Zahmer Löwe

Boxen: Ex-Schwergewichtler Luan Krasniqi in der Tübinger Hepperhalle

Kurz da, aber der Star: Olympia-Medaillengewinner und Klitschko-Bezwinger Luan Krasniqi kam am Samstagabend zur Benefizgala des Vereines „Deutsch-Albanische Initiative Kinderaugen“ (Daika) nach Tübingen. Und plauderte vor gut 300 Gästen über die Karriere, den Geist von Olympia und eine gutgemeinte, aber geplatzte Revanche.

19.09.2016

Von Moritz Hagemann

Luan Krasniqi, Olympia-Medaillengewinner und Klitschko-Bezwinger, am Mikrofon in Tübingen.Bild: Faden

Luan Krasniqi, Olympia-Medaillengewinner und Klitschko-Bezwinger, am Mikrofon in Tübingen.Bild: Faden

N eben einem türmt sich dieser 1,92 Meter große Mann auf. Ein kräftiger Händedruck. Schnell lässt sich erahnen, warum dieser Mann 14 seiner 35 Profi-Kämpfe durch einen Knockout gewinnen konnte. Und warum sein Kampfname „der Löwe“ lautet.

Zahm ist Luan Krasniqi jedoch am Samstagabend in der Tübinger Hepperhalle, wo er mit ruhiger Stimme und Jackett statt Handschuhen einläuft. Und sich seinen Stuhl selbst hinter dem roten Bühnenvorhang hervorholt. Der gebürtige Rottweiler sei nicht das erste Mal in Tübingen, „ich habe Freunde, die hier studieren“, sagt Krasniqi. Generell sehe er, obwohl mittlerweile seit zwei Jahren in Hamburg, Baden-Württemberg weiterhin als seine Heimat – zumindest was das Boxen anbelangt. „Die meisten meiner Kämpfe habe ich hier gewonnen“, sagt er.

In den Ring stieg Krasniqi stets als Deutscher, 1987 kam er ins Land: „Was mit dem Sport zu tun hat, ist bei mir deutsch.“ Beide Texte müssen ihm bekannt vorkommen, als Kaltrina Gashi (21) in der Hepperhalle zuerst die albanische, dann die deutsche Nationalhymne vorträgt. Denn sein Herz schlage auch für Albanien, betont Krasniqi, „da bin ich stolz drauf.“ Zuletzt habe er sich mit der Familie ins Auto gesetzt und fünf Wochen Urlaub dort verbracht, sagt der ehemalige Boxer.

Für Deutschland holte Krasniqials Amateur die Bronzemedaille bei Olympia, 1996 in Atlanta war das. Auch die Spiele von Rio habe er jüngst verfolgt – und so einiges nicht gut gefunden. „Olympia ist verformt“, sagt er. Und zieht die Augenbrauen nach oben. Der heutige Charakter der Spiele mache ihn ein wenig traurig. „Bei Olympia dabei zu sein ist das Größte, was man als Sportler erreichen kann“, sagt er schon vor dem Auftritt im Gespräch mit dem TAGBLATT. Und appelliert, dass alle russischen Athleten in Folge des Staatsdopings komplett hätten ausgeschlossen werden müssen. „Seltsame Urteile in den Wettbewerben“ sowie „oftmals leere Ränge“ hätten in Rio außerdem dafür gesorgt, dass er als Sport-Fan nicht überzeugt gewesen sei.

Der 45-Jährige erinnert sich auch noch sehr genau an den Kampf, der ihn als zweiter Deutscher nach Max Schmeling zum Schwergewichts-Weltmeister machen sollte: 16 000 Zuschauer waren dabei in Hamburg im September 2005, als er in der neunten Runde gegen Lemon Brewster verlor. Es sei noch gar nicht lange her, da habe er Brewster angerufen und um eine Revanche für soziale Zwecke gebeten. „Aber der ist total durch“, sagt Krasniqi. Brewster ist erblindet, eine Folge der Karriere.

Solche Beschwerden hat Krasniqi nicht. Er wirkt nach wie vor austrainiert, auch mit 45. Was er noch so mache? „Ich bringe jeden Tag meine beiden Kinder zur Schule und hole sie wieder ab“, sagt er – und lacht: „Es gibt auch ein Leben nach dem Sport, das muss man genießen!“ Dem Boxen ist Krasniqi aber weiter treu geblieben. Bei den Kämpfen der Klitschko-Brüder ist er für RTL als TV-Experte dabei. Wenn er seine größten Kämpfe erläutert, spricht er auch von Berlin 1995, als er gegen Wladimir Klitschko sogar gewinnen konnte. Damals noch als Amateur.

Eine Viertelstunde spricht der 45-Jährige am Samstag in Tübingen. Er hat es eilig, er muss noch weiter. In Göppingen steigt am selben Abend sein Freund Firat Arslan in den Ring. Dass Krasniqi zu Arslan hält, werfen ihm Fans in sozialen Netzwerken vor. Denn Arslan kämpft gegen Nuri Seferi, der „albanische Tyson“. „Zwei tolle Fighter“, sagt Krasniqi. Dann zieht er davon. Lieber an den Ring, statt zum großen Buffet. Moritz Hagemann

Verknüpfung vieler sozialer Engagements

Der Verein „Deutsch-Albanische Initiative Kinderaugen e.V.“ (Daika) hat in vier Jahren schon zwei augenmedizinische Stationen in Albanien aufgebaut. Nummer drei soll folgen. Auch wurden schon 1000 Brillen und Geldspenden gesammelt. Die Tübinger Orthoptistin Elfriede Joos-Kratsch und deren Mann Dietrich Kratsch führen und gründeten den Verein. „Es ist unglaublich wichtig, dass es sowas gibt“, sagt auch Luan Krasniqi. Der 45-Jährige war dem Aufruf von Drilona Demiraj, deren Familie zwei Tübinger Restaurants besitzt, gefolgt. Krasniqi habe „sofort zugesagt“ (Demiraj) und engagiert sich bereits für die SOS-Kinderdörfer. „Es gibt heute zig Hilfsorganisationen, die jedem helfen“, sagt er. Wichtig sei aber, dass die Hilfe auch dort ankommt, wo sie nötig sei. Krasniqi boxte 2013 sogar gegen den Porsche-Vorsitzenden Uwe Hück und spendete den Erlös von 50 000 Euro. Dass der Benefizabend des Daika am Samstag ein Erfolg wurde, war aber auch Kaltrina Gashi und ihrer albanischen Hochschulgruppe, die lokale Projekte unterstützt, zu verdanken. „Wir haben das Ziel bald ein eingetragener Verein zu sein“, sagt Gashi. Aktuell engagieren sich bereits 20 bis 25 Tübinger Studenten/-innen in der Gruppe.