Immobilien

Brauchen wir noch Büros?

Angesichts hoher Mieten und mehr Homeoffice rechnen Experten mit einer sinkenden Nachfrage. Große Leerstände sagen sie jedoch nicht voraus.

14.01.2021

Von CAROLINE STRANG

Ein Arbeitsplatz hinter glänzenden Fassaden könnte bald günstiger werden. Foto: alice-photo/shutterstock.com

Ein Arbeitsplatz hinter glänzenden Fassaden könnte bald günstiger werden. Foto: alice-photo/shutterstock.com

Corona hat dem Trend zu mobilem und flexiblem Arbeiten einen starken Schub gegeben. Jeder dritte Mitarbeiter arbeitet im Büro, viele davon erledigen nun zumindest einen Teil ihrer Aufgaben von zu Hause aus. Laut dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) haben Anfang April mehr als ein Drittel der Befragten teilweise oder vollständig von zu Hause aus gearbeitet. Vor der Corona-Pandemie waren es gerade mal 12 Prozent. Da stellt sich die Frage: Stehen in den Innenstädten bald riesige Flächen in Büroimmobilien leer?

Stephan Kippes, Geschäftsführer des IVD Süd Instituts – Gesellschaft für Immobilienmarktforschung und Berufsbildung mbH, hält die Corona-Pandemie für einen Katalysator, der das Thema Homeoffice beschleunigt hat. „Der Geist ist aus der Flasche und die Firmen werden ihn nicht mehr wirklich dahin zurückstecken können.“

Rückgang von 20 Prozent

Andreas Wende ist Vorsitzender des ZIA-Ausschusses für Büroimmobilien und Geschäftsführer bei NAI apollo. Er stellt fest, dass die unterschiedlichen Auswirkungen der Corona-Krise sich durchaus auf dem Büroimmobilienmarkt bemerkbar gemacht. „Wir prognostizieren etwa, dass Homeoffice zu einem Rückgang der Büroflächennachfrage in Frankfurt von rund 20 Prozent führen wird.“ Das sei ein deutlicher Einschnitt. Schon in diesem Jahr seien Neuanmietungen eingestellt oder verschoben worden, um den weiteren Pandemieverlauf abzuwarten. Allerdings: Im Sommer habe sich die Lage wieder etwas beruhigt.

Auch Jonas Pürckhauer, Mitglied der Geschäftsleitung der IHK Ulm, hat festgestellt, dass Extraktionsvorhaben von Unternehmen teilweise zurückgestellt beziehungsweise nicht weiter forciert wurden. Auch die Nachfrage nach Büroimmobilien stelle sich derzeit moderater dar. „Es wird auch in den kommenden Jahren einen moderaten Rückgang der Nachfrage geben, aber einen massiven Einbruch erwarten wir nicht.“

Er habe durchaus von Überlegungen einzelner Firmen gehört, die in den kommenden Jahren den Bau eines neuen Firmengebäudes planen, die Büroflächen zu verkleinern. „Ich glaube aber eher, dass sich Büroflächen in ihrer inhaltlicher Struktur verändern, dass mehr Platz für Meetings, Rückzugsorte und flexible Arbeitsplätze benötigt wird.“

„Wir brauchen mehr Platz für Kollaboration, Kreativität und Innovation“, stellt auch Andreas Wende fest. Er spricht von einer grundsätzlichen Hinterfragung der Bürogestaltung. „Verdichtete Open-Space-Lösungen entsprechen nicht mehr den Anforderungen des notwendig gewordenen Infektionsschutzes – und sind schon gar nicht vereinbar mit der digitalen Zusammenarbeit in Unternehmen.“ Dennoch werde das Präsenzbüro nicht verschwinden, es müsse aber mehr Platz für Austausch schaffen. Sicher sei: „Die wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen der kommenden Monate und Jahre werden großen Einfluss auf die Entwicklung der Büroimmobilienbranche haben.“ Wende nennt als Beispiel das diskutierte Recht auf Homeoffice.

Die Veränderungen durch die Pandemie treffen einen starken Markt. So ist die Büroleerstandsquote seit 2010 in den deutschen A-Städten um etwa zwei Drittel gesunken, auch in den B-Städten hat sie sich in diesem Zeitraum halbiert. Sie lag vor Corona insgesamt bei 2,9 Prozent. Viele Experten halten diesen Wert für zu niedrig. „Die Wirtschaft braucht einen gewissen Sockel an verfügbaren Immobilien. Sie braucht Möglichkeiten, Flexibiltät und ein vernünftiges Angebot“, sagt Kippes. Einen Leerstand von fünf bis sieben Prozent hält Wende für „gesund“. Dieser Wert wird seiner Meinung nach erreicht.

Für Andreas Wende steht fest, dass das Büro Ort von Innovation, Austausch und sozialer Interaktion bleibt. Die Erfahrungen aus dem ersten Lockdown hätten zwar gezeigt, dass durchgängiges Homeoffice funktioniere. „Allerdings haben wohnungsspezifische Gegebenheiten, mangelhafte digitale Infrastruktur und das direkte Feedback der Belegschaften grundsätzlich gezeigt, wie wichtig second- und third-Place Arbeitsplätze für das Wohlbefinden sind.“

Die Anbieter von Büroimmobilien könnten sich das zunutze machen, indem sie die Aufenthaltsqualität im Büro steigern, schließlich brauchten Vermieter bessere Argumente, um Büronutzer auf ihre Flächen zu ziehen. „Die Konkurrenz mit dem Homeoffice und Flexible-Office-Spaces in der Nachbarschaft der eigenen Wohnung ist gewachsen.“

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Erstellt:
14.01.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 53sec
zuletzt aktualisiert: 14.01.2021, 06:00 Uhr

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