Bitte umsteigen!

Wer mit der Bahn von Tübingen nach Stuttgart reisen will, muss mit Ausfällen rechnen

Deborah Kopp hat Glück. Die junge Lehrerin arbeitet in Nürtingen, bis dahin fährt der Zug noch. Seit vergangenem Samstag hat die Deutsche Bahn einen Schienenersatzverkehr auf der Strecke Tübingen–Stuttgart eingerichtet.

27.11.2018

Von Jacqueline Schreil und Lisa Maria Sporrer

Der Schienenersatzverkehr zwischen Tübingen und Stuttgart sorgt diese Woche für Verspätungen im Ablauf. Bild: Ulrich Metz

Der Schienenersatzverkehr zwischen Tübingen und Stuttgart sorgt diese Woche für Verspätungen im Ablauf. Bild: Ulrich Metz

Wer zeitig sein Ziel erreichen will, ist daher gut beraten, in einen früheren Zug zu steigen. In Wendlingen, wo Kopp gestern auf Gleis 1 auf ihren Zug nach Tübingen wartete, geht es Richtung Stuttgart momentan nur noch mit dem Bus weiter. Ab Wendlingen fahren wieder Züge.

„Pendeln mit der Bahn ist aber immer ein bisschen ein Glücksspiel“, sagt Kopp. Sie benutzt die App der Bahn und wusste dadurch von den Gleisarbeiten in Wendlingen, die der Grund für die gut einwöchige Fahrplanänderung sind. „Was ich aber nicht wusste, ist, dass auch die Züge von Tübingen aus nicht mehr zur gewohnten Zeit fahren.“ Und was ihr die App auch nicht gesagt hat: Dass sie in Wendlingen auf Gleis 1 vergeblich auf einen Zug nach Tübingen warten kann. Denn der fährt diese Woche von Gleis 2, Treppe runter und wieder hoch.

Ganz einfach ist es in Nürtingen nicht, den Weg zur Weiterreise nach Stuttgart zu durchschauen. Denn der Busbahnhof, von dem die Ersatz-Linie nach Wendlingen fährt, liegt eine gewisse Wegstrecke entfernt.

„Wer will noch mitfahren? Beeilung“, ruft Jürgen Müller mit seiner gelben Weste den Reisenden zu. Müller ist für die „Reisenden-Lenkung“ zuständig, seit Samstag steht er an der Bushaltestelle in Nürtingen und erklärt, wie es von dort weitergeht. „Morgens ist hier immer viel los, ansonsten klappt’s gut“, sagt er. Bis auf Montagmorgen. „Der Stau auf den Straßen ließ die Busse hier nicht ankommen. Dabei sollen die alle zehn Minuten fahren“, sagt Müller. Das sei ein ziemliches Chaos gewesen: Überfüllte Busse, hektische und wütende Berufspendler.

Der Zug, in dem Christina Licha gestern Nachmittag sitzt, ist dagegen eher leer. Licha war in den Zug von Tübingen Richtung Nürtingen gestiegen. „Zum Glück steige ich heute schon in Reutlingen aus, da bleibt mir der Schienenersatzverkehr erspart.“ Sie habe den Ersatzverkehr auch schon häufig mitgemacht. Inzwischen hat Licha genug davon: „Wenn ich es frühzeitig mitbekomme, vermeide ich den Ersatzverkehr. Dann fahre ich lieber mit dem Auto, aber die Möglichkeit hat ja nicht jeder.“

Natalie Reeb gehört zu den Leuten, die nicht mal eben zum Auto wechseln können. Sie hat noch einen weiten Weg vor sich: Nach Hannover soll es gehen, von Tübingen über Stuttgart. Dass zu den regulären Umstiegen auf der Strecke nun noch ein zusätzlicher Bus-Umstieg kommt, überrascht Reeb: „Wir haben vorhin auf der Bahn-App nach den Umstiegen geschaut, aber die Strecke zwischen Tübingen und Stuttgart hatte die App wohl nicht auf dem Schirm, da kam bloß eine blanke Seite.“ Die Verzögerung durch den Ersatzverkehr sei ungünstig, weil die Umstiegszeit in Stuttgart mit sieben Minuten sowieso schon knapp bemessen sei.

Maik Merle ist nach Tübingen unterwegs. Er hatte sich im Vorfeld für die alternative Strecke über Herrenberg entschieden, um die Ersatzbusse zwischen Wendlingen und Nürtingen zu meiden: „Heute lief es ausnahmsweise mal gut. Wir haben alle Anschlüsse erwischt.“ Das sei nicht immer die Regel, da man in Herrenberg häufig nur vier Minuten für den Umstieg hat. „Ich bin in Herrenberg schon oft gestrandet“, erzählt der Stuttgarter Student. Die Stimmung der anderen Fahrgäste sei auf dieser Strecke hektisch. Kurz vor Herrenberg seien alle darauf bedacht, schnellstmöglich den Anschluss zu erwischen.

Auch Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer strandete am Wochenende in Herrenberg, der in der App angesagte Zug fuhr nicht.

Neubaustrecke Wendlingen-Ulm

Schuld am Schienenersatzverkehr und an den Zugausfällen ist der Bau der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm.

Derzeit werden in Wendlingen am Neckar dafür Gleise, Weichen und Signaltechnik umgebaut, das soll der künftigen Güterzuganbindung dienen. Noch bis Sonntag, 2. Dezember, dauern die Bahnarbeiten an. So lange kommt es zu Beeinträchtigungen im Zugverkehr. Zwischen dem Stuttgarter und dem Tübinger Hbf fallen die IRE-Züge komplett aus, von Tübingen nach Aulendorf fahren die IREs auch weiterhin. Die RB-Züge und die RE-Züge fallen zwischen Plochingen (Ausnahmen in den Tagesrandlagen), Wendlingen und Nürtingen aus, stattdessen gibt es Ersatzbusse. In den Tagesrandlagen, den sogenannten Stoßzeiten, verkehren einzelne RB- und RE-Züge mit veränderten Fahrtzeiten. In den Ersatzbussen ist die Fahrradmitnahme nicht gestattet.

Ihren Kunden empfiehlt die Deutsche Bahn ihre Bahn-App und ihre Homepage für eine aktuelle Übersicht. Die Reisenden werden gebeten, soweit erforderlich, eine frühere Verbindung zu wählen.