Zum Karriereschluss fehlt nur noch eine olympische Medaille

Biedermanns Traum

Ein Geschenk zum 30. Geburtstag? Paul Biedermann hat als Schwimmer fast alles gewonnen. Nur keine Olympia-Medaille. Nun also der letzte Versuch.

06.08.2016

Von WOLFGANG SCHEERER

Paul Biedermann und der letzte Versuch, die große Edelmetall-Sammlung zu vervollkommnen. Foto: Imago

Paul Biedermann und der letzte Versuch, die große Edelmetall-Sammlung zu vervollkommnen. Foto: Imago

Rio de Janeiro. Als Kind ist der kleine Paul tatsächlich durch die Seepferdchen-Prüfung gefallen. Das war für ihn kein Untergang, er holte schnell auf. Mehr als 40 deutsche Meistertitel hat Paul Biedermann, der Weltklasse-Schwimmer vom SV Halle, gewonnen. 13 Mal war er Europameister, dazu Doppel-Weltmeister. Der Ex-Freund von Schwimm-Kollegin Britta Steffen, die ihre Karriere bereits beendet hat, hält weiter die Weltrekorde über 200 und 400 Meter Freistil.

Morgen feiert Biedermann in Rio seinen 30. Geburtstag. Ganz sicher feucht, aber auch fröhlich? Im Becken muss er zeigen, ob er es ins lange angepeilte olympische Finale über 200 Meter Freistil am Montag schafft. So viel hat Paul Biedermann erreicht in seiner außergewöhnlichen Karriere, die 2002 bei der ersten deutschen Meisterschaft begann. Mit Rekord-Olympiasieger Michael Phelps, der nach seinem Rücktritt vom Rücktritt bei seinen fünften Sommerspielen den unglaublichen 22 Medaillen nun noch welche hinzufügen will, verbindet ihn mehr als dieser letzte große Auftritt in Rio de Janeiro. Phelps war der Geschlagene beim größten Moment in der Karriere Paul Biedermanns: Bei der WM 2009 schnappte der Hallenser dem US-Superstar nicht nur den Titel über 200 Meter Freistil, sondern auch den Weltrekord weg. Es war die erste Niederlage für den vermeintlich Unbesiegbaren nach vier Jahren.

Mit dem letzten Rennen gegen Michael Phelps – nach überstandenem Halbfinale morgen dann vielleicht am Montag auf der 200-Meter-Einzelstrecke und dann wahrscheinlich noch in der Staffel – schließt sich für Biedermann der Kreis. Noch wichtiger ist dem ehemaligen Doppel-Weltmeister aber das letzte große Ziel: im dritten Versuch die erste Olympia-Medaille.

Verpasst er sie einmal mehr knapp wie als Fünfter 2008 und 2012, wäre das „auch nicht tragisch“ für Biedermann. „Aber“, fügt er offen hinzu, „ich trainiere auch nicht jeden Tag hart, um hier in Rio Achter zu werden.“ Auf die Europameisterschaft im Mai in London hat er bewusst verzichtet, um die Kräfte einzuteilen und rechtzeitig den Bio-Rhythmus auf die Spät-Stars in Brasilien (zwischen 3 und 5 Uhr deutscher Zeit) umzustellen.

Auf einen großartigen Karriere-Abschluss für Paul Biedermann hofft auch der deutsche Schwimmverband. Denn das totale Olympia-Fiasko 2012 in London, als die Beckenschwimmer statt nach Medaillen nur erschöpft nach Luft schnappten, sitzt tief. Doch Biedermann zählt als WM-Dritter von Kasan zum Favoritenkreis. Und Marco Koch aus Darmstadt hat als Welt- und Europameister über 200 Meter Brust seit 2013 bei internationalen Titelkämpfen immer geliefert. Großer Tag für den 26-Jährigen ist in Rio dann erst am Mittwoch.

Biedermann verzichtet für die Wunsch-Medaille auf einen Doppel-Start im Einzel, lässt die 400 Meter Freistil aus und geht dann noch in der Staffel an den Start. „Hier auf dem Podest zu stehen, ist ein Traum, den ich mir noch erfüllen möchte“, sagt Biedermann. „Aber mein Lebensglück hängt nicht davon ab.“ Wie genau es demnächst weitergehen soll, verrät er noch nicht. Nur so viel: Es gebe zwei Berufsangebote aus seiner Heimatstadt. Ein Traineramt zählt nicht dazu: „Das wäre nichts für mich nach so langer Zeit im Wasser.“

Das Seepferdchen lässt grüßen. Eine weitere Prüfung steht dann auch noch bevor. Nach einigen Trockenübungen am Steuer will Paul Biedermann erst einmal seinen Führerschein machen.