Warum Ekelbetriebe anonym bleiben

Behörden dürfen Namen von Gaststätten nicht nennen – in Dänemark ist das anders

In ihrem Jahresbericht schildern Lebensmittelkontrolleure regelmäßig drastische Verstöße. Gerne wüssten Verbraucher die Namen der Betriebe – die aber bleiben geheim.

20.04.2018

Von Jonas Bleeser

Verschimmelter Thunfisch in der Küche, verdreckte Kühlschränke in der Metzgerei – solche oder ähnlich krasse Verstöße gegen die Hygienevorschriften decken die Kontrolleure der Lebensmittelüberwachung Jahr für Jahr auf. Die Lektüre des Berichts des Tübinger Landratsamtes ist nichts für Zartbesaitete. Doch warum nennt die Behörde die Namen der Ekelbetriebe nicht öffentlich? Wäre nicht die Marktmacht der Verbraucher das stärkste Mittel im Kampf gegen kriminelle Schlamperei in Gaststätten und Lebensmittelgeschäften?

„Wir sind angehalten, die Namen nicht zu nennen“, sagt Herbert Kemmer, Sachgebietsleiter des Tübinger Landratsamtes. Aus Verbrauchersicht sei der Wunsch nach einer höheren Transparenz, also in welchem Betrieb man auf besonders dreckige Zustände gestoßen sei, durchaus nachvollziehbar. Und eine Überprüfung mit einem tadellosen Ergebnis könne ja beispielsweise durch einen Aushang am Eingang eines Restaurants durchaus ein Werbeargument für einen Besuch sein. „Aber die Namensnennung ist verwaltungsrechtlich derzeit nicht möglich.“

In Dänemark gibt es seit 2001 ein solches Verfahren. Dort muss jedes Restaurants, jede Kantine und jeder Eisladen über die Ergebnisse der letzten Kontrolle öffentlich informieren (siehe Infobox). Verbraucherschutzorganisationen wie beispielsweise „Foodwatch“ fordern ein ähnliches System auch hierzulande. Doch in Deutschland fehlt dafür bislang eine ausreichende und bundesweit einheitliche rechtliche Grundlage.

Versuche gab es dennoch: In Berlin und in Nordrhein-Westfalen veröffentlichten Behörden Kontrollergebnisse, die auf einem Punktesystem basierten. Dabei stützten sie sich auf das Verbraucherinformationsgesetz. Doch dagegen regte sich Widerstand der betroffenen Betriebe: Sie argumentierten, dass eine reine Veröffentlichung von Punkte-Ergebnissen nichts über die tatsächlichen Verstöße aussage und zweifelten die rechtliche Grundlage an. Damit hatten sie vor Gericht Erfolg, der Versuch wurde beendet. In anderen Fällen werteten Richter die Veröffentlichung auf so genannten „Ekel-Listen“ als unzulässigen Eingriff in die Berufsfreiheit und untersagten sie, bis es dafür eine Rechtsgrundlage gibt. Anders sieht es aus, wenn Firmen Lebensmittel zurückrufen müssen: Darüber informiert das Bundesamt für Verbraucherschutz online auf www.lebensmittelwarnung.de.

Im Verbraucherschutzministerium Baden-Württemberg wartet man derweil auf eine bundesweit einheitliche Regelung – und zeigt Verständnis für die Vorbehalte der Gastronomen: „Wenn da an der Tür ein Schild mit der schlechten Bewertung hängt, geht man da nie wieder hin“, gibt Sprecherin Isabel Kling zu bedenken.

Derzeit plane die Landesregierung keine Einführung eines Transparenzsystems wie beispielsweise in Dänemark. Es werde stark kontrolliert, bei gravierenden Verstößen ein Betrieb auch geschlossen, bis die Missstände beseitigt sind: „Wir sind der Meinung, dass das System funktioniert.“

Behörden dürfen Namen von Gaststätten nicht nennen – in Dänemark ist das anders

Dänemark macht Kontrollergebnisse transparent

In Dänemark kann jeder Verbraucher auf einen Blick sehen, wie ein Betrieb bei der letzten Kontrolle durch Lebensmittelkontrolleure abgeschnitten hat. Dafür wurde ein System mit vier Smileys eingeführt: Je besser das Kontrollergebnis, desto fröhlicher ist das Gesicht des Piktogramms. Zeigen die Mundwinkel stark nach unten, gab es Bußgelder, eine Anzeige oder der Betrieb verlor seine Betriebserlaubnis. Die Smileys müssen veröffentlicht werden – am Eingang und auf der eigenen Internetseite des Geschäftes. Außerdem betreibt die zuständige Behörde eine eigene Internetseite (www.findsmiley.dk), auf der man Gaststätten und Lebensmittelgeschäfte direkt suchen kann. Dort gibt es ausführlichere Berichte über die Beanstandungen. Wer vier Mal in Folge gut abschneidet, erhält einen „Elite-Smiley“, den Gaststätten auch für die Werbung nutzen dürfen.