Das Job-Wunder geht weiter

Bislang größter Tübinger Arbeitsplatz-Zuwachs

Die Tübinger Beschäftigtenzahl ist auf einem neuem Höchststand – der Anstieg um zuletzt 1600 Jobs binnen Jahresfrist ein Rekord.

30.06.2017

Von Volker Rekittke

Der Technologiepark bei der Sternwarte wächst und wächst: Allein für das neue Curevac-Gebäude (die große Baugrube mit Kran beim Stadtwerke-Heizwerk) will das Biotech-Unternehmen vom kommenden Jahr an 60 neue Arbeitsplätze schaffen. Luftbild: Grohe

Der Technologiepark bei der Sternwarte wächst und wächst: Allein für das neue Curevac-Gebäude (die große Baugrube mit Kran beim Stadtwerke-Heizwerk) will das Biotech-Unternehmen vom kommenden Jahr an 60 neue Arbeitsplätze schaffen. Luftbild: Grohe

Es könnte der bislang höchste Job-Zuwachs überhaupt sein: Um mehr als 1600 stieg in Tübingen die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten laut Statistischem Landesamt zwischen 2015 und 2016: von 43.211 auf 44.818. Und das nicht nur bei Uni und UKT, bei Dienstleistungen, IT und Biotech. Selbst beim produzierenden Gewerbe – bislang in Tübingen eher kein Motor des seit Jahren anhaltenden Beschäftigungs-Booms – freut sich Tübingens Wirtschaftsförderer Thorsten Flink über einen vergleichsweise hohen Zuwachs: von 6735 auf 7389 Arbeitsplätze, nicht zuletzt bei Horn, Erbe, CHT.

Die insgesamt gut 1600 zusätzlichen Arbeitsplätze (und zwar „ohne ein neues Gewerbegebiet“), findet Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer „doppelt erfreulich: Für die Menschen, die Arbeit und Einkommen finden, und für die Umwelt, die nicht weiter zubetoniert wird.“ Ein guter Teil der neuen Arbeitsplätze fällt auf Wissenschaft, Forschung, Biotech, IT. Palmer: „Wir nutzen unsere Standortvorteile zunehmend besser für wirtschaftlichen Erfolg.“

Erfreulich für den OB, der zugleich Finanzbürgermeister ist: „Das bringt erhöhte Gewerbesteuereinnahmen und eine größere Vielfalt an Beschäftigungschancen.“ Dass Tübingen bei Dienstleistungen weitaus stärker ist, bleibe ein Vorteil – die Stadt sei dadurch weniger betroffen von Konjunkturschwankungen.

Zwei Beispiele: Bei Erbe Elektromedizin – 1851 in Tübingen gegründet – sind aktuell 962 Mitarbeiter/innen weltweit beschäftigt – ein Plus von 4 Prozent gegenüber 2015. Am Tübinger Stammsitz arbeiten 587, in der Rangendinger Dependance 48 Menschen. Der Konzernumsatz lag vergangenes Jahr bei 217 Millionen Euro (+9%), das Ziel für 2017 sind 231 Millionen Euro (+7%). Die wichtigsten Märkte für den Tübinger Medizintechnikhersteller: Deutschland (13%), die restliche EU (20%), USA (33%) – und die restliche Welt (34%)

Und wie lange reichen, bei so einem Wachstum, die Reserven? Laut Firmenchef Christian Erbe werde man in Tübingen mit den diesjährigen Bauaktivitäten – ein zusätzlicher Parkplatz – „die verfügbaren Flächen ausgenutzt haben“. Allein in Rangendingen gebe es noch eine Erweiterungsfläche von 10 000 Quadratmetern. Erbe weist darauf hin, dass die Tübinger Industrie in den vergangenen Jahren viele Flächen vor allem an den Wohnungsbau verloren habe – darunter das Sidler-Areal, Egeria oder das Mühlenviertel, ehemals Wurster & Dietz.

Bei Curevac – als Start-up gegründet im Jahr 2000 – wird zur Zeit nicht nur an Krebs- oder HIV-Medikamenten geforscht. Das Tübinger Biotech-Unternehmen baut seit März nördlich der Sternwarte auch ein großes Labor- und Forschungsgebäude mit 8000 bis 10.000 Quadratmetern Büros, Laboren – und einem großen Reinraum, in dem Impfstoffe und Therapeutika für die weitere klinische Erprobung produziert werden sollen. In dem Neubau, der 2018 in Betrieb gehen soll, wird Curevac einen Produktionsprozess in industriellem Maßstab entwickeln, „der einer späteren Marktbelieferung mit mRNA-Wirkstoffen gerecht werden soll“, heißt es von Seiten des Unternehmens. Für Curevac bedeute der Ausbau seiner Produktionskapazitäten „einen weiteren wichtigen Schritt auf dem Weg zur Zulassung des ersten Medikaments auf Basis des Botenmoleküls Messenger-RNA“.

Mehr als 300 Millionen Euro Kapital sammelte die Aktiengesellschaft dafür unter ihrem Vorstandsvorsitzenden und Gründungsmitglied Ingmar Hoerr bislang ein. Auch Bill Gates zeigte sich begeistert: Seine Stiftung investierte vor zwei Jahren 46 Millionen Euro in das Unternehmen.

Bei Curevac spricht man von einem „Sprung in eine neue Dimension der Wirkstoffproduktion“. Das neue Gebäude sei „für die Entwicklung eines Produktionsprozesses in industriellem Maßstab ausgelegt“. Allein dort sollen 60 neue Jobs entstehen. Insgesamt stieg die Zahl der Curevac-Mitarbeiter/innen bereits am bisherigen Hauptsitz im Tübinger Biotechnologiezentrum (BTZ) in den vergangenen Jahren rasant: Von 110 in 2013 auf 230 in 2015.
310 sind es Stand Ende Juni 2017.

Reutlingen ist immer noch stark bei Produktions-Jobs

Auch in der Nachbarstadt Reutlingen steigt die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten laut Statistischem Landesamt seit Jahren – zuletzt um rund 1000 von 53.794 auf 54.801 (Ende Juni 2016). Damit ist der Anstieg nicht nur in absoluten Zahlen geringer als der in Tübingen – denn Reutlingen ist mit seinen 115.400 Einwohner/innen auch deutlich größer als Tübingen mit aktuell rund 86.500.

Im produzierenden Gewerbe – auf das in der industriell geprägten Stadt ein Drittel aller Jobs entfallen – legte Reutlingen zuletzt um rund 450 auf 18500 Stellen zu. Zum Vergleich: In der Universitätsstadt Tübingen arbeiten in der Produktion aktuell nur 16,5 Prozent aller Beschäftigten. 2008, vor Beginn der Banken-Krise, waren es auch in Tübingen noch 19,8 Prozent.

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Erstellt:
30.06.2017, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 11sec
zuletzt aktualisiert: 30.06.2017, 01:00 Uhr

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