Reformation · Sie verbindet mehr als sie trennt

Bischöfe auf dem Podium · Frank Otfried July und Gebhard Fürst sind sich in vielen Dingen einig

Martin Luthers revolutionäre 95 Thesen von 1517 waren der Beginn einer Kirchenspaltung. Können Evangelische und Katholische das 500-Jahr-Jubiläum dieses Zerwürfnises gemeinsam feiern? Ein klares Ja dazu fanden der evangelische Landesbischof Frank Otfried July und der katholische Bischof Gebhard Fürst beim Podiumsgespräch in der Zehntscheuer am Samstagabend.

06.11.2017

Von Dunja Bernhard

Martin Beck (Mitte) hatte als Moderator gut lachen bei zwei Podiumsteilnehmern, die sich so gut verstehen: der evangelische Landesbischof Frank Otfried July (links) und der katholische Bischof der Diözese Rottenburg-Stuttgart Gebhard Fürst. Bild: Bernhard

Martin Beck (Mitte) hatte als Moderator gut lachen bei zwei Podiumsteilnehmern, die sich so gut verstehen: der evangelische Landesbischof Frank Otfried July (links) und der katholische Bischof der Diözese Rottenburg-Stuttgart Gebhard Fürst. Bild: Bernhard

Sie gaben dem Festjahr allerdings unterschiedliche Namen: Während July und der evangelische Moderator Martin Beck vom Reformations-Jubiläum sprachen, nannte Fürst den Anlass Reformationsgedenken.

Es sei schmerzlich, dass die Einheit der abendländischen Christen, die 1500 Jahre bestanden hatte, mit der Reformation zu Bruch ging, sagte Fürst. Die Katholische Kirche sei dennoch „wirklich bereit gewesen“ mitzufeiern. Denn den theologischen Grundsatz der Reformation „Solus Christus“ – Jesus Christus als der alleinige Heilsmittler – sei auch der Katholischen Kirche nicht fremd. Luther habe die Katholische Kirche auf die zentrale Frage nach dem Verhältnis des Menschen zu Gott gestoßen. Die Antwort war, dass Gott auch ohne Gegenleistung des Menschen gnädig sei. Der Anstoß „ist eine Großtat von Martin Luther“.

In der säkularen Welt seien Evangelische und Katholische gemeinsam gefordert, Zeugnis zu geben, was Jesus Christus für sie bedeute, betonte der katholische Bischof. Dieses Bewusstsein sei schon sehr gewachsen. „Man sollte mal überprüfen, wo zwei Bischöfe, einer evangelisch und einer katholisch, so viel gemeinsam getan haben (im Reformationsjahr), wie wir.“

Eucharistie trennt die Gläubigen

July berichtete, dass in der Diaspora – katholisch geprägten Gebieten – zu evangelischen Feiern zunehmend auch Katholiken kämen. Er verglich die religiösen Erfahrungen in verschiedenkonfessionellen Familien mit Dialekten. Es gebe es immer mehr „Konfessionen verbindende Familien“, Ehen, in denen ein Partner katholisch und der andere evangelisch ist. Er erlebe jedoch, dass gerade die katholischen Partner litten, weil sie von ihrer Kirche enttäuscht werden, so July. Die katholische Kirche erkennt das evangelische Abendmahl nicht an. Das macht gemeinsame Gottesdienstbesuche schwierig. Er wisse aber auch, dass eine Diözese in der Weltkirche wenig ausrichten könne.

Durch die Taufe und durch das Sakrament der Ehe seien auch konfessionell verschiedene Ehepartner geeint, vertrat Fürst durchaus moderne Ansichten. Die Ökumene bringe aber gerade für Menschen, die ihren Glauben leben, Herausforderungen mit sich. „Wir dürfen diese Menschen durch kirchliches Handeln nicht noch bestrafen.“ Er setze sich in der Bischofskonferenz für eine zukunftsfähige Lösung ein, sagte Fürst. In der Weltkirche sei ein Umdenken jedoch schwierig durchzusetzen.

Kirche einig bei Wirtschaftsfragen

Auch nach dem Reformations-Jubiläum steht für July die Ökumene ganz oben. Als Teil der deutschen Gesellschaft sollten die Kirchen gemeinsam für Schwache und Ausgegrenzte eintreten, sagte er. „Als die Migranten kamen, haben wir auch in einer Tonlage gesprochen.“

Unter Christen sei es unbestritten, dass der Stärkere nicht noch stärker werden soll, sagte Fürst. Das gelte nicht nur für einzelne Menschen, sondern auch für Länder. „In Ghana werden Menschen ausgebeutet, damit wir im Wohlstand leben können“, berichtete der Bischof von seinen Erfahrungen bei einer Pastoralreise. „Die Weltwirtschaft muss gerechter werden.“ Da seien sich die Kirchen einig.

Doch wie sieht die Einigkeit bei den Gottesdiensten aus, wollte Beck wissen. Katholische Messen sind liturgisch aufwendig und geprägt von Heilszeichen, in evangelischen Gottesdiensten dominiert das Wort. „Gottes Wort steht über allem“, sagte Fürst. Doch auch die Eucharistiefeier ist wichtiger Bestandteil katholischer Gottesdienste und Zeichen der Gegenwart Gottes. In der evangelischen Kirche beobachte er jedoch eine neue Sensibilität für liturgische Zeichen. „Evangelische Kirchengemeinden erkennen heute, wie wichtig das Abendmahl zur Gemeinschaftsstiftung ist“, sagte July.

In der Simultankirche in Biberach, in der seit Jahrhunderten beide Konfessionen getrennt Gottesdienst feiern, zelebrierten Fürst und July einen gemeinsamen Vergebungs-Gottesdienst. Sie seien beide in die Knie gegangen und die Gemeinde mit ihnen, erzählte July. „Wir haben unter dem Kreuz zusammengefunden.“ Sie hätten gespürt, dass sie aus den Wunden, die die Geschichte geschlagen hat, lernen wollen. Dieser Aussage stimmte Fürst voll und ganz zu.

„Wenn wir nicht über dogma- spezifische Fragen sprechen, kommt es zu keiner kontroversen Diskussion“, fasste July unbeabsichtigt den Abend zusammen. „Bei den ethischen Grundsätzen sind wir uns einig.“