Eine Wohltat für Bienen und Boden

Bio-Landwirtschaft der Justizvollzugsanstalt baut seit drei Jahren Buchweizen an

Auf der Kalkweiler Hochfläche steht der Buchweizen in voller Blüte. Der landwirtschaftliche Betrieb der Justizvollzugsanstalt Rottenburg hat dieses Jahr anderthalb Hektar der hierzulande seltenen Feldfrucht angebaut. Wer die Ohren spitzt, hört es: Das ganze Feld summt.

04.08.2016

Von Hete Henning

Auf der Kalkweiler Hochfläche (hier der Blick Richtung Hirschau) stehen insgesamt anderthalb Hektar Buchweizen in voller Blüte. Bilder: Henning

Auf der Kalkweiler Hochfläche (hier der Blick Richtung Hirschau) stehen insgesamt anderthalb Hektar Buchweizen in voller Blüte. Bilder: Henning

Rottenburg. Anders als der Name suggeriert, ist der weiß bis rosa blühende Buchweizen (Fagopyrum esculentum) kein Getreide. Er gehört zur Familie der Knöterichgewächse und ist mit dem Sauerampfer und dem Rhabarber verwandt. Die eiweißreichen Früchte des Buchweizens ähneln kleinen Bucheckern. Sie können gemahlen oder geschrotet beispielsweise zu Grütze oder Pfannkuchen verarbeitet werden. War der Buchweizenanbau in Mitteleuropa im 17. und 18. Jahrhundert noch weit verbreitet, ging er danach wegen des vergleichsweise geringen Ertrags stark zurück: Mit der Kartoffel ließ sich auch auf schlechten Böden mehr erwirtschaften.

Der landwirtschaftliche Betrieb der Rottenburger Justizvollzugsanstalt (JVA) hat den ursprünglich aus Asien stammenden Buchweizen vor drei Jahren wiederentdeckt. „Er hat zu unserem Gemüseanbau gepasst“, sagt Georg Schulze-Schilddorf, der Leiter der JVA-Landwirtschaft. Vorangegangen waren Experimente der Öko-Erzeugergemeinschaft Alb-Leisa nach geeigneten Stützpflanzen für ihre Linsen. Der Buchweizen erwies sich als untauglich, weil er später gesät und geerntet wird als die Linsen. Um die Restflächen im Gemüseanbau der JVA auf der Kalkweiler Hochfläche (in Verlängerung der Berliner Straße Richtung Remmingsheim) zu füllen, sei er aber gut geeignet, so Schulze-Schilddorf. Anderthalb der 90 Hektar, die die JVA in Rottenburg nach Bioland-Richtlinien bewirtschaftet, sind dieses Jahr mit Buchweizen bestückt. In direkter Nachbarschaft stehen Mohrrüben und Zwiebeln, Rote Beete, Rotkohl, Bohnen und Kartoffeln.

Der Ertrag bei Buchweizen ist gering, Schulze-Schilddorf rechnet mit etwa 800 Kilo vermarktbarer Ware pro Hektar. Gedroschen wird der Buchweizen Ende September. „Der braucht lang“, sagt der JVA-Landwirt – weil Buchweizen kälteempfindlich ist, wird er erst im späten Frühjahr gesät. Dass er erst jetzt blüht, ist für die Bienen, Wildbienen und Hummeln ein Segen: „Wenn die Lindenblüte rum ist, ist der Buchweizen fast das einzige, was noch blüht“, sagt Schulze-Schilddorf. Imker schätzen den Buchweizen als ebenso gute Trachtpflanze wie Raps. Bienenstöcke hat zwar niemand am Buchweizen der JVA deponiert, in den beiden Feldern auf der Hochfläche summt es aber trotzdem vernehmlich. „Die Bienen fliegen drei Kilometer weit, die finden das“, weiß Schulze-Schilddorf.

Auch in Wendelsheim

summt der Acker

Auch bei Bioland-Landwirt Roland Holocher summt derzeit der Acker. Holocher hat heuer sechs Hektar Buchweizen angebaut, seine Erfahrungen aus den vergangenen drei Jahren sind gut. Wie die JVA-Landwirtschaft, der Bieringer Landwirt Lorenz Truffner und Volkmar Raidt in Kiebingen ist Holocher Mitglied der Öko-Erzeugergemeinschaft Alb-Leisa, der insgesamt 90 Betriebe vor allem auf der Alb angehören. Der Buchweizen aller Mitgliedsbetriebe wird nach dem Dreschen gemeinsam in eine Schälmühle im Spreewald (Brandenburg) gefahren. „Das kann hier keiner“, sagt Schulze-Schilddorf. Fürs Eintüten und die Vermarktung als Grütze (geschrotet), Mehl oder im Ganzen ist wie bei den Alblinsen die Erzeugergemeinschaft zuständig, die seit 2014 den Namen Lauteracher Alb-Feldfrüchte trägt.

Woldemar Mammel, der Gründer der Erzeugergemeinschaft, ist vom Buchweizen hingerissen. Er schmecke nicht nur gut, sondern sei auch hervorragend für den Boden. „Eigentlich würden den am liebsten alle anbauen“, sagt Mammel und erklärt, warum: Anders als beispielsweise Linsen, die erst nach fünf bis sechs Jahren wieder am selben Fleck angebaut werden können, weil sich die Krankheitserreger im Boden so lange halten, bringe Buchweizen keine neuen Krankheiten auf den Acker. Er sei deshalb „eine Art Gesundungsfrucht“ und für Bioland-Betriebe, die nicht mit Insektiziden oder Herbiziden arbeiten, besonders wertvoll. Weil Buchweizen kein Gluten enthält, erfreue er sich bei Menschen mit Gluten-Unverträglichkeit wachsender Beliebtheit. Eigentlich, meint Mammel, gebe es mit dem Buchweizen nur ein einziges Problem: „Er ist sehr unbekannt.“

Info Buchweizen aus der Region gibt es beispielsweise im Hofladen Holocher in Wendelsheim und am Verkaufsstand vor der JVA Rottenburg (freitags 14.30 bis 17.30 Uhr).

So sieht Buchweizen vor dem Schroten aus.

So sieht Buchweizen vor dem Schroten aus.

Bienen und Hummeln kommt der Buchweizen jetzt gerade recht.

Bienen und Hummeln kommt der Buchweizen jetzt gerade recht.

Geschrotet oder gemahlen: Buchweizen ist lecker und sehr nahrhaft

Als Grütze ist Buchweizen eine Energiebombe, die sowohl vor, als auch nach einem arbeitsreichen Tag Wunder wirkt. Hier ein salziges Rezept aus Norddeutschland: Einen Teil Buchweizen mit zwei bis drei Teilen Salzwasser aufkochen und etwa 10 Minuten bei kleiner Hitze quellen lassen, bis die gewünschte Konsistenz erreicht ist. Die Grütze eventuell nachsalzen, auf Suppenteller geben, in die Mitte eine Kuhle drücken und ein ordentliches Stück Butter darin schmelzen lassen. Kalte Milch drumherum gießen und essen, solange die Grütze heiß ist!

Buchweizenpfannkuchen stehen bei den Landwirten Georg Schulze-Schilddorf, Roland Holocher und Woldemar Mammel ganz hoch im Kurs. In der Bretagne heißen die Buchweizenpfannkuchen Galettes. 250 Gramm Buchweizenmehl werden mit zwei Eiern, einem halben Liter kalten Wasser und einer guten Prise Salz in einer großen Schüssel verrührt. Danach 40 Gramm geschmolzene Butter einarbeiten, bis der Teig vom Löffel läuft. Den Teig mindestens zwei Stunden, besser noch über Nacht an einem kühlen Ort stehen lassen und dann in der Pfanne zu dünnen, Crêpe-artigen Pfannkuchen ausbacken. Als Füllung eignen sich Schinken und Käse ebenso gut wie beispielsweise Marmelade oder Apfelmus.