Myanmar

Blutige sechs Monate

Immer wieder kommt es zu Protesten, doch das Militär unterdrückt die Opposition seit einem halben Jahr mit aller Macht.

30.07.2021

Berlin. Ein halbes Jahr ist es am Sonntag her, dass sich das Militär in Myanmar abermals an die Macht geputscht hat. Sechs Monate nach dieser jüngsten Zäsur in der Geschichte des südostasiatischen Landes leben die 54 Millionen Einwohner unter einer verschärften Repression des Regimes um Putschführer General Min Aung Hlaing (65). Allein 98 Journalisten wurden seit dem 1. Februar mindestens temporär festgenommen, nach unterschiedlichen Quellen 43 oder 46 davon sitzen noch immer in Haft. Das Los teilen sie mit Hunderten Menschen, die Proteste mitorganisiert haben oder einfach nur am Rande einer Demo verhaftet wurden. Bisher 936 Todesopfer waren zudem zu beklagen.

Bislang hat die Junta die Behauptung nicht bewiesen, dass der erneute Wahlsieg der zuvor regierenden Nationalen Liga für Demokratie (NLD) unter Staatsrätin Aung San Suu Kyi vorigen November wirklich durch Manipulation zustande gekommen ist. Die Friedensnobelpreisträgerin und viele weitere führende Parteimitglieder sind weiter inhaftiert. Teile des neu gewählten Parlaments haben im Untergrund eine Regierung der Nationalen Einheit (NUG) gebildet, die inzwischen bemüht ist, parallele Strukturen wie Ministerien und Streitkräfte aufzubauen.

Gravierende dritte Welle

Am 22. Juli wurde von der NUG auch eine „Corona Task Force“ gegründet. Seit Ende Mai wütet in Myanmar eine gravierende dritte Welle der Pandemie mit zuletzt 5000 bis 7000 neuen Fällen täglich. Die Militärjunta hat einen weitgehenden Lockdown verhängt, den Generälen entgleitet aber die Lage mit immer mehr Infizierten und Toten, knappen Krankenhausbetten und Sauerstoffmangel.

Die Pandemie verschärft zudem die Situation in dem Land, vor allem die Wirtschaftslage bereitet internationalen Experten zunehmend Sorgen. Laut Bericht der Internationalen Arbeitsorganisation sind seit dem Putsch 1,2 Millionen Jobs weggefallen. Der Wirtschaftseinbruch, prognostiziert die Weltbank, dürfte bis zum Ende des myanmarischen Haushaltsjahres am 30. September wohl 18 Prozent betragen.

Nach zehn Jahren Demokratisierung, die von einem ökonomischem Aufschwung begleitet war, droht ein Großteil der Bevölkerung in neue Armut abzurutschen. Kämpfe zwischen Armee und Rebellengruppen der diversen ethnischen Minderheiten sind vielerorts seit Februar erneut ausgebrochen. Für die 740?000 in den Monaten nach August 2017 infolge einer brutalen Militäroffensive ins benachbarte Bangladesch geflüchteten Rohingya ist jetzt erst recht nicht an baldige Heimkehr zu denken. Myanmars südostasiatische Nachbarn sind seit einem Sondergipfel Ende April bisher gescheitert, als Vermittler zu wirken: Die ASEAN ist in der Bewertung des Putsches gespalten. Thomas Berger