Tübingen·Wissenschaft

Bessere Stressverarbeitung

Ein Probiotikum wurde in Tübingen an 40 Probanden vier Wochen lang getestet – mit positivem Ergebnis, wie das UKT mitteilte.

25.04.2019

Von ST

Eine Studie der Abteilung Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am Universitätsklinikum Tübingen hat jetzt bestätigt, was tierexperimentelle Untersuchungen seit langem vermuten lassen: Probiotika können sowohl die Stressverarbeitung verbessern als auch gesunden Menschen den Umgang mit Stressbelastung erleichtern. Dies teilt die Presseabteilung des Uniklinikums mit.

Bei Probiotika handelt es sich um lebende Bakterien, die sich bei Einnahme gesundheitsförderlich auswirken, indem sie gemeinsam mit den anderen im menschlichen Körper, vor allem im Darm angesiedelten Bakterien unter anderem verdauungsförderliche Maßnahmen unterstützen und Vitamine produzieren. Probiotika gibt es viele unterschiedliche und nicht alle haben die gleiche Wirkung. In der Studie der Tübinger Professoren Paul Enck (Psychosomatik) und Christoph Braun (MEG-Zentrum), die im „American Journal of Gastroenterology“ veröffentlicht wurde, wurde ein spezielles Probiotikum des Typs Bifidobacterium longum (B. longum 1714 TM) verwendet, das von der Firma Alimentary Health Ltd. Cork, Ireland entwickelt wurde.

Für die Studie untersuchten die Wissenschaftler 40 gesunde Probanden, die für vier Wochen täglich entweder das Probiotikum oder einen Placebo einnehmen mussten (Doppelblind-Versuch). Die Teilnehmer wurden vor und nach der vierwöchigen Einnahme einem Stresstest ausgesetzt.

Erzeugt wurde der Stressor mithilfe eines virtuellen Ballspiels am Computer, bei dem sich der Proband mit zwei Gegenspielern im Wechsel einen Ball zuwarf. Im Verlauf der Spiels wurde der Proband zunehmend aus der Gruppe ausgeschlossen, um ein Gefühl der Isolation auszulösen, was sich in diesem Fall wie Alltagsstress auswirkte. Sowohl vor der Kapseleinnahme, als auch danach befanden sich die Probanden während des Spiels im Magnetenzephalographen (MEG). Der Hirn-Scanner misst die Hirnaktivität während der Isolation und ermöglicht damit einen Vergleich der beiden Situationen. Ebenso wurde die Aktivierung des Gehirns vor und nach vier Wochen der Einnahme sowie zwischen den Probanden, die Probiotikum oder Placebo erhielten, verglichen.

Dabei zeigte sich deutlich, dass das Probiotikum Änderungen in den mit der Stressregulation in Verbindung stehenden Hirnregionen erzeugen kann.

Im Vergleich zur Hirnaktivität nach Placeboeinnahme wies die Aktivität vor dem Spiel sowie unter der Belastung des Stressors erhöhte Vitalität und reduzierte mentale Ermüdung auf. Dies deutet auf eine verbesserte Anpassung (Coping) an Belastungssituationen und Gegenregulation bei negativen Emotionen hin. Diese Befunde zeigen erstmals, dass ein Probiotikum positiven Einfluss auf soziale Stresssituationen im Sinne einer besseren Stressbewältigung ausübt, indem es die zentrale Verarbeitung von Stressreizen verändert. Befunde aus bisherigen Untersuchungen waren zumeist auf Subjektivität beschränkt oder stammen aus psychologischen Tests. Die Aussage der Studie gilt bislang nur für dieses Probiotikum, das Ergebnis kann nicht auf alle Probiotika übertragen werden.