Ort des Tages

Begrüntes Wellblech im Süden

Dass die Tübinger Fürststraße 2015 nicht als längste Fahrradstraße Baden-Württembergs freigegeben werden konnte, lag an den Esslingern.

20.08.2019

Von lau

Begrüntes Wellblech im Süden

Die hatten in letzter Sekunde überholt – und noch 1,8 Kilometer aus dem Hut gezaubert. Für Tübingen bedeutete das damals einen bitteren zweiten Platz. Etwas Gutes hatte die ganze Geschichte aber doch. Denn aus der langjährigen Südstadt-Holperstrecke war eine angenehme Rad-Piste geworden. Und das war es, was zählte. Eines jedoch wurde in dem Hype um Strecken und Beläge, um „Wer darf hier wen überhaupt noch überholen?“, vergessen: Der Fahrradunterstand gleich rechts nach der ersten Steinlachbrücke (Bild). Eisern steht der gefühlt schon immer da. Jedenfalls schon so lange, dass er von Straßenplanern offenbar gar nicht mehr gesehen wird. Wie eine nackte Glühbirne nach dem Einzug. Über das Alter des Fürststraßen-Relikts gibt es unterschiedliche Angaben. Manche Ur-Südstädter schwören Stein und Bein, bereits Ende der 1960er-Jahre auf dem Schulweg daran vorbeigekommen zu sein. Die Pressestelle der Stadt hingegen datiert den Unterstand auf städtischem Grund auf „nach 1988“, denn in Plänen für den Bau der Steinlachbrücke (1988), ist er nicht verzeichnet. Allem Anschein nach sei „die Anlage damals gebraucht aufgestellt worden“, was vielleicht auch eine Erklärung für die etwas mitgenommene Optik sein könnte. Schnick Schnack, wie um die neuen Fahrradständer der Uhlandstraße, ist dem Fürststraßen-Exemplar jedenfalls fremd. Bäume in Töpfen hat er nicht nötig. Um ihn herum wuchert es ohne jegliches Zutun, selbst sein Dach begrünt sich von selbst. Auch unter dem gut abgehangenen Wellblech spiegelt sich diese Philosophie wider: Ordentliches Abstellen scheint den Fürststraßen-Radlern ein Graus. Hier herrscht Anarchie. Wie in der Fahrradstraße. / Bild: Ulrich Metz