Tübingen

Beratungsfehler

Die Leserbriefdiskussion um die Abschiebung des in Tübingen verheirateten Bilal Waqas ebbt nicht ab. Unter anderem der SPD-Bundestagsabgeordnete Martin Rosemann kritisierte die Begründung der Stadt, weshalb sie dem nach Pakistan abgeschobenen Waqas den Aufenthalt verwehrte („Spielräume nicht genutzt“, 22. Januar).

25.01.2020

Von Karl Joachim Hemeyer, Tübingen

Die Kritik des SPD-MdB ist unangemessen. Die Expertise des „im Ausländerrecht sehr erfahrenen Juristen“ ist falsch. Die Stadt Tübingen hatte keinen „Spielraum“. Der VGH Mannheim hatte zwar im April 2017 mit überzeugender Begründung entschieden, dass bei erledigten Strafen kein „Ausweisungsinteresse“ vorliege. Das Bundesverwaltungsgericht entschied aber leider anders (Urteil vom 12. Juli 2018 - 1 C 16/17). Eine nicht getilgte strafrechtliche Verurteilung begründet danach ein „Ausweisungsinteresse“ auch dann, wenn keine Ausweisung erfolgen darf. Folglich fehlt ein „strikter Rechtsanspruch“, der bei einem abgelehnten Asylbewerber für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ohne Nachholung des Visaverfahrens notwendig ist. Diese Entscheidung ist für Behörden und Gerichte verbindlich. Es kommt nur die Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis in Betracht. Diese kann mit Zustimmung des Regierungspräsidiums Karlsruhe (Abteilung 8) nur in besonderen Ausnahmefällen erteilt werden. Bei fachgerechter Beratung und Vertretung wäre Herr Waqas nicht abgeschoben worden. Für anwaltliche Beratungsfehler haben die Betroffenen leider einzustehen. Dies betrifft auch die Abschiebungskosten. Ich wünsche Herrn Waqas, dass die Initiative Palmer/Rosemann Erfolg hat. Über eine bevorzugte Terminierung für Herrn Waqas entscheidet aber nach unserem Recht die Visabehörde der Botschaft und nicht der Minister.