Reutlingen · Corona

Impftote: Befunde ohne Belege

Drei pensionierte Wissenschaftler stellen in Reutlingen vermeintliche Belege für unerkannte Impftote vor. Kollegen halten die Thesen für nicht nachvollziehbar.

29.09.2021

Von DAVID NAU

Verursachen die Corona-Impfstoffe häufiger tödliche Nebenwirkungen als bislang gedacht? Diese These stellen drei Wissenschaftler in Reutlingen auf  und ernten scharfe Kritik. Foto: Wolfgang Kumm/dpa

Verursachen die Corona-Impfstoffe häufiger tödliche Nebenwirkungen als bislang gedacht? Diese These stellen drei Wissenschaftler in Reutlingen auf und ernten scharfe Kritik. Foto: Wolfgang Kumm/dpa

Reutlingen. Es ist eine Frage, mit der viele Emotionen verbunden sind: Wie häufig kommt es bei Corona-Impfstoffen zu tödlichen Nebenwirkungen? Das für die Sicherheit von Impfstoffen zuständige Paul-Ehrlich-Institut veröffentlichte im August einen Sicherheitsbericht, wonach Anfang August 43 Millionen Menschen in Deutschland vollständig geimpft waren. 1254 Verdachtsfälle von tödlichen Impfnebenwirkungen meldeten Ärzte und Patienten, in lediglich 48 dieser Verdachtsfälle hält das Institut einen ursächlichen Zusammenhang mit der Impfung für möglich oder wahrscheinlich, darunter 31 Fälle von Thrombosen.

Für große Erregung in den sozialen Medien sorgt nun eine Pressekonferenz zweier pensionierter Pathologen und eines ehemaligen Professors für Elektrotechnik in Reutlingen, die davon ausgehen, dass es deutlich mehr unentdeckte Todesfälle gibt, die durch eine Corona-Impfung ausgelöst wurden. Ein Mitschnitt der Pressekonferenz wird vor allem von Impfgegnern und Kritikern der Corona-Maßnahmen verbreitet. Hauptredner war Professor Arne Burkhardt, der früher Chefarzt der Pathologie der Kreiskliniken in Reutlingen war, dort vor Jahren im Unfrieden ging und später als niedergelassener Pathologe arbeitete.

Burkhardt berichtete von zehn Verstorbenen, die bereits an anderen Orten obduziert worden waren und deren Todesursache er mithilfe von Gewebeproben nochmals untersucht hatte. Angehörige der Toten hatten sich an ihn gewandt, nachdem die ersten Gutachter keinen Zusammenhang zwischen Tod und Impfung festgestellt hatten. Über die Angehörigen habe er dann auch die entsprechenden Unterlagen und Gewebeproben erhalten, sagte Burkhardt auf Nachfrage dieser Zeitung. Unklar blieb, ob er weitere Informationen etwa zu Vorerkrankungen oder genaueren Todesumständen erfahren hatte. Aus einer Präsentation seiner Ergebnisse geht hervor, dass es sich um Menschen zwischen 54 und 95 Jahren handelte, die zwischen 8 Tagen und sechs Monaten nach der Impfung starben.

Scharfe Kritik vom Fachverband

Burkhardt und seine Kollegen gehen davon aus, dass in sieben der zehn untersuchten Fälle die Impfung eine sehr wahrscheinliche oder wahrscheinliche Todesursache gewesen sei. Besonders in Herzmuskelzellen will Burkhardt massive Anzeichen für Entzündungen ausgemacht haben.

Deutliche Kritik an den Ergebnissen und der Art der Präsentation bekommen die Pathologen von ihren Fachkollegen. Die Deutsche Gesellschaft für Pathologie distanziert sich in einer Mitteilung scharf. Es handle sich bei den Aussagen um „persönliche Meinungsäußerungen“ und nicht um die Position der deutschen Pathologen. Zudem seien die präsentierten Daten „nicht wissenschaftlich fundiert.“

Auch Dr. Hans Bösmüller, geschäftsführender Oberarzt der Pathologie am Uniklinikum Tübingen, kritisiert die Aussagen von Burkhardt. Dessen Schussfolgerungen seien „nicht nachvollziehbar“. „Wenn man Gewebeproben älterer Menschen untersucht, wird man immer Veränderungen finden, das bringt das Alter einfach mit sich“, sagt der Mediziner. Besonders gut sei das am auch von Burkhardt verwendeten Beispiel des Herzmuskels untersucht: „Wenn ich Herzmuskelproben untersuche, finde ich bei zehn Prozent der Patienten akute Entzündungserscheinungen und bei weiteren zehn Prozent chronische Entzündungserscheinungen, ohne dass die Patienten Symptome zeigen.“

Entscheidend dafür, ob tödliche Impfnebenwirkungen vorliegen oder nicht, ist aber die Frage, ob die festgestellten Veränderungen auch wirklich ursächlich auf die Impfung zurückzuführen sind – und nicht etwa schon vorher vorlagen. Diesen Nachweis blieben Burkhardt und seine Kollegen schuldig. Der Pathologe sagte selbst, man müsse jetzt weitere Untersuchungen anstellen, damit diese Verbindung belegt werden könne. „Es fehlen noch ein paar Beweisstücke“, sagte Burkhardt dieser Zeitung. Veröffentlichen habe er seine ersten Ergebnisse aber trotzdem wollen: „Wenn man in ein Peer-Review-Verfahren eintritt, dauert das Jahre. Das war bei solch dramatischen Befunden nicht möglich“, argumentiert Burkhardt.

Warnung vor falschen Schlüssen

Mit Blick auf die Schlussfolgerung, dass sieben der zehn untersuchten Fälle wahrscheinlich oder sehr wahrscheinlich an Impfnebenwirkungen gestorben seien, warnt Pathologe Bösmüller deshalb vor falschen Schlüssen: „Man muss sehr aufpassen, dass man nicht etwas beschreibt, das statistisch ohnehin zu erwarten gewesen wäre.“ Das sieht auch Professor Falko Fend so, der ärztlicher Direktor des Tübinger Pathologie-Instituts ist. „Man müsste eigentlich auch Proben von gleichaltrigen Nichtgeimpften nehmen und schauen, wie häufig man diese Veränderungen auch dort findet“, erklärt er.

Die Tübinger Pathologen haben selbst 13 Tote untersucht und obduziert, bei denen der Verdacht bestand, dass der Tod in Verbindung mit der Corona-Impfung steht. Nur in einem Fall ließ sich ein Zusammenhang feststellen.

Kritisch sehen die Tübinger Pathologen auch, dass ihre Kollegen in den Impfstoffen gefundene Partikel, etwa Aluminium, als Verunreinigungen bezeichnen. Es sei überhaupt nicht verwunderlich, dass nach einer Impfung auch Mikropartikel von Aluminium, Kalzium oder Natrium zu finden seien, erklärt Bösmüller. Bei vielen Impfungen würden solche Partikel bewusst eingesetzt, um die erwünschte Immunreaktion an bestimmten Stellen zu steuern.

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Erstellt:
29.09.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 17sec
zuletzt aktualisiert: 29.09.2021, 06:00 Uhr

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