Eine Reise zu Dächern und Rädern

Besichtigungstour zu Ideengebern für den Tübinger Busbahnhof

Auf einer Tour durchs Land holten sich die Tübinger Verwaltung und einige Stadträte Anregungen für den neuen Busbahnhof.

22.09.2017

Von Sabine Lohr

Das große Glasdach des Esslinger Busbahnhofs. Über Tübingens neuem Busbahnhof wird es wohl keinen derartigen städtebaulichen Hingucker geben. Bild: Stadt Esslingen

Das große Glasdach des Esslinger Busbahnhofs. Über Tübingens neuem Busbahnhof wird es wohl keinen derartigen städtebaulichen Hingucker geben. Bild: Stadt Esslingen

Ein Jahr noch, dann wird der Tübinger Busbahnhof verlegt. Auf der Fläche zwischen Hauptbahnhof und Anlagenpark wird dann ein neuer Busbahnhof gebaut – entlang aller Bahnhofsgebäude. Später sollen dann auf der großen Fläche, auf der jetzt die Bussteige sind, Gebäude entstehen.

Die Pläne, an denen nicht nur die Verwaltung, sondern auch ein Runder Tisch mit Bürgern beteiligt war, sind einigermaßen weit gediehen. Aber es gibt noch viele Details zu klären. Soll der gesamte Busbahnhof überdacht werden? Oder reichen kleinere Dächer über den jeweiligen Haltestellen? Wohin mit all den Rädern, für die ja jetzt schon der Platz vor dem Bahnhof kaum ausreicht? Wie kann der Busbahnhof behindertengerecht ausgestaltet werden?

Um sich Ideen zu holen oder auch, um bisherige Ideen zu überprüfen, hat sich vergangenen Freitag eine Delegation aus Verwaltung und Gemeinderat auf eine Tagesreise durchs Land gemacht. Baubürgermeister Cord Soehlke und die bei der Bauverwaltung für das Projekt Busbahnhof zuständige Katrin Korth berichteten dem TAGBLATT von dieser Besichtigungstour.

In Esslingen beeindruckte das Dach. Es schwingt sich über den gesamten Busbahnhof, ist ziemlich hoch und besteht aus einem Stahlgitter mit dreieckigen, teilweise gelben Glasscheiben. „Es ist ein ganz tolles Ding“, schwärmt Soehlke. Städtebaulich superschick – auffallend und originell. Aber: „Drunter war es ziemlich laut.“ Die Gruppe habe sich kaum verständigen können, bis irgendjemand den Vorschlag machte, woanders hinzugehen, raus aus dem Dach.

Dazu kommt: Es ist dreckig unter dem Dach. „Das, was bei uns der Regen wegschwemmt, bleibt dort liegen als schwarzer Schmier – da kann man putzen, so viel man will“, beschreibt Korth. Richtig gemütlich jedenfalls sei es nicht unter dem Dach, auch wenn es wirklich „superschön“ sei.

Gemütlich muss ein Busbahnhof auch nicht unbedingt sein, aber von einem alles überspannenden Dach will man nun absehen, da sei sich die Gruppe einig gewesen.

Überhaupt, die Gruppe: „Es war sehr gut, dass Gotthilf Lorch dabei war“, finden beide. Lorch ist Stadtrat der Linken und Rollstuhlfahrer. Ihn zu begleiten, habe, so Soehlke, die Wahrnehmung geschärft. „Wir mussten manchmal riesige Umwege gehen, weil die Abkürzungen mit dem Rollstuhl nicht machbar waren.“ Und Korth fiel auf, dass so mancher Blindenstreifen an einer Laterne oder einem Pfosten endete.

Weiter ging es nach Böblingen. Die Böblinger haben bei ihrem neuen Busbahnhof auf einen städtebaulichen Hingucker wie in Esslingen verzichtet und nur die Warteplätze an den Bussteigen überdacht. Die breiten Glasplatten ziehen sich auch mal 50 Meter in die Länge, sind aber immer wieder unterbrochen. „Da steht auch eine mal eine Baumreihe dazwischen, das hat uns gut gefallen“, beschreibt Korth. Und Soehlke ergänzt: „Wir wollen ja, wenn wir aus dem Hauptbahnhof treten, kein Dach, sondern Tübingen sehen.“

In Ludwigsburg war die Delegation vor allem von der Fahrradstation beeindruckt. Sie ist dort zweigeschossig und wird von der „Neuen Arbeit“ betrieben. Man gibt sein Rad dort einfach ab und bekommt wie an einer Garderobe eine Marke dafür. „Die Mitarbeiter sind sehr, sehr freundlich, man fühlt sich richtig wohl“, berichtet Korth. Die Radstation hat zwei Ebenen, auf denen die Räder abgestellt werden – und hinein kommen nur die Mitarbeiter. Das Abstellen kostet 50 Cent am Tag und 5 Euro im Monat.

Verbunden ist das Ganze auch noch mit einem Wartungsservice. Wer will, kann kleinere Reparaturen machen lassen. Und einen Radverleih gibt es auch. Sogar ein Gästebuch liegt aus. „Das können wir uns sehr gut für Tübingen vorstellen“, sagt Soehlke. Und Korth schlägt vor, bei der Radstation auch eine Toilette und ein kleines Restaurant unterzubringen. „Da ist vieles denkbar.“

In die Ludwigsburger Radstation passen an die 240 Räder – das ist für Tübingen viel zu wenig. Deshalb sollen weitere Abstellplätze geschaffen werden. Vielleicht noch unter der Radstation, vielleicht auch ein automatisches Radparkhaus. „Automatische Parkhäuser sind in Tübingen ein heikles Thema“, spielt Soehlke auf die beiden immer wieder nicht funktionierenden Autoparkhäuser im Französischen Viertel und im Loretto an, aber das High-Tec-Radparkhaus in Rutesheim hat es der Delegation dann doch angetan. „Es hat eine einfache, aber schicke Technik: Man stellt das Rad einfach in eine Schleuse, dann wird es wegtransportiert“, sagt Korth. Es würde sich, finden die beiden, für Dauerparker und für hochwertige Räder eignen.

Für was auch immer sich der Gemeinderat entscheidet: „Es werden mehrere Lösungen sein“, so Soehlke. Direkt vor dem Bahnhofsgebäude jedenfalls sollen keine Räder mehr stehen. In Ludwigsburg hat dafür übrigens der Oberbrügermeister persönlich durch Kontrollen gesorgt.

Der Entwurf für den neuen Tübinger Busbahnhof: Die Bussteige sind auf der jetzigen Europastraße, auf der westlichen Seite soll eine Tiefgarage gebaut werden. Die Fahrradstation soll in die untere rechte Ecke des Anlagenparks. Grafik: Stadt Tübingen

Der Entwurf für den neuen Tübinger Busbahnhof: Die Bussteige sind auf der jetzigen Europastraße, auf der westlichen Seite soll eine Tiefgarage gebaut werden. Die Fahrradstation soll in die untere rechte Ecke des Anlagenparks. Grafik: Stadt Tübingen

Die Radstation in Ludwigsburg. Sie wird von Mitarbeitern der „Neuen Arbeit“ betrieben und funktioniert ähnlich wie eine Garderobe. Bild: Korth

Die Radstation in Ludwigsburg. Sie wird von Mitarbeitern der „Neuen Arbeit“ betrieben und funktioniert ähnlich wie eine Garderobe. Bild: Korth