Tübingen

Beherzigen

„Journalismus zeigt Gesicht“ heißt eine Aktion aller Zeitungen in Baden-Württemberg, um auf den Wert journalistischer Arbeit für die Gesellschaft hinzuweisen.

22.11.2019

Von Frederico Elwing, Tübingen

„Journalismus zeigt Gesicht“ heißt die Kampagne baden-württembergischer Zeitungen für „guten Journalismus“. Gernot Stegert stellte sie am 6. November im „Übrigens“ vor. Gespannt las ich, welches „Gesicht“ er zeigen will, was er unter „gutem Journalismus“ versteht: „Teile der linken und der grünen Basis“ sind die Trumps und Johnsons von Tübingen? Kritik an Cyber Valley, Tierversuchen oder Europaplatz-Umbau sind Fake News und Verschwörungstheorien? Im zweiten Absatz schreibt Stegert, dass journalistische Haltung meint, auf Fakten und
Argumente zu setzen. Wollte Stegert mit dem ersten Absatz also bewusst in die Irre führen? Wollte er zeigen, was gerade kein guter Journalismus ist?

Dann das „Übrigens“ vom 15. November zum Protest in der Gemeinderatssitzung gegen die Ansiedlung von Amazon: In Zeiten rechtsextremer Mordanschläge und -drohungen greift Stegert zu einem Vergleich der Mitverantwortung von „Rechtspopulisten mit Hetzreden für Gewalt“ mit „linken Politikern“ für die „Verteufelung“ von Amazon und Künstlicher Intelligenz.

Was soll das für ein Journalismus sein, der linke Stadträtinnen wie Gerlinde Strasdeit mit einem Faschisten wie Björn Höcke und rechtsextreme Mordanschläge mit dem lautstarken, aber gewaltfreien Protest in einer Gemeinderatssitzung in Zusammenhang bringt? Journalismus sollte „eine Grundhaltung jenseits parteipolitischer Farben haben, aus der heraus auch Kommentare verfasst werden: der Aufklärung, der Humanität, der gelebten Demokratie.“ Ich bin gespannt, wann Herr Stegert die eigenen Worte beherzigen wird.