Ein Vegetarier mit Talent

Biber erobern sich die Ammer zurück und leisten mit messerscharfen Zähnen Hilfe beim Naturschutz

Die Spuren sind nicht zu übersehen: Ein Biber hat sich in der Ammer zwischen der Tübinger Weststadt und dem Ortsrand von Unterjesingen häuslich eingerichtet.

14.03.2017

Von Uschi Hahn

Udo Dubnitzki, ehrenamtlicher Biberbeauftragter im Landkreis Tübingen, ist fasziniert von den Nagetieren, die bei der Nahrungsbeschaffung auch vor Baumriesen wie dieser alten Weide am Ammerufer nicht zurückschrecken. Bild: Hahn

Udo Dubnitzki, ehrenamtlicher Biberbeauftragter im Landkreis Tübingen, ist fasziniert von den Nagetieren, die bei der Nahrungsbeschaffung auch vor Baumriesen wie dieser alten Weide am Ammerufer nicht zurückschrecken. Bild: Hahn

Auf einer Länge von etwa drei Kilometern hat der Nager mit dem charakteristischen geschuppten Plattschwanz an etlichen Bäumen die Rinde großflächig abgenagt und auch schon dünnere Bäume gefällt.

Seit vergangenen Oktober weiß Udo Dubnitzki, ehrenamtlicher Biberbeauftragter des Landkreises Tübingen, von der Rückkehr des Bibers an die Ammer, wo er sicher früher schon heimisch war. Früher: das heißt vor seiner fast kompletten Ausrottung im 19. Jahrhundert. Dubnitzki, 57, hat das Tier zwar noch nicht gesehen. Doch der am und im Wasser lebende Nager hinterlässt nicht nur Fraßspuren. Im Winter fand der Gewässer-Spezialist im frisch gefallen Schnee eine Biberfährte am Uferrand. Die sei „unverwechselbar“, sagt Dubnitzki, „wegen der Schwimmhäute zwischen den Zehen“.

Dubnitzki ist begeistert von den „intelligenten Tieren“. Der Biber sei „ein genialer Baumeister“, findet der bei den Tübinger Kreisfischern für Fließgewässer zuständige Hobbyangler. Für das Grundgerüst eines Dammes benötige das bis zu 30 Kilogramm schwere Tier nur „ein, zwei Nächte“. Wenig später sei der Damm dann „nahezu dicht“.

Dämme bauen Biber, um das Gewässer um ihre Behausung herum aufzustauen. Der Eingang zur Wohnhöhle, die sich das Tier mit den mit langen Krallen ausgestatteten Vorderpfoten in der Uferböschung gräbt, muss nämlich immer unter Wasser liegen. Mindestens 80 Zentimeter bis einen Meter tief müsse dazu das Wasser sein, sagt Dubnitzki. Er ist überzeugt, dass der talentierte Vegetarier in der Ammer einen entsprechenden Gumpen gefunden hat und vorerst noch nicht an den Dammbau denkt. „Der ist faul und baut nur, wenn er unbedingt muss“, sagt Dubnitzki über den Rückkehrer. Damit dürfte es vorerst auch keinen Ärger um das streng geschützte Wildtier geben, das beispielsweise im Lautertal derzeit den Unmut der Landwirte auf sich zieht, weil dort die Äcker wegen der tierischen Wasserbauten überschwemmt werden.

Erstaunlich findet der Biberberater, wie „nachhaltig“ die Tiere ihr Revier bewirtschaften. „Der geht nicht zentral rein und wütet“, beschreibt Dubnitzki die Baumfällaktionen der Biber. Um an das Blattgrün und die zarte Rinde der Baumkronen zu kommen, holze er vielmehr in größeren Abständen und schaffe so Raum für junge Pflanzen – und damit seine künftige Verpflegung. Im Wasser selbst sorgt der Biber für Artenvielfalt. „Er verbessert die Struktur von Gewässern“, sagt Dubnitzki.

An der Tübinger Ammer jedenfalls erledigt der Biber mit seinen messerscharfen Schneidezähnen das, was das städtische Tiefbauamt im Auftrag des Naturschutzes tun sollte: Er lichtet die Uferauen aus. Die städtischen Holzarbeiten an der Ammer sind wegen des Bibers jedenfalls gestoppt worden, wie Nina Bastian sagt, die in der Naturschutzabteilung im Landratsamt für Biber zuständig ist.

Neckar als Durchgangsstraße

Woher der Ammer-Biber eingewandert ist, vermögen weder die hauptamtliche noch der ehrenamtliche Biberbeauftragte zu sagen. Mit Sicherheit habe er den Neckar als „Durchgangsstraße“ benutzt, glaubt Dunbnitzki. Gut möglich, dass der neue Ammer-Bewohner aus dem Kirchentellinsfurter Baggersee stammt, wo seit ein paar Jahren ein Biberpaar regelmäßig Junge groß zieht. Bis sie knapp drei Jahre alt sind, bleiben Jungbiber bei den Eltern, danach werden sie vertrieben und müssen sich neue Reviere suchen.

Es gibt noch mindestens einen weiteren Biber an der Ammer. Zwischen Reusten und Altingen wurden Nagespuren gesichtet. Ein paar kleinere Stämme, die der Biber dort als Fressvorrat abgeholzt hat, wurden in den vergangenen Wochen von Menschenhand entsorgt. Das findet man im Landratsamt weniger gut: „Der Biber fällt die Bäume ja nicht zum Spaß“, sagt Nina Bastian. Deshalb wurde der ehrenamtliche Biberbeauftragte in Ammerbuch auch schon aktiv. Sein Job sei es, über die Tiere aufzuklären und „Verständnis zu schaffen“. Verständnis für den Biber, der nach über zwei Jahrhunderten den Weg zurück gefunden hat an die Ammer.

Überall zwischen Tübingen und Unterjesingen gibt es an der Ammer unübersehbare Spuren von der Rückkehr des Bibers. Bild: Hahn

Überall zwischen Tübingen und Unterjesingen gibt es an der Ammer unübersehbare Spuren von der Rückkehr des Bibers. Bild: Hahn

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Erstellt:
14.03.2017, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 53sec
zuletzt aktualisiert: 14.03.2017, 01:00 Uhr

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