Unikliniken

Buhlen um neue Medizinstudienplätze

Die fünf medizinischen Fakultäten im Land wollen verstärkt Ärzte für unterversorgte Regionen ausbilden. Der Vorschlag soll auch verhindern, dass Grün-Schwarz weitere Unikliniken schafft.

30.03.2019

Von ROLAND MUSCHEL

Wiederbelebung an Plastikpuppe: Die Medizinerausbildung im Land wird weiter diskutiert. Foto: © Tyler Olson/Shutterstock.com

Wiederbelebung an Plastikpuppe: Die Medizinerausbildung im Land wird weiter diskutiert. Foto: © Tyler Olson/Shutterstock.com

Stuttgart. Die Unikliniken Tübingen, Ulm, Freiburg und Heidelberg/Mannheim werben mit einem gemeinsamen Konzept um die 150 zusätzlichen Medizinstudienplätze, die die grün-schwarze Koalition schaffen will. Danach streben sie nicht nur eine qualitative Weiterentwicklung des Medizinstudiums an. Sie wollen Studierende auch gezielt für vakante Arztstellen auf dem Land begeistern, die sich derzeit nur schwer besetzen lassen. Mit einem neuen „Längsschnittcurriculum ,Ländliche Hausarztmedizin?“ solle „gezielt für eine spätere Tätigkeit in unterversorgten Regionen Baden-Württemberg“ geworben werden, heißt es in dem Konzept, das dieser Zeitung vorliegt.

Lehrpraxen auf dem Land

Eine verpflichtende Landarztquote bei verminderten Anforderungen an fachliche Kriterien halte man dagegen „für den falschen Weg“. Die gemeinsame Konzeption sehe vielmehr vor, „durch inhaltliche und strukturell verzahnte Maßnahmen über die gesamte Studienzeit (1. bis 12. Semester) die Gewinnung und Bindung von Medizinstudierenden für die Allgemeinmedizin im ländlichen Raum auf eine ganz neue Weise zu stärken“. So könne durch die noch stärkere Einbindung von akademischen Lehrkrankenhäusern und Lehrpraxen im ländlichen Raum eine regionale Versorgung entwickelt und gesichert werden. „Die bisher noch wenig erfassten Regionen im Nordosten, in Teilen des Schwarzwalds und auf der Schwäbischen Alb sollen parallel zum Ausbau der Studienplätze verstärkt in dieses Netz integriert werden.“ Der geplante Aufwuchs, versprechen die fünf Fakultäten, könne „zügig erfolgen“. Nach ihren Vorstellungen sollen die 150 zusätzlichen Plätze gleichmäßig auf die Standorte verteilt werden, sodass mittelfristig jedes Uniklinikum 30 zusätzliche Studierende ausbilden würde. Im Nachtragshaushalt für 2019 hat die Landesregierung als erste Tranche für den „Einstieg“ in den Ausbau der Medizinstudienplätze zwei Millionen Euro eingestellt.

Die Pläne der bestehenden Unikliniken genießen die Unterstützung der drei Kommunalverbände. „Die aus diesem Konzept ersichtliche Stoßrichtung, nämlich die kommende Medizinergeneration für die ,Ländliche Hausarztmedizin? zu begeistern und für eine spätere Tätigkeit in unterversorgten Regionen Baden-Württembergs zu gewinnen, halten wir für ganz entscheidend“, heißt es in einem gemeinsamen Schreiben von Jürgen Walter, Roger Kehle und Peter Kurz, den Präsidenten von Landkreistag, Gemeindetag und Städtetag, an Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Für den Gesundheitsstandort Baden-Württemberg wäre eine Umsetzung des Konzepts „ein Quantensprung nach vorn“, wirbt das kommunale Trio um die Zustimmung des Regierungschefs.

Stuttgarter Ambitionen

Entschieden ist noch nichts. Dem zuständigen Wissenschaftsministerium liegen laut einer Sprecherin „unterschiedliche Konzepte und Ideen“ vor. Diese würden beleuchtet und mit Experten besprochen. „Das ist die Basis für unsere Entscheidung und eine Gesamtstrategie, wo und in welcher Form Studienplatzkapazitäten im Land ausgebaut werden.“

Nach Informationen dieser Zeitung haben auch die städtischen Kliniken von Stuttgart und Karlsruhe Konzepte zum Aufbau von Studienplätzen eingereicht, die damit den Status einer Uniklinik erhalten würden. Ihre Vorstellungen sollen, wie die Pläne der bisherigen Standorte, auf einer nicht-öffentlichen Fachtagung am 12. April im Stuttgarter Hotel Maritim vorgestellt werden. Regierungschef Kretschmann werden gewisse Sympathien für die Ambitionen der beiden Großstädte nachgesagt. Sein früherer Amtschef Klaus-Peter Murawski hatte vor seiner Verabschiedung in den Ruhestand im Sommer 2018 Stuttgart und Karlsruhe als mögliche weitere Standorte ins Spiel gebracht.