Ratsbeschluss aufgehoben

Bürgerentscheid: Wannweiler wollen Landeplatz für Rettungshelikopter

57,6 Prozent votieren für die mögliche Stationierung. Das Quorum wird um mehr als 500 Stimmen übertroffen. Nun entscheidet das Innenministerium, wo „Christoph 41“ landet.

06.11.2022

Von Matthias Reichert

Symbolbild: Ulrich Metz

Symbolbild: Ulrich Metz

Kurz vor 19 Uhr leuchtet das Ergebnis des Wannweiler Bürgerentscheids auf der Leinwand im Gemeindehaus auf: 57,6 Prozent sind dafür, den ursprünglichen Ratsbeschluss gegen die Stationierung des Rettungshubschraubers „Christoph 41“ auf einer Gemeindefläche aufzuheben. Die meisten der etwa 30 Leute im Saal applaudieren. „Das bedeutet, dass der Landkreis nun eine Bewerbung für einen möglichen Standort in Wannweil einreichen darf“, erläutert Bürgermeister Christian Majer. Alles weitere entscheide das Stuttgarter Innenministerium.

Majer freut sich über die hohe Wahlbeteiligung. 56 Prozent der Wahlberechtigten haben sich am Entscheid beteiligt. So ist das erforderliche Quorum von 20 Prozent der Teilnahmeberechtigten bei den Befürwortern um mehr als 500 Stimmen übertroffen worden. 826 hätten es sein müssen, es waren sogar 1331.

Auffällig hoch war der Anteil der 778 abgegebenen Briefwahlstimmen. Von diesen votierten 58,4 Prozent mit „Ja“. In den beiden anderen Stimmbezirken war das Ergebnis auf der rechten Seite der Echaz deutlicher; hier stimmten 63,1 Prozent für die Stationierung. Auf der linken Flussseite, also näher an dem möglichen Standort auf einem Acker beim Gewerbegebiet Mark West, gab es „nur“ 51,7 Prozent Zustimmung.

Wie berichtet, hatte der Gemeinderat zunächst im Juli die Bewerbung um den Hubschrauber-Standort mit 8:6-Stimmen abgelehnt. Diejenigen im Rat, die damals gegen „Christoph 41“ gestimmt hatten, fehlten nun bei Bekanntgabe des Ergebnisses weitgehend. Von den Befürwortern lobt GAL-Fraktionschef Christoph Treutler das „sehr eindeutige Ergebnis“. Dieses sei schwer zu kalkulieren gewesen. „Der Einsatz hat sich gelohnt“, bilanziert Treutler. Zwar seien im Vorfeld des Entscheids noch einmal von Befürwortern und Gegnern Flyer verteilt worden. Doch sei die Auseinandersetzung sachlich geblieben.

Den Bürgerentscheid erreicht hatten Gerhard Euchenhofer, Birgitte und Marc Hain mit einem Bürgerbegehren. Er sei sehr glücklich, kommentiert Euchenhofer. Das Ergebnis entspreche genau seinem ursprünglichen Stimmungsbild in der Bevölkerung. Nun hofft Euchenhofer, dass der Gemeinderat künftig bürgernäher werde und Stimmungen in der Bevölkerung besser aufgreife.

Wannweilerinnen und Wannweiler erwarten gespannt das Ergebnis im Gemeindehaus. Vorne links Gerhard Euchenhofer und Birgitte Hain, die den Entscheid per Bürgerbegehren durchgesetzt hatten. Bild: Horst Haas

Wannweilerinnen und Wannweiler erwarten gespannt das Ergebnis im Gemeindehaus. Vorne links Gerhard Euchenhofer und Birgitte Hain, die den Entscheid per Bürgerbegehren durchgesetzt hatten. Bild: Horst Haas

Die Gegner der Stationierung um Horst Siewert und Valentin Kottler hatten kurz vor dem Entscheid noch mehr als 2000 Flyer mit Argumenten im Ort verteilt. „Wir haben uns absolut nicht vorstellen können, dass eine Mehrheit dafür ist, dass man sich einen extremen Lärm in den Ort holt“, sagt Siewert. Aber beim Verteilen der Flyer hätten die Gegner gemerkt, dass viele für den Standort seien. „Wir wollten nicht die Notfallrettung verhindern, wir wollten den besseren Standort – und der liegt in Tübingen“, unterstreicht Siewert. Ihnen sei klar gewesen, dass sie die schlechteren Karten hätten: „Weil wir Einzelkämpfer sind und weniger Unterstützung hatten.“ Falls der Hubschrauber nun nach Wannweil komme, würde das Meinungsbild nach einem halben Jahr anders aussehen, prophezeit Siewert – weil dann der Lärm spürbar werde.

Prof. Jörg Martin, der Geschäftsführer der Reutlinger Kreiskliniken, ist erleichtert: „Wow, das ist ein tolles Ergebnis“, sagt er kurz nach der Bekanntgabe am Telefon. Nach dem negativen Gemeinderatsbeschluss im Juli sei er doch unsicher gewesen. Umso erfreulicher sei es nun, dass dieser Standort – der laut Gutachten der optimale sei – jetzt wieder eine Option ist. Entsprechend froh ist Martin. Zumal es nicht um einen Funkturm oder ein Windrad gehe, „sondern um einen Hubschrauber, der Leben rettet“.

Der Reutlinger Landrat Ulrich Fiedler erklärt per E-Mail: „Es freut mich sehr, dass die Bürgerinnen und Bürger von Wannweil diese Chance zur Verbesserung der notfallmedizinischen Versorgung im Landkreis unterstützen und für die Stationierung des Rettungshubschraubers gestimmt haben.“ Aus Sicht des Landkreises, so der Landrat, sei Wannweil der beste Standort für den Rettungshubschrauber in der Region – nun habe das Land die Wahl.

Dies ist der umstrittene geplante Platz für den Rettungshubschrauber auf Wannweiler Markung neben der B 28. Bild: Manfred Grohe

Dies ist der umstrittene geplante Platz für den Rettungshubschrauber auf Wannweiler Markung neben der B 28. Bild: Manfred Grohe

Hintergrund: Das Innenministerium möchte „Christoph 41“ von Leonberg auf die Achse Tübingen-Reutlingen verlegen, um bislang unterversorgte Albgemeinden besser an die Notfallrettung anzubinden. Im Kreis Reutlingen sieht das Ministerium nach einem Gutachten der Universität München außer Wannweil keine Alternativen für einen Standort. Parallel haben sich aber auch in Tübingen die Berufsgenossenschaftliche Klinik (BG) und das Uniklinkum für einen Landeplatz auf dem BG-Dach beworben.

Kleine Panne erhöht die Spannung

Eine technische Panne hat am Sonntagabend die Bekanntgabe des Bürgerentscheid-Ergebnisses verzögert: Als alle Stimmen erfasst waren, überschrieb ein Helfer versehentlich die Daten seines Wahlbezirks. Hauptamtsleiter Volker Steinmaier musste die Ergebnisse dieses Bezirks nochmals neu eingeben. „Aber nach zehn Minuten war’s geschafft“, so Steinmaier erleichtert.

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Erstellt:
06.11.2022, 19:21 Uhr
Aktualisiert:
06.11.2022, 20:52 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 12sec
zuletzt aktualisiert: 06.11.2022, 20:52 Uhr

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