Dokumentation

Boris Palmers Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel

Um das Tübinger Modellprojekt „Öffnen mit Sicherheit“ zu retten, wandte sich Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer an Bundeskanzlerin Angela Merkel. Wir dokumetieren ihn im Wortlaut.

23.04.2021

Von ST

Boris Palmer. Bild: Metz

Boris Palmer. Bild: Metz

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,

herzlichen Dank für die Möglichkeit, Sie im Rahmen der Videokonferenz des Deutschen Städtetags über die Auswirkungen der geplanten Änderungen des Infektionsschutzgesetzes auf Tübingen und den Modellversuch „Öffnen mit Sicherheit“ zu informieren.

Die von mir befürchtete Situation ist nun leider eingetreten: In der Fassung des Gesetzes, die der Bundestag verabschiedet hat, ist der Inzidenzwert des jeweiligen Landkreises maßgeblich. Die Inzidenz im Landkreis Tübingen liegt aktuell bei 182 und damit so hoch, dass kommende Woche Kultur, Einzelhandel, Schulen und Kitas in Tübingen schließen müssen.

Die günstige Entwicklung des Infektionsgeschehens in der Stadt Tübingen seit Beginn des Modellversuches bleibt dabei unberücksichtigt. Die Inzidenz in der Stadt liegt konstant unter 100, aktuell bei 91. Das ist die Hälfte des Landesschnitts. Und die Inzidenz im Landkreis Tübingen außerhalb der Stadt Tübingen ist mit 240 mehr als doppelt so hoch wie in der Stadt. Und das, obwohl die Notbremse im Landkreis Tübingen bereits am 6. April gezogen wurde und im ganzen Landkreis sogar schon die Ausgangssperre nach 21 Uhr gilt.

Sie haben mir Hoffnung gemacht, dass die besondere Situation der Stadt Tübingen als kreisangehörige Gemeinde in einem Landkreis mit sehr hoher Inzidenz bei der Frage der Fortführung unseres Modells berücksichtigt werden könnte. Sie sagten: „Ich will jetzt nichts versprechen, aber wir schauen uns das nochmal an.“ Darum möchte ich Sie jetzt bitten.

Mittlerweile liegen der Stadt zwei wissenschaftliche Ausarbeitungen vor, die ich dem Bundeskanzleramt zur Information als Anlage übermittle. Zum einen eine Stellungnahme der No Covid Gruppe um Prof. Brinkmann, die sich mit Empfehlungen zur weiteren Verbesserung des Versuchs für die Fortsetzung des Tübinger Modells ausspricht. Zum anderen der Preprint einer Publikation einer Gruppe um Prof. Diederichs, die nachweist, dass die Teststrategie in Tübingen negative Effekte auf das Infektionsgeschehen durch die Öffnungen vollständig kompensieren kann. In Zukunft sollte das noch besser werden, denn die Effekte verpflichtender Betriebstestungen werden wir erst in den nächsten Tagen sehen. Die wissenschaftliche Begleitforschung um die Initiatorin Dr. Federle und Prof. Kremsner spricht sich ebenfalls für die Weiterführung des Versuchs aus. Dr. Federle wendet sich mit einem separaten Brief an Sie, den ich ebenfalls beilege.

In der Annahme, dass mit dem Inkrafttreten des veränderten Infektionsschutzgesetzes die Kompetenz zur Bewilligung von Modellversuchen auf den Bund übergegangen ist, beantrage ich hiermit die Fortsetzung des Modellversuchs „Öffnen mit Sicherheit“ zu den vom Land Baden-Württemberg genehmigten Bedingungen. Das bedeutet insbesondere: Solange die Inzidenz in der Stadt Tübingen stabil unter 100 bleibt, kann der Versuch mit all seinen Elementen fortgesetzt werden.

Da der Versuch am Sonntag beendet werden muss, wenn der Bund keine Genehmigung zur Fortsetzung des Modellversuchs erteilt, bitte ich um Bescheidung dieses Antrags bis zum morgigen Freitag, 23. April.

Mit freundlichen Grüßen

Boris Palmer

Oberbürgermeister

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Erstellt:
23.04.2021, 17:06 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 26sec
zuletzt aktualisiert: 23.04.2021, 17:06 Uhr

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