Rottenburg · Volleyball

Die Hintergründe zum Bundesliga-Aus des TV Rottenburg

Der TV Rottenburg plant, keine Lizenz für die 1. und 2. Bundesliga zu beantragen. Damit würde er sich nach 20 Jahren aus der 1. Liga zurückziehen.

03.04.2020

Von Tobias Zug

Gesenkte Köpfe bei den Bundesliga-Volleyballern des TV Rottenburg: Der Klub will sich in die 3. Liga zurückziehen. Bild: Ulmer

Gesenkte Köpfe bei den Bundesliga-Volleyballern des TV Rottenburg: Der Klub will sich in die 3. Liga zurückziehen. Bild: Ulmer

Dass der Verbleib in der 1. Bundesliga in den vergangenen Jahren nicht nur sportlich, sondern auch wirtschaftlich immer ein Überlebenskampf war für den TV Rottenburg, ist kein Geheimnis. Doch für die nächste Saison soll der Kampf verloren sein: Der TV Rottenburg plant, keine Lizenz für die 1. oder 2. Bundesliga zu beantragen. Das haben der Gesamtverein, Beirat und die TVR-Volleyball-GmbH beschlossen. Damit würde nach fast 20 Jahren, mit einer einjährigen Unterbrechung, die Bundesliga-Spielzeit der Rottenburger zu Ende gehen. Grund für den geplanten Rückzug ist eine finanzielle Lücke im Etat von rund 250.000 Euro (ein Hinweis: in einer früheren Version stand an dieser Stelle die Zahl von über 100.000 Euro, die der Verein inzwischen genauer genannt hat). „Und die ist uns zu groß, um den Bundesligabetrieb zu stemmen“, sagt Philipp Vollmer, Geschäftsführer der GmbH.

Schon in die vergangene, vorzeitig beendete Runde ist der TVR mit einem geplanten Defizit gegangen, hat auf Rücklagen zurückgegriffen, um mit einem Etat von etwa 600 000 Euro die Saison zu finanzieren. Bereits im Februar, noch vor Ausbruch der Coronavirus-Pandemie, war abzusehen, dass es schwer werden würde, diesen Etat zu halten – mit dem der TVR schon im hinteren Drittel der Liga angesiedelt ist, trotz zweitbester Zuschauerzahl in den vergangenen Jahren. Sponsoren deuteten an, auszusteigen oder weniger zu investieren. „Da dachte ich aber, okay, wir haben ja noch Zeit und haben ein schönes Produkt anzubieten“, sagt Vollmer. Die Bundesliga-Mannschaft spielte eine der besten Runden der vergangenen Jahre, hatte nach elf Jahren wieder das Pokal-Halbfinale erreicht, gewann erstmals in der Bundesliga-Historie in Düren. Doch dann kam die Pandemie. Und infolge dieser Ausstiege von Sponsoren, „die uns treffen“, wie Vollmer sagt. „Die Coronakrise nimmt einem jegliche Perspektive“, sagt Philipp Vollmer, „welches neues Unternehmen wird die nächsten Wochen so eine Entscheidung treffen, groß einzusteigen? Auf wen kann ich in dieser Zeit zugehen?“

Zudem wären die Kosten für die Benutzung der Paul-Horn-Halle wieder gestiegen, wie Vollmer sagt. Der Vertrag mit der Tübinger Sporthallenbetriebs GmbH lief diese Saison aus. Personalkosten und Ausgaben für Dienstleistungen hätten sich dieses Jahr ebenfalls erhöht. „Wir haben gerechnet und gerechnet, aber unter diesen Bedingungen können wir nicht in eine Bundesligasaison gehen“, sagt Philipp Vollmer, „auch die 2. Bundesliga brauchst du da gar nicht bestreiten, denn die wirtschaftlichen Anforderungen sind da ähnlich.“

Interview: TVR-Manager Philipp Vollmer nach dem Rückzug
© Moritz Hagemann 07:45 min
Der TV Rottenburg zieht sich aus der Volleyball-Bundesliga zurück. Manager Philipp Vollmer sprach mit dem TAGBLATT über die schwierigste Entscheidung in der Geschichte des Klubs.

Hätte es Alternativen gegeben?

Sie hätten alle Szenarien durchgespielt, versichert Philipp Vollmer. Auch, die Kosten für den Kader zu reduzieren. Trainer Christophe Achten hätte diesen Kurs mitgetragen, wollte drei TVR-Jugendspieler, die im Volleyball-Internat in Friedrichshafen sind, in den Bundesliga-Kader integrieren: Carl Möller, Ben-Simon Bonin und Milan Kvrzic. „Wir hatten einen schönen Plan“, sagt Achten, „diese Drei hätten in zwei, drei Jahren die erste Liga tragen können.“ Dazu hätten die Spiele in der weitaus günstigeren Volksbank-Halle ausgetragen werden können, die von der Größenordnung sogar erstligatauglich ist. Doch auch diese Szenarien sind verworfen worden: „Ein Umzug von Tübingen nach Rottenburg ist auch nicht so einfach, zumal die Sponsoren sich nicht hätten so präsentieren können“, sagt Vollmer.

Wie geht es weiter?

Sportlich will der TV Rottenburg die kommende Saison, wann auch immer die beginnen soll, in der 3. Liga spielen. „Die ist für uns gesünder und besser“, sagt Philipp Vollmer. Die Heimspiele sollen in der Rottenburger Volksbank-Halle ausgetragen werden. Mit welcher Mannschaft der TVR dort antritt, zumal die zweite Rottenburger Mannschaft schon in der 3. Liga ist, ist eines der Themen für die kommenden Wochen und Monate.

Trainer Christophe Achten, der noch einen Vertrag bis 30. Juni 2021 hat, ist informiert. „Ich verliere meinen Job“, sagt der Belgier, „aber ich respektiere es, dass der Verein in die Saison nicht mit einem Risiko gehen will. Ich vermisse einfach Großsponsoren in Rottenburg, die vielleicht anderen helfen. Und die Regierung muss mehr für den Sport tun.“

Auch die hauptamtliche Stelle von Philipp Vollmer steht zur Disposition. Zumal die GmbH für den Profi-Volleyball gegründet wurde. „Wenn wir dritte Liga spielen, brauchen wir keine GmbH“, sagt Norbert Vollmer, Geschäftsführer des Gesamtvereins. Hauptamtlich beschäftigt in der GmbH ist noch eine duale Studentin, dazu haben für die kommende Saison die Spieler Mitchell Penning und Johannes Mönnich noch Verträge, die aufgelöst werden müssen.

2008 stieg der TVR in die 1. Liga auf. Seitdem spielte er in Deutschlands Oberhaus. Damals jubelten (von links): Jonas Kronseder, Stefan Schmeckenbecher, Trainer Hans Peter Müller-Angstenberger (mit Pokal), Matthias Pompe, Willy Belizer. Archivbild: Ulmer

2008 stieg der TVR in die 1. Liga auf. Seitdem spielte er in Deutschlands Oberhaus. Damals jubelten (von links): Jonas Kronseder, Stefan Schmeckenbecher, Trainer Hans Peter Müller-Angstenberger (mit Pokal), Matthias Pompe, Willy Belizer. Archivbild: Ulmer

Wie sind die Reaktionen?

Enttäuschung, aber auch Verständnis äußerten viele gegenüber Philipp Vollmer. Frühere Spieler wie Thomas Kaczmarek meldeten sich. Hans Peter Müller-Angstenberger, der den TVR 17 Jahre lang trainierte und von der Regionalliga in die 1. Liga führte, sagt: „Ich konnte die Nacht nicht schlafen, nachdem ich das gehört habe.“ Und wird deutlicher: „Das zeigt auf dramatische Weise, was Realität für den Sport sein wird. Wir müssen alle von hinten her denken, alle müssen sich überlegen, ob und welche Kultur und Sport wir noch wollen! Es ist tragisch, aber ich habe volles Verständnis für den TVR, dass er in dieser Situation ein klares Signal setzt. Da werden jetzt noch andere purzeln.“

U18-EM-Qualifikation auf unbekannt verschoben

Vom geplanten Rückzug der Bundesliga-Volleyballer sei der Gesamtverein TV Rottenburg nur am Rande betroffen, sagt Gesamtvereins-Geschäftsführer Norbert Vollmer. Der Sportbetrieb stehe derzeit zwar still, aber viele Mitglieder zeigen sich solidarisch, der Verein darf so beispielsweise noch die April-Beiträge einziehen. „In naher Zukunft ist da noch keine Katastrophe zu befürchten“, sagt Vollmer. Ihn ärgert aber, dass das vom 24. bis 26. April in Rottenburg geplante Volleyball-U18-EM-Qualifikationsturnier noch nicht definitiv abgesagt wurde, sondern nur auf unbekannt verschoben. „Da weiß man nichts Genaues, das ärgert einen“, sagt er.

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Erstellt:
03.04.2020, 18:56 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 52sec
zuletzt aktualisiert: 03.04.2020, 18:56 Uhr

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