Corona

Booster-Impfungen laufen nur schleppend: Land setzt zusätzliche mobile Impfteams ein

Die Auffrischungsimpfungen für besonders Gefährdete kommen in Baden-Württemberg nur langsam voran. Jetzt greift das Sozialministerium ein – und kritisiert die Hausärzte deutlich.

30.10.2021

Von David Nau

Ist besonders für ältere und vorerkrankte Menschen wichtig: Eine dritte Dosis des Corona-Impfstoffs. Im Land kommt die Auffrischungskampagne nur schleppend voran. Foto: Bernd Weißbrod/dpa

Ist besonders für ältere und vorerkrankte Menschen wichtig: Eine dritte Dosis des Corona-Impfstoffs. Im Land kommt die Auffrischungskampagne nur schleppend voran. Foto: Bernd Weißbrod/dpa

Stuttgart. Sie soll der Immunität von besonders gefährdeten und alten Menschen einen neuen Schub geben: Die Auffrischungsimpfung gegen das Coronavirus. Die Impfkampagne für den sogenannten Booster könnte aber selbst etwas Schub vertragen – sie kommt in Baden-Württemberg nur langsam in Fahrt.

Bis Donnerstag hatten im Südwesten laut Zahl des Robert Koch-Instituts nur knapp 263 000 Menschen eine solche Booster-Impfung erhalten. Zum Vergleich: Insgesamt leben in Baden-Württemberg rund 1,68 Millionen Über-70-Jährige, für die eine Corona-Infektion potenziell gefährlich wäre. Dabei weiß man aus wissenschaftlichen Untersuchungen: Je älter die Menschen sind, desto mehr lässt die Impfwirkung mit der Zeit nach.

Kritik an spätem Start

In den Pflegeheimen sind ebenfalls noch lange nicht alle Bewohnerinnen und Bewohner ein drittes Mal geimpft. Etwa 30 Prozent der Betreuten hätten bis Dienstag ihre dritte Impfung bekommen, teilt etwa die Evangelische Heimstiftung mit, die 90 Pflegeheime betreibt. Es werde aber täglich geimpft. Hauptgeschäftsführer Bernhard Schneider kritisiert, dass erst im September mit den Auffrischungen begonnen worden sei – man habe bereits seit Juli auf deren Notwendigkeit hingewiesen. „Hätte man die Booster-Impfung mit den mobilen Impfteams früher gestartet, wären wir heute mit dem Impfschutz weiter“, sagt Schneider.

Auch im Sozialministerium ist man inzwischen der Ansicht, dass die Booster-Impfungen nicht optimal laufen. „Wir haben den Eindruck, dass die Angebote über die Ärzteschaft und unsere mobilen Impfteams nicht ausreichen“, sagte eine Sprecherin von Minister Manfred Lucha (Grüne). Man appelliere eindringlich an die Ärzteschaft, „ihrem Versorgungsauftrag nachzukommen“.

Nach der Schließung der Impfzentren habe man zunächst beobachten wollen, ob es funktioniert, dass die niedergelassenen Ärzte die Impfungen übernehmen. „Das ist leider noch nicht flächendeckend der Fall“, sagt die Sprecherin. Man werde „aufgrund des sich abzeichnenden Engpasses bei den Ärzten“ weitere mobile Impfteams einsetzen. Aktuell gibt es im Südwesten 30 mobile Impfteams, die an zwölf Krankenhäuser im Land angedockt sind. Nun könnten in wenigen Tagen 50 weitere hinzukommen.

Die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW), die die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte im Land vertritt, weist die Vorwürfe aus dem Ministerium zurück. „Im Großen und Ganzen klappt das Impfen ziemlich gut“, sagt ein Sprecher. Man habe keine Erkenntnisse, dass es bei den Booster-Impfungen flächendeckende Probleme gebe.

In der Ankündigung des Ministeriums, demächst bis zu 50 weitere mobile Impfteams einzurichten, will der Sprecher keine Kritik an der Impf-Leistung der niedergelassenen Ärzte erkennen. Die Teams seien eine gute Ergänzung und würden gut in Anspruch genommen.

Dass der Zugang zur Impfung in den Arztpraxen aber nicht so schnell und niederschwellig sei wie in den Impfzentren, ist aus Sicht der KVBW auch klar. „In den Praxen ist aktuell sehr viel los, neben der Corona-Impfung steht auch die Grippeschutzimpfung an“, erklärt der Sprecher.

Heimbetreiber für Impfpflicht

Zudem brauche ein Hausarzt immer eine bestimmte Zahl an Patienten pro Tag, damit die Impfung überhaupt angeboten werden könne – denn in einem Fläschchen des Impfstoffs sind sechs Impfdosen enthalten. Es könne durchaus sein, dass Arztpraxen deswegen die Booster-Impfung nicht jeden Tag anbieten würden. Außerdem seien Hausärzte selbstständige Unternehmer, die KVBW habe keine Einflussmöglichkeiten, wenn sich ein Arzt entscheide, gar nicht gegen das Virus zu impfen, sagt der Sprecher. Die Sprecherin des Sozialministerium sieht das kritisch: „Die niedergelassenen Ärzte haben bei der Booster-Impfung eine Schlüsselstellung, es ist deshalb schwierig, wenn manche Ärzte jetzt sagen: Ich impfe nicht mehr.“

Die Evangelische Heimstiftung wünscht sich von der Politik eine klarere Positionierung auch beim Schutz der Alten- und Pflegeheime. „Wer möglichst hohen Schutz und Freiheit für alte und kranke Menschen sowie andere vulnerable Personengruppen möchte, der muss angesichts der sich auftürmenden vierten Welle nun über eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen entscheiden“, sagt Bernhard Schneider.

Land: Empfehlung für alle Altersgruppen

Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) ruft dazu auf, sich ein drittes Mal gegen das Coronavirus impfen zu lassen. Diese Impfung sei für alle Menschen wichtig, deren letzte Impfung länger als ein halbes Jahr zurückliege, heißt es in einer Mitteilung. Zudem sei die Auffrischung für alle Menschen empfohlen, die mit dem Impfstoff von Johnson&Johnson geimpft wurden.

Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt den Booster dagegen nur für Menschen über 70 Jahren, Bewohner von Pflegeheimen, Personal in Pflegeheimen und Krankenhäuser sowie Menschen, die mit Johnson&Johnson geimpft wurden.

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Erstellt:
30.10.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 11sec
zuletzt aktualisiert: 30.10.2021, 06:00 Uhr

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