Weiber-Wirtschaft

Blümchen für den Mann

Kristin Maier-Müller ist seit April dieses Jahres Mitglied im Vorstand der Reutlinger Elektroinnung. Eine Frau im Vorstand – das hat es in der Geschichte der Innung noch nie gegeben. Auch als sie an der Esslinger Fachhochschule Elektrotechnik studierte war weit und breit kein anderes weibliches Wesen in Sicht. Doch als der Entschluss für sie stand, den elterlichen Betrieb zu übernehmen, gab es kein Zurück mehr.

07.10.2019

Von TEXT: Simone Maier|FOTO: Unternehmen

Kristin Maier-Müller vor zwei Wärmetunneln von G. MAIER, die zum Beispiel Kunststoffformteile prozesssicher und energieeffizient erwärmen.

Kristin Maier-Müller vor zwei Wärmetunneln von G. MAIER, die zum Beispiel Kunststoffformteile prozesssicher und energieeffizient erwärmen.

S‘nägschde wird an Bua“, so wurde Hans-Jürgen Maier immer wieder bestärkt – doch nach dem dritten Mädchen war Schluss mit der Familienplanung. Sein Vater Gottlob Maier gründete 1934 das Familienunternehmen, in das er später eintrat. Als Hans-Jürgen Maier dann eines Tages der Anruf seiner ältesten Tochter Kristin ereilte, sie wolle das Geschäft übernehmen, war seine erste Reaktion „Überleg Dir das gut, Kind, mach das lieber nicht. Das ist eine von Männern dominierte Welt.“ Doch Kristin Maier blieb dabei: „Ich will‘s trotzdem machen.“

Ganz schwäbisch wurde die heute 53-Jährige erzogen. „Fleißig sein und sich reinhängen“, betont Kristin Maier-Müller „das war unseren Eltern immer wichtig.“ Als sie mit 14 Jahren in einer Rockband spielte, wollte sie sich unbedingt einen Synthesizer kaufen. Spielen konnte sie ja dank wöchentlichem Klavierunterricht. Also verdiente sie sich das Geld zusammen. Jobbte in der Frühschicht bei Bosch, machte Ablage im elterlichen Betrieb und hatte alsbald ihren Synthesizer. Musiziert hat sie damals schon gerne. Hatte dann auch Musik Leistungskurs und machte das Abitur mit Preis.

Damals schwebte ihr noch vor, Kinderärztin zu werden und nach Afrika zu gehen. „Ich wollte Menschen helfen.“ Sonntags arbeitete sie gerne im Krankenhaus, merkte aber bald, dass sie dort keine wirkliche Hilfe war. Deshalb legte sie diesen Berufswunsch ganz schnell wieder ad acta. Aber es gab ja auch noch die Technik, die sie schon immer interessierte.

Mit Numerus clausus versehen und nur an der Universität in Stuttgart wurde damals technisch-orientierte Betriebswirtschaft angeboten. Das erschien ihr interessant und sinnvoll. Beim Auslandspraktikum in Brasilien wickelte sie dann ihren ersten Motor und merkte, dass sie dabei in ihrem Element war. Der Entschluss reifte, in die Männerdomäne Elektrotechnik einzusteigen und so rief sie dann an besagtem Abend den Vater an. Damals war ihr klar, dass sie jetzt ihre Diplomarbeit schreiben würde und danach an der renommierten Hochschule für Technik in Esslingen studieren wollte. „Und dann irgendwann die Firma übernehmen, das war der Plan“, lacht Maier. Gesagt, getan. An der Fachhochschule war sie die einzige Frau im Semester. „Alle drehen sich nach dir um“, lacht sie „und die Odyssee, um eine Damentoilette zu finden, war auch herrlich“, erinnert sie sich schmunzelnd. Das Studium war ganz ihr Ding. Nach Praktika in Frankreich und Norddeutschland schloss sie ihr Studium in Esslingen als Diplom-Ingenieurin ab und begann, sich deutschlandweit zu bewerben. „Zuerst einmal Erfahrung in einem anderen Betrieb sammeln, das war mir wichtig“, sagt Kristin Maier. Dass der Betrieb quasi ums Eck sein würde, war Zufall. „Es war mit Abstand das interessanteste Unternehmen und der interessanteste Job“, so Maier und so war sie drei Jahre lang bei einem renommierten Elektrotechnik-Unternehmen in Metzingen Marketing-Leiterin.
Nach drei Jahren in Metzingen ergab sich der Zeitpunkt, als Leiterin für Marketing und Vertrieb im elterlichen Betrieb in Reutlingen einzusteigen. „Das Ganze war ziemlich unspektakulär. Es gab glaube ich noch nicht mal eine Vorstellungsrunde und ich hörte meinen Vater nur sagen „die muss noch viel lernen‘“, schmunzelt sie. Genau dort ist sie heute Geschäftsführerin von über 30 Mitarbeitern, die im letzten Geschäftsjahr einen Umsatz von 5,7 Millionen Euro erwirtschaftet haben. Im Geschäftsbereich Antriebstechnik bekommen die Kunden von G.Maier alles aus einer Hand. Im Bereich Elektrowärme erhielt die Firma für ihren Wärmetunnel MAIER WT4.0 Innovationsgutscheine vom baden-württembergischen Wirtschaftsministerium und weil ja auch die Fernwartung durch MAIER Smart Services dazugehört, hat die Geschäftsführerin 2018 kurzerhand daraus eine eigene Firma gegründet: EMA SmartService GmbH. Die 53-Jährige ist mit viel Herzblut bei der Sache. Ganz besonderes Augenmerk legt sie auf die Mitarbeiter, das Team in der Firma. Als sie 1998 in das Unternehmen einstieg, war eine ihrer ersten Taten, die Arbeitsmäntel abzuschaffen. „Was wollt ihr denn am liebsten tragen“, wurden die Mitarbeiter gefragt. Heraus kam ein Polohemd mit einer Tasche – ganz wichtig – für den Kuli. Und so bekam das Unternehmen peu à peu ihre Note verpasst. Eine hellgrüne, coole Sitzecke mit Sofa und zwei Sesseln auf einem gemütlichen grauen Teppich im Besprechungszimmer, lässt den guten Einrichtungsgeschmack der Chefin erkennen. „Als ich in meinem Beruf begonnen habe, dachte ich noch, dass sich die Anzahl der Frauen in der Männerdomäne Elektrotechnik im Laufe der Jahre bestimmt ändern würde, doch hat sich hier wenig verändert“, so Maier. Auch der Girls Day, an dem die Firma regelmäßig teilnimmt, trägt keine wirklichen Früchte. Dafür ist die Firmenchefin seit April 2016 Mitglied im Vorstand der Reutlinger Elektroinnung, was sie toll findet. Nach den Sitzungen verteilt Obermeister Rüdiger Hofmann gerne noch Blümchen für die Frau daheim. Bei Kristin Maier-Müller freut sich ihr Ehemann darüber.

Der Leitungskreis von G. Maier umfasst acht Personen. „Es ist mir total wichtig, dass meine Mitarbeiter Freude am Ergebnis haben“, sagt sie. Vor kurzem hat sie auf einer Veranstaltung der IHK Reutlingen eine interessante Idee aufgeschnappt und daraufhin mit ihrem Führungskräfteteam das Projekt „Lean Company“ aufgesetzt. Klare Sache für sie, dass natürlich auch ihre Funktion und ihre Person hier unter die Lupe genommen wurden. Die Dynamik im Team ist ihr wichtig; die Mitarbeiter sollen gefordert und gefördert werden. Wertschätzung ist auch ein ganz wichtiger Begriff für sie. „Es ist selbstverständlich, dass bei unserer Jubiläumsfeier alle Mitarbeiter mit ihren Familien eingeladen werden“, so Maier. Sie weiß, was gefragt ist, wenn man Familie und Beruf unter einen Hut bringen muss. „Man muss gewisse Faktoren gut überdenken, wie zum Beispiel die Distanz von Wohnort und Arbeitsplatz“, weiß sie. Bei ihr war es zum Glück nur ein kurzer Weg zum Baby, nachdem sie nach zehn Jahren im Unternehmen ihre Tochter bekam. „Mit dem Kinderwagen im Besprechungszimmer ging das schon“, überlegt sie. Das war ihr Privileg. Aber dafür hatte sie auch einen Fulltime Job. Und einen Mann, der unter der Woche nicht da ist. „Es ist alles eine Frage der Organisation und trainiert die Flexibilität“, ist sie überzeugt. Eins wird schnell klar: Die Firmenchefin weiß, was sie will und in Sachen Know-how macht ihr so schnell keiner was vor. Bei ihr ist das alles aber gepaart mit viel Sinn für Humor und einem guten Blick für den Menschen. Und so sind ihre besten Entspannungsmomente daheim mit ihrer 12-jährigen Tochter, ihrem Ehemann und am besten noch musizierend mit Geige, Trompete und Klavier.

G.Maier Elektrotechnik

Die G. MAIER Elektrotechnik GmbH mit Sitz in Reutlingen wurde 1934 von Gottlob Maier gegründet. Geschäftsführer sind heute sein Sohn Hans-Jürgen Maier und seit 2002 Kristin Maier-Müller, Dipl.-Kauffrau und Dipl.-Ing. (FH), die Enkelin des Gründers. Mit seinen Produkten und Dienstleistungen ist das Unternehmen auf den Gebieten der Elektrowärme und der Antriebstechnik tätig.