IBM

„Big Blue“ wird immer dünner

Das IT-Urgestein spaltet sich auf und konzentriert sich auf margenträchtige Bereiche. In Deutschland werden wohl 2300 Stellen abgebaut. Von dem einstigen Großkonzern ist nicht mehr viel übrig. r

26.11.2020

Von THOMAS VEITINGER

IBM hat im dritten Quartal trotz boomender Cloud-Dienste weitere Geschäftseinbußen erlitten. Foto: Matthias Balk/dpa

IBM hat im dritten Quartal trotz boomender Cloud-Dienste weitere Geschäftseinbußen erlitten. Foto: Matthias Balk/dpa

Big blue“ wurde IBM einst fast ehrfürchtig genannt. Doch das ist lange her. In Deutschland etwa könnte das „Große Blau“ bald auf kleine 5000 Mitarbeiter schrumpfen. Derzeit arbeiten noch 12?000 Menschen für das IT- und Beratungsunternehmen, im Jahr 2005 waren es 25?000. Das Unternehmen stößt bereits seit langem weltweit Firmenteile ab, strukturiert sich um und verschiebt Arbeitsplätze. Nun steht die nächste Welle an: Das IT-Infrastruktur-Geschäft wird ausgegliedert und laut Verdi eigenständig an die Börse gebracht. 2300 Stellen sollen in Deutschland flächendeckend und quer durch die Bereiche abgebaut werden, heißt es bei der Gewerkschaft. Dürften sich bis zum Jahresende zu wenig freiwillig Ausscheidende finden, „ist zu erwarten, dass in allen IBM-Konzerngesellschaften Kündigungen drohen“, befürchtet die Arbeitnehmerorganisation.

Das lange zu den größten IT-Arbeitgebern in Deutschland zählende IBM äußert sich dazu nicht offiziell. In einer Mitteilung heißt es: „Unsere Personalentscheidungen werden getroffen, um unsere Kunden auf ihrem Weg zur Einführung einer offenen Hybrid-Cloud-Plattform und KI-Fähigkeit zu unterstützen.“ Die Verwaltung von online gespeicherten Daten (Cloud) und Künstliche Intelligenz (KI) gelten bei dem US-Unternehmen neben Großrechnern und Quantencomputern als Zukunftsmarkt. Jüngst wurde verkündet, dass IBM die technische Plattform für die Mitte 2021 anstehende Einführung von E-Rezepten in Deutschland erstellt. „Außerdem investieren wir neu in unser Geschäft. Wir werden auch weiterhin signifikante Investitionen in Aus- und Weiterbildung der Kenntnisse von IBMern vornehmen, um den Anforderungen unserer Kunden besser gerecht zu werden“, steht in der Mitteilung. Zu Details wollte sich IBM Deutschland nicht äußern.

„Big Blue“ hat mit Investitionen in Aus- und Weiterbildung gute Erfahrungen gemacht. Chef Thomas Watson, der das Unternehmen maßgeblich prägte, investierte während der Weltwirtschaftskrise in den 30er Jahren in Aus- und Weiterbildung – statt Mitarbeiter zu entlassen. Nach der Großen Depression gelang mit Lochkarten-Sortierern, Tabellier-Maschinen, Geräten zur Simultanübersetzungen und Schreibmaschinen der Aufstieg. Es folgten Großspeicher, der erste PC und Drucker. IBM entwickelte sich zu einem integrierten Technologiekonzern mit Hardware, Softwareentwicklung, Beratung und Service. Dann kam die Rolle rückwärts: In den 90er-Jahren wurde das Netzwerkgeschäft abgestoßen. Später ging die PC-Fertigung an den chinesischen Lenovo-Konzern, der derzeit von der Corona-Krise profitiert und „bedeutende Wachstumschancen, die die Prognosen der Analysten weit übertreffen“ ausmacht.

Grund für die nun vorgesehene Abspaltung der Infrastruktur-Dienstleistungen ist laut eines Mitarbeiters – der nicht genannt werden will – vor allem eine zu geringe Marge. Gleichwohl verdiene die Deutschland-Tochter aber Geld. Zwar sei es wichtig für einen Technologiekonzern, sich ständig zu transformieren. Bei IBM werde aber auf die Mitarbeiter wenig Rücksicht genommen. Das mit 109 Jahren wohl älteste IT-Unternehmen werde zentral gesteuert und sei sehr zahlengetrieben, berichtet der Insider. Verdi sieht ebenfalls Alternativen zum Stellenabbau.

Der im Februar an die Spitze gesetzte Konzernchef Arvind Krishna möchte die Zukunft des Unternehmens nach eigener Aussage neu schreiben. Maßnahmen „zur Vereinfachung und Optimierung“ seien geplant. Beim Cloud- und Großcomputer-Umsatz liege IBM gegenüber der Konkurrenz zurück, bei KI sei er vorne mit dabei, bescheinigen Marktanalysten. Krishna will unternehmerisches Denken und Pragmatismus fördern, Geschwindigkeit gehe dabei vor Eleganz.

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Erstellt:
26.11.2020, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 35sec
zuletzt aktualisiert: 26.11.2020, 06:00 Uhr

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