich um ein Ehedrama, weshalb Pitt und Jolie in Interviews immer wieder betonen müssen, dass der Film keineswegs ihre eigene Ehe spiegelt. Denn besonders gut läuft es für ihre Filmfiguren Vanessa und Roland nicht gerade. Dass das Ganze dennoch sehr authenisch wirkt, spricht für das schauspielerische Talent von Jolie und Pitt.

Meistens schweigen sich ihre Figuren Roland und Vanessa an, er trinkt zuviel, sie schluckt händevoll Tabletten. Trotzdem wird klar, dass sie sich lieben. Und auch, dass sie nicht wissen, wie sie das einander klar machen sollen.

In einem wunderschönen Hotel an der Küste Südfrankreichs – gedreht wurde der Film aber auf Malta – versucht der Schriftsteller Roland, seine Schreibblockade zu überwinden. Und vor allem Zugang zu Vanessa zu finden, die in einer Depression und in sich selbst gefangen ist. Ein Schatten lastet auf dem Paar, früher waren sie mal glücklich, erzählt Roland unten im Dorf dem Kneipenwirt Michel. Während Vanessa oben im Hotelzimmer die Zeit totschlägt.

Das geht eine ganze Weile so: Roland trinkt, versucht zu schreiben und Vanessa zum Reden zu bringen. Vanessa schweigt. Aus ihrer Betäubung reißt sie das frisch verheiratete Paar, das eines Tages ins Nebenzimmer zieht. Vanessa entdeckt ein Loch in der Wand und fängt an, Lea (Mélanie Laurent) und François (Melvil Poupaud) heimlich zu beobachten. Dann findet auch Roland das Loch, und wenig später ertappt er Vanessa beim Zuschauen. Die beiden beginnen ein gefährliches Spiel. Einerseits bringt sie das gemeinsame Zuschauen einander näher und inspiriert sie – auch der Zuschauer bekommt einiges mit von nebenan. Aber weder Vanessa noch Roland können die Eifersucht ausblenden: Findet der jeweils andere nicht etwas zu viel Gefallen an dem Mann beziehungsweise der Frau auf der anderen Seite? Vor allem Vanessa lässt sich immer mehr vom Leben des anderen Pärchens vereinnahmen. Das hat böse Folgen, nicht nur für Vanessa und Roland, sondern auch für Lea und François.

Eine Neuauflage von „Mr. and Mrs. Smith“ ist „By the Sea“ sicher nicht. Der Film ist vielmehr so ziemlich das Gegenteil davon. Viel passiert nicht. Die Szenen sind langsam geschnitten, bis auf ganz wenige, in denen Vanessa von der Erinnerung heimgesucht wird, die auch ihr Problem ist. Man könnte sagen: Das ist langweilig. Oder aber: Der Film spiegelt das Innenleben seiner Protagonisten, die, in sich gefangen, bei der Bewältigung ihrer Probleme nicht vorankommen.

Hat Jolie also einen künstlerisch anspruchsvollen Film gemacht, oder ist sie an dem Versuch gescheitert? Das aber führt zum eingangs erwähnten Dilemma: Um „By the Sea“ als Independent- oder Arthouse-Film durchgehen zu lassen, ist seine Regisseurin einfach zu prominent.

Dabei hat der Film durchaus gute Einfälle und trotz aller Schwere auch lustige Momente – etwa, wenn es sich Vanessa und Roland vor ihrem Guckloch bei einem Picknick bequem machen. Clever war auch, die Handlung um einige Jahrzehnte in die Vergangenheit zu setzen. Das macht nicht nur lästige Dinge wie Handys obsolet, sondern erlaubt Jolie auch, ihre Figuren politisch unkorrekt allerorts rauchen und kräftig saufen zu lassen.

Das Werk reiht sich ein in eine amerikanische Tradition und lässt sich als Verweis etwa auf das tragische Ehepaar Scott und Zelda Fitzgerald lesen: Scott trank, Zelda nahm Psychopharmaka und war wie Vanessa früher Tänzerin. Auch Erinnerungen an Edward Albees „Wer hat Angst vor Viriginia Woolf?“ werden wach. In der Verfilmung des Regisseurs Mike Nichols wurde das Ehepaar George und Martha von Richard Burton und Elizabeth Taylor gespielt, die im „wirklichen Leben“ ebenfalls verheiratet waren. Nur dass sich ihre Filmfiguren unentwegt streiten, während sich Vanessa und Roland anschweigen.

Alles in allem also eine Gesellschaft, die sich nicht schlecht macht für einen Film mit künstlerischem Anspruch. Möglicherweise hat Angelina Jolie allerdings die Latte etwas zu hoch gelegt.

Zum Artikel

Erstellt:
11.11.2015, 11:11 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 22sec
zuletzt aktualisiert: 11.11.2015, 11:11 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Sie möchten diesen Inhalt nutzen? Bitte beachten Sie unsere Hinweise zur Lizenzierung.

Push aufs Handy

Die wichtigsten Nachrichten direkt aufs Smartphone: Installieren Sie die Tagblatt-App für iOS oder für Android und erhalten Sie Push-Meldungen über die wichtigsten Ereignisse und interessantesten Themen aus der Region Tübingen.

Newsletter


In Ihrem Benutzerprofil können Sie Ihre abonnierten Newsletter verwalten. Dazu müssen Sie jedoch registriert und angemeldet sein. Für alle Tagblatt-Newsletter können Sie sich aber bei tagblatt.de/newsletter auch ohne Registrierung anmelden.
Das Tagblatt in den Sozialen Netzen
    
Faceboook      Instagram      Twitter      Facebook Sport