Miederunternehmen stellt aus

Bitte anfassen! Gomaringen hat nun ein Buseum

Gomaringen hat nun ein veritables Buseum: Gestern eröffnete die liebevoll gemachte Dauer-Ausstellung des Miederwaren-Unternehmens Naturana.

16.06.2018

Von Eike Freese

Gibt’s heute wieder Lachs? Mieder vom Anfang des 20. Jahrhunderts.

Gibt’s heute wieder Lachs? Mieder vom Anfang des 20. Jahrhunderts.

Steffen Heß zeigte sich begeistert bei der gestrigen Eröffnung in der Bahnhofstraße: „Bitte anfassen!“ laute nämlich ein Appell im neuen Unterwäsche-Museum von Naturana. „Normalerweise heißt es ‚Bitte nicht anfassen!‘“, lobte Gomaringens Rathaus-Chef die interaktiven Elemente im Ausstellungsraum der 101 Jahre alten Mieder-Schmiede.

Den originalen Schreibtisch des Firmengründers Carl Dölker kann man dort öffnen und nach altertümlichen Produktproben durchwühlen – alle der Zeit entsprechend lachsfarben. „Gibt‘s heute wieder Lachs?“, soll der alte Dölker immer gescherzt haben.

Wer‘s moderner mag, kann an einer „Molding-Maschine“ ausprobieren, wie man BH-Körbchen ohne Nähte formt. Währenddessen flimmert ein werbewirksamer Streifen mit Rudi Carrell und einer Miss Germany über den Bildschirm.

Frauen trugen früher kiloschwere Unterwäsche

Es sind gerade mal 80 Quadratmeter Ausstellungsfläche, die das Stockacher Büro Design und Mehr in der Gomaringer Bahnstraße 26 gestaltet hat – aber die können durchaus unterhalten, vor allem bei einer kundigen Führung wie gestern von den Kulturwissenschaftlerinnen Kerstin Hopfensitz und Susanne Goebel. Die beiden fürs Museum verantwortlichen Akademikerinnen blieben den Ehrengästen der Eröffnung bei Fragen zur Industrie-, Technik-, Mode- und Frauengeschichte keine Antwort schuldig.

Die Korsettstäbe früher Mieder? Aus den Barten von Finnwalen, die deshalb stark bejagt wurden. Gesamtgewicht der Unterwäsche jener Tage? Rund 2,5 Kilo bei den Frauen mit ihren Unterröcken.

All die Dinge, die das Museum lebendig machen, kommen vor allem aus den unübersehbar vielen Funden der Inhaber-Familie Dölker. „Besonders aus den 1950er und 60er-Jahren haben wir viel gefunden“, sagte gestern Dölker-Nachfahrin Eva Dölker-Heim dem TAGBLATT. Die Dölkers trugen in den vergangenen Monaten und Jahren das Material auch aus den Auslands-Dependancen zusammen. „Wir haben selbst viel gelernt in dieser Zeit“, so Dölker-Heim, „und nicht nur übers Unternehmen.“

90 Jahre Kulturgeschichte in Unterwäsche-Trends

So kann das aufmerksame Auge in der Gomaringer Bahnhofstraße künftig Regional- und Weltkulturgeschichte gleichzeitig betrachten. Vom Mutter-Ideal der 1930er über die Atombusen-Kultur der 1950er bis zu den Powerfrauen der 1980er: ist alles kondensiert in den jeweiligen Unterwäsche-Trends.

Nicht verschwiegen wird zudem, dass die Familie in den 1930ern früh NSDAP-Mitglied war und mit Arbeiten für die Wehrmacht den Laden im Krieg am Laufen hielt. Später, nach dem Wirtschaftswunder, ging es mit Millionen-Sellern wie dem „Star“-BH international bergauf. „Und immer noch mit dem Hauptsitz am Standort Gomaringen“, lobte Bürgermeister Steffen Heß bei der Eröffnung: „Das ist toll und keine Selbstverständlichkeit.“

Einst fast uniform weiß, wurde es in den 1960ern drunter bunter: die Naturana-Kuratorinnen Susanne Goebel (links) und Kerstin Hopfensitz. Bilder: Franke

Einst fast uniform weiß, wurde es in den 1960ern drunter bunter: die Naturana-Kuratorinnen Susanne Goebel (links) und Kerstin Hopfensitz. Bilder: Franke

Heute Eröffnungstag in der Bahnhofstraße 26

Am heutigen ersten Publikums-Tag ist der Ausstellungsraum in der Bahnhofstraße 26 (gegenüber vom Turm) von 10 bis 15 Uhr geöffnet. Danach steht er zu den normalen Öffnungszeiten des Werksverkaufs unter der Woche von 9 bis 18 Uhr, samstags von 9 bis 13 Uhr, offen. Führungen gibt es auf Anfrage per Mail an info@naturana.de oder telefonisch unter 07072 / 12 443. Eintritt kostet die Ausstellung nicht.

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Erstellt:
16.06.2018, 01:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 16.06.2018, 01:00 Uhr

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