Antisemitismus

Bestürzung nach Anschlag in Ulm

Nach der Attacke auf die Ulmer Synagoge zeigt sich große Solidarität. Zu zwei Mahnwachen kommen knapp 500 Menschen.

07.06.2021

Von HANS-ULI MAYER

Große Anteilnahme bei der Mahnwache am Samstagabend. Foto: Volkmar Könneke

Große Anteilnahme bei der Mahnwache am Samstagabend. Foto: Volkmar Könneke

Ulm. So lange die Menschen Zivilcourage zeigen, so lange haben Attentäter keine Chance, unsere Gesellschaft zu zerstören.“ Mit eindringlichen Worten hat der Ulmer Rabbiner Schneur Trebnik am Sonntagvormittag vor dem Ulmer Münster die Gemeinschaft der Gesellschaft beschworen, nachdem tags zuvor in den Morgenstunden ein Brandanschlag auf die Synagoge am Weinhof verübt wurde. Bereits am Samstagabend waren gut 250 Menschen zur Mahnwache vor die Synagoge gekommen, am Sonntagfrüh waren es fast ebenso viele, die trotz dauerhaften Nieselregens vor das Ulmer Münster kamen.

Trebnik war am Samstag die Anspannung deutlich anzumerken. Gegen 8 Uhr am Morgen hatte ein Unbekannter eine brennbare Flüssigkeit an der Fassade des jüdischen Gotteshauses ausgeschüttet und angezündet. Ein Passant hatte den Vorfall beobachtet und deshalb Polizei und Feuerwehr verständigt, die den Brand schnell löschen konnte. Der Sachschaden ist zwar gering, die Bedrohung für die jüdische Gemeinde, die sich nur wenig später zum Gottesdienst traf, aber ungleich größer.

Die Suche nach dem Täter blieb bislang erfolglos. Zwar hatte der Zeuge eine gute Personenbeschreibung abgegeben, trotz einer sofort eingeleiteten Fahndung konnte der Mann aber nicht gefunden werden. Nach Darstellung der Polizei war der Unbekannte zu Fuß in Richtung Fischergasse geflohen. Der Staatsschutz hat die Ermittlungen aufgenommen. Brandsachverständige des Landeskriminalamtes (LKA) waren außerdem vor Ort, um die Art der Flüssigkeit zu untersuchen, mit der der Brand gelegt worden war.

Einige Steinplatten und Glasscheiben an der Außenfassade der Synagoge wurden bei dem Anschlag beschädigt. Foto: Volkmar Könneke

Einige Steinplatten und Glasscheiben an der Außenfassade der Synagoge wurden bei dem Anschlag beschädigt. Foto: Volkmar Könneke

Währenddessen hatten sich schon am Samstag viele Politiker zu Wort gemeldet und den „feigen Anschlag“ verurteilt, wie ihn OB Gunter Czisch nannte. Das Stadtoberhaupt hatte noch am Vormittag Landesinnenminister Thomas Strobl (CDU) informiert, auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) äußerte sich zu dem Vorfall. Er beobachte die Zunahme an antisemitischen Äußerungen und Anschlägen mit großer Besorgnis.

Czisch sprach von einem Einzeltäter, der sich vermutlich wegen der politischen Lage im Nahen Osten einerseits und dem zunehmenden Hass in der Gesellschaft auf alles Andere und Fremde andererseits habe aufstacheln lassen: „Dem immer wieder aufflammenden Antisemitismus müssen wir mit Nachdruck und Entschiedenheit entgegen treten.“

Bereits am Samstagabend trafen sich 250 Menschen zur Mahnwache vor der Synagoge, zu der auch der Antisemitismusbeauftragte der baden-württembergischen Landesregierung, Michael Blume, aufgerufen hatte. Er rief die Menschen zur Wachsamkeit auf, weil allgemein zu beobachten sei, dass derlei Anschläge wieder zunähmen. Blume: „Antisemitismus ist kein Randphänomen.“

Polizei und Rabbi Trebnik im Gespräch mit einer gläubigen Familie. Foto: Volkmar Könneke

Polizei und Rabbi Trebnik im Gespräch mit einer gläubigen Familie. Foto: Volkmar Könneke

Auch am Sonntagfrüh kamen rund 200 Menschen vor dem Ulmer Münster zusammen, um ihre Solidarität mit der jüdischen Gemeinde auszudrücken. In einer kurzen Ansprache sagte die frühere Bundesbildungsministerin und ehemalige deutsche Botschafterin beim Heiligen Stuhl in Rom, Annette Schavan: „Wer jüdische Mitbürger angreift, greift uns alle an.“

Dekan Ernst-Wilhelm Gohl sagte, dass es in Ulm seit vielen hundert Jahren jüdisches Leben gebe und erinnerte an Albert Einstein, als einen der bekanntesten Juden der Geschichte Ulms. In Presseerklärungen haben Vertreter der Grünen und der SPD den Anschlag verurteilt und ihre Solidarität kundgetan.

Zum Artikel

Erstellt:
07.06.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 29sec
zuletzt aktualisiert: 07.06.2021, 06:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Sie möchten diesen Inhalt nutzen? Bitte beachten Sie unsere Hinweise zur Lizenzierung.

Push aufs Handy

Die wichtigsten Nachrichten direkt aufs Smartphone: Installieren Sie die Tagblatt-App für iOS oder für Android und erhalten Sie Push-Meldungen über die wichtigsten Ereignisse und interessantesten Themen aus der Region Tübingen.

Newsletter


In Ihrem Benutzerprofil können Sie Ihre abonnierten Newsletter verwalten. Dazu müssen Sie jedoch registriert und angemeldet sein. Für alle Tagblatt-Newsletter können Sie sich aber bei tagblatt.de/newsletter auch ohne Registrierung anmelden.
Das Tagblatt in den Sozialen Netzen
    
Faceboook      Instagram      Twitter      Facebook Sport
Newsletter los geht's
Nachtleben, Studium und Ausbildung, Mental Health: Was für dich dabei? Willst du über News und Interessantes für junge Menschen aus der Region auf dem Laufenden bleiben? Dann bestelle unseren Newsletter los geht's!