Reutlingen

Warnung vor Trickbetrug: Beim Wort Kaution auflegen!

Die Polizei arbeitet zur Prävention nun auch mit dem Kreisseniorenrat zusammen. Zum Auftakt informieren sich rund 20 Leute im Landratsamt.

27.05.2023

Von Thomas de Marco

Der Schriftzug des Polizeipräsidiums Reutlingen. Bild: Hans-Jörg Schweizer

Der Schriftzug des Polizeipräsidiums Reutlingen. Bild: Hans-Jörg Schweizer

Die Zahlen sind dramatisch: Trickbetrüger haben 2018, als die Masche mit den Schock-Anrufen aufkam, im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Reutlingen 700 000 Euro erbeutet – mit steigender Tendenz. 2022 waren es schon 3,8 Millionen Euro. Deshalb will die Polizei nun verstärkt über diese Verbrechen aufklären. Dafür wurde am 4. Mai auch ein Kooperationsvertrag mit dem Kreisseniorenrat abgeschlossen. Den Auftakt dieser Zusammenarbeit machte eine Informationsveranstaltung am Donnerstag im Landratsamt, zu der rund 20 Leute kamen.

Im Schnitt werden bei den verschiedenen Betrugsmaschen pro Fall rund 35 000 Euro von Seniorinnen und Senioren erbeutet. Der Höchstbetrag im vergangenen Jahr lag in der Region bei über 700 000 Euro, sagt Ralf Brenner vom Referat Kriminalprävention des Reutlinger Polizeipräsidiums. „Die Leute verlieren innerhalb von Augenblicken ihr gesamtes Hab und Gut“, warnt Brenner.

Dabei nimmt er die Senioren, über deren angebliche Dummheit die Leute immer wieder nur den Kopf schütteln, in Schutz: „Wenn Sie die Masche der Täter nicht kennen, dann geraten Sie in einen Mords-Stress. Deshalb heißt es ja Schockanruf“, sagt der Präventions-Experte. Dieser Schock setze das Stress-Hormon Cortisol frei, das Menschen zwar leistungsbereiter mache, aber eben auch den Verstand aussetze. „Die Leute sind nicht doof“, sagt Brenner – und erklärt, wie der Stress erzeugt wird.

Um die Tricks der Falschen Polizisten geht es auch in unserem Podcast

„Beim Anruf erscheint im Display des Telefons die Nummer 110, die angebliche Polizei meldet sich und sagt, die Tochter habe einen Unfall verursacht mit Toten und sitze deshalb in Untersuchungshaft.“ Um der Tochter zu helfen, müsse eine Kaution gezahlt werden. „Sie haben Angst um Ihr Liebstes – und der Anrufer, der ständig auf Sie einredet, sagt Ihnen die Lösung und wie es weitergeht“, berichtet Brenner.

Das deutsche Recht sehe zwar eine Kaution durchaus vor, erklärt der Experte. „Aber nur wenn Fluchtgefahr besteht, etwa bei einem Lastwagenfahrer aus dem Ausland.“ Er habe in seiner beruflichen Laufbahn nie einen solchen Fall gehabt, sagt Brenner. Außerdem setze die Verfügung einer Kaution einen umfangreichen behördlichen Vorgang voraus. Deshalb rät Hermann Schmauder, der Vorsitzende des Kreisseniorenrats, ganz unverblümt dazu, beim Wort „Kaution“ sofort aufzulegen.

Zudem rufe die Polizei nie unter der Nummer „110“ an und verwahre auch keine Wertgegenstände oder Geld, erklärt Ingrid Wiedmann, die Beauftragte für Verkehrs- und Kriminalprävention beim Reutlinger Landratsamt. Opfern rät sie dazu, auf jeden Fall bei der Polizei Anzeige zu erstatten. Auch die Organisation „Weißer Ring“ helfe den Betroffenen.

Wiedmann rät: Egal, ob Leute an der Wohnungstür um ein Glas Wasser bitten für die Einnahme einer Tablette, nach einem angeblichen Unfall telefonieren wollen, sich als Polizisten, Handwerker oder neuerdings als Glühbirnen-Kontrolle ausgeben – „nie Fremde in die Wohnung lassen!“ Bei Telefonanrufen Vertrauenspersonen hinzuziehen oder die angeblich betroffenen Kinder selbst anrufen. „Und wenn die Person am Telefon nervt oder Druck macht, einfach in eine Trillerpfeife blasen. Dann wird garantiert aufgelegt!“ Entsprechende Pfeifen hat der Seniorenrat am Donnerstag bei der Veranstaltung dabeigehabt – und da wurde gerne zugegriffen.

Mehr zu Betrugsmaschen finden Sie hier: www.tagblatt.de/falschepolizisten

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So werden die Betrüger auf ältere Leute aufmerksam

Wieso sind Senioren eigentlich die bevorzugte Zielgruppe von Trickbetrügern? „Weil diese oft alleine sind und sich über jedes Gespräch freuen“, sagt Ingrid Wiedmann, die Beauftragte für Verkehrs- und Kriminalprävention beim Reutlinger Landratsamt. Zudem seien die älteren Leute oft überfordert im Umgang mit den Tätern, die meist freundlich und höflich auftreten, gut gekleidet sind und mit ihrer geschickten Gesprächsführung einen angenehmen Eindruck hinterlassen. „Es sind aber nicht nur junge Täter, sondern oft auch ältere, zu denen die Senioren Vertrauen fassen“, erklärt Wiedmann. Ins Visier geraten die betagten Menschen oft durch eine kurze Telefonnummer, die vor langer Zeit vergeben wurde, älter klingende Vornamen oder durch den Eindruck, den die Wohnung von außen macht.

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Erstellt:
27.05.2023, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 03sec
zuletzt aktualisiert: 27.05.2023, 01:00 Uhr

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