Alte Technik und historische Baukunst

Beim gestrigen „Tag des offenen Denkmals“ gab es auch im Rottenburger Raum Denkwürdiges zu sehen

Am „Tag des offenen Denkmals“ konnten in Rottenburg und Umgebung viele historisch interessante Orte besichtigt werden. Das TAGBLATT hat davon zwei besucht, über die bisher noch nicht oft berichtet wurde (siehe auch „Vier weitere Führungen in Rottenburg“).

12.09.2016

Von Andreas Straub

Beim gestrigen „Tag des offenen Denkmals“ gab es auch im Rottenburger Raum Denkwürdiges zu sehen

Rottenburg. Etwas mehr als ein Dutzend Besucher/innen kamen zur Führung von Vertretern der Ammertal-Schönbuchgruppe ans 1926 errichtete Neckarpumpwerk Kiebingen, die meisten zu Fuß oder mit dem Rad. Das Gebäude liegt zwischen Rottenburg, Wurmlingen und Kiebingen in einem Wasserschutzgebiet, kann nicht mit dem Auto angefahren werden. Das Neckarpumpwerk ist normalerweise nicht zugänglich, wird aber häufig von Studenten- und Schülergruppen besucht. Ausrüstungsgegenstände und historische Pumpen sind wie in einem Museum hergerichtet und präpariert.

„Früher wurde das Wasser aus dem Neckar genommen, filtriert und ins Netz gepumpt“, erzählte Jochen Rausch, der beim Zweckverband für Energiemanagement und Elektrotechnik zuständig ist. In einer Sickergalerie wurden dem Neckarwasser die Schwebstoffe entzogen. Auch eine Chloranlage war bereits vorhanden. „Noch heute wird durch die 300 Millimeter dicke Leitung Wasser nach Böblingen transportiert“, ergänzte sein Kollege Hubert Straßer. Grund ist die Wasserknappheit nördlich des Schönbuchs, wo es kaum Quellen und Brunnen gibt. Ans Netz der Gruppe sind die Rottenburger Ortsteile Wurmlingen, Wendelsheim und Oberndorf sowie einige Tübinger Ortsteile angeschlossen. Rottenburg selbst hat eine eigenständige Versorgung aus der Bronnbachquelle.

„Anfangs haben wir 40000 Einwohner versorgt, nun sind es 130000“, erzählte Rausch. Mittlerweile werde rund 40 Prozent des Wassers vom Zweckverband Bodensee zugekauft. „Das ist weicher, andererseits könnten wir den Bedarf sonst auch schwer decken“, sagte Straßer.

Leistungsfähigkeit

in Pferdestärken

Im Kiebinger Wasserpumpwerk gibt es innen vor allem restaurierte, blaue Pumpen zu bestaunen, deren Leistungsfähigkeit noch in Pferdestärken angeschrieben ist. In den 1960er Jahren kam ein Anbau hinzu. Der Brunnen darin und die beiden Wasserspeicher sind in Betrieb. Straßer erklärte, der Verbrauch könne je nach Wetter und Jahreszeit stark schwanken. Daher habe die Gruppe ständig 78000 Kubikmeter gespeichert. Die beiden Kammern in Kiebingen fassen jeweils 4000 Kubikmeter. Am Sonntagmittag waren sie beide voll.

Der Härtegrad des unfiltrierten Wassers beträgt etwa 30. Das konnten die Besucher/innen auch an den Kalkschlieren sehen, die auf dem Wasser schwammen. Von Kiebingen aus wird das Wasser zu einem Hochbehälter in Wurmlingen gepumpt. In den Jahren 1963 und 1964 wurden fünf weitere Brunnen in der Neckaraue gebaut. Mit Fertigstellung des Wasserwerks in Poltringen, 1970, wurde das Pumpwerk Kiebingen stillgelegt. Die Poltringer Anlage ist wesentlich moderner. So gibt es dort beispielsweise eine sogenannte Carix-Anlage, mit der das Wasser auf 18 Grad Wasserhärte enthärtet wird.

„Die materielle Erhaltung der Objekte ist nicht das Wichtigste. Sie zu erforschen und darüber zu sprechen ist mindestens genauso entscheidend“, sagte der frühere Diözesankonservator Wolfgang Urban am Sonntag in der Hailfinger Kirche. „Denkmäler sollen, wie der Name schon sagt, zu denken geben.“ Urban führte rund 50 historisch Interessierte durch die katholische Pfarrkirche St. Laurentius.

Laut Urban deute vieles darauf hin, dass die Pfarrei Hailfingen ihre Ursprünge bereits 600 nach Christus habe, ähnlich wie Sülchen. „Mit der Frankisierung kam auch die Christianisierung“, so Urban. Erstmals erwähnt wurde die Pfarrei Hailfingen allerdings erst 1275. Die Dorfkirche wurde von 1516 bis 1519 erbaut. Insbesondere der spätgotische Chor ist in Hailfingen sehr gut erhalten. Das Kirchenschiff wurde laut Urban mehrfach verändert und erweitert.

Im Chor stechen figural gestaltete Konsolen hervor. Sie sind den Aposteln nachempfunden. „Die Apostel werden als Träger der Kirche gesehen. Diese Figurendarstellung ist eine Spezialität des süddeutschen Raumes“, führte Urban aus. Er bezog sich damit vor allem auf Dieter Manz, der 1993 ein umfangreiches Werk zur Hailfinger Kirche publiziert hatte.

Aufwendig gestaltete Gewölbe-Schlusssteine

Eine Besonderheit der St. Laurentius-Kirche sind die aufwendig gestalteten Schlusssteine inmitten des Netzrippengewölbes an der Decke. „Die Schlusssteine sind genauso wichtig wie der Grundstein und die Ecksteine“, sagte Urban. „Sie halten die Extreme zusammen.“ Dargestellt sind Maria, Johannes der Täufer, der namensgebende Heilige Laurentius in der Mitte und vier heilige Frauen. Das Gewölbe bezeichnete Urban als „handwerkliche Meisterleistung“. Zuerst seien die Rippen gebaut worden, danach die Zwischenräume ausgemauert. Der Bauherr dagegen ist nicht bekannt. Vermutet wird ein Schüler des berühmten Kirchenbauers Burkhard Engelberg, der unter anderem 1493 den Ulmer Münsterturm vor dem Einsturz rettete. Der Bauherr hat in Hailfingen ein Zeichen hinterlassen, das dem Zeichen Engelbergs sehr ähnlich sieht. Daher wird vermutet, dass es einer seiner 117 Gesellen war, der als spätgotischer Baumeister noch zahlreiche weitere Kirchen im Neckarraum und im Schwarzwald baute.

Beim gestrigen „Tag des offenen Denkmals“ gab es auch im Rottenburger Raum Denkwürdiges zu sehen

Vier weitere Führungen in Rottenburg

Das historische Pumpwerk Kiebingen war nur eines von insgesamt 70 Denkmälern, die in der Region Tübingen / Reutlingen ihre Türen und Tore geöffnet hatten. So stellten im Rottenburger Diözesanmuseum beispielsweise Iris Dostal-Melchinger und Erik Ernst Venhorst vor, wie Kunstgegenstände in Kirchen inventarisiert werden. Im Kalkweiler Torturm aus dem 14. Jahrhundert konnte die aufwendige Innenrestaurierung begutachtet werden. Im Sumelocenna-Museum wurde alamannisches und suebisches Leben mehrerer Jahrhunderte präsentiert. Stadtarchivar Peter Ehrmann erzählte im Amannhofgewölbe einige Schauergeschichten und Jürg Gaebele führte durch den Zwinger und den Amannhofgarten.