Streit mit Student

Palmer hat seine Amtsbefugnisse nicht überschritten

Die Staatsanwaltschaft begründete am Donnerstag ausführlich die Einstellung des Verfahrens gegen Tübingens OB Boris Palmer wegen Nötigung.

07.03.2019

Von Hans-Jörg Schweizer

Wie berichtet hat die Staatsanwaltschaft Tübingen am Montag das Verfahren wegen des Verdachts der Nötigung gegen Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer eingestellt. Das dem OB nachweisbare Verhalten bei einem nächtlichen Streit mit dem Studenten Arne Güttinger in der Tübinger Pfleghofstraße (siehe Infobox) erfülle weder den Straftatbestand der Nötigung, noch den der Amtsanmaßung oder eines Verstoßes gegen das Kunsturhebergesetz, so die Staatsanwaltschaft am Donnerstag.

Staatsanwältin Tatjana Grgic erläutert: Die Nötigung als zweiaktiges Delikt setze voraus, dass das Opfer mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel, dem sogenannten Nötigungsmittel, zu einer vom Täter gewünschten Handlung, Duldung oder Unterlassung veranlasst wird. Indem sich der OB dem Studenten und dessen Begleitern in den Weg stellte, habe er keine Gewalt im Sinne des strafrechtlichen Nötigungstatbestandes ausgeübt. Voraussetzung hierfür wäre körperlich vermittelter Zwang zur Überwindung eines geleisteten oder erwarteten Widerstands – etwa Festhalten oder Schubsen, erklärt der Leitende Oberstaatsanwalt Michael Pfohl. Eine „kurzfristige, ausschließlich psychische Zwangseinwirkung“ durch Im-Weg-Stehen reiche nicht aus, so Grgic, da die Fortbewegungsfreiheit des Studenten nicht aufgehoben war. Die Aufforderung an diesen, seine Personalien anzugeben, sowie das Fotografieren des Studenten seien ebenfalls „kein taugliches Nötigungsmittel“.

Die Staatsanwaltschaft hatte gegen Palmer wegen des Verdachts der Nötigung in einem besonders schweren Fall ermittelt. Ein solcher liegt laut Strafgesetzbuch (Paragraf 240) vor, wenn der Täter seine Befugnisse oder Stellung als Amtsträger missbraucht hat. Für Amtsträger gilt bei Nötigung ein höherer Strafrahmen: Freiheitsstrafe zwischen 6 Monaten und 5 Jahren.

Auch keine Amtsanmaßung

Grgic führt aus, das Delikt der Amtsanmaßung könne tatsächlich auch durch einen Amtsträger begangen werden. Selbst eine „treuwidrige Ausnutzung“ der dem Oberbürgermeister zustehenden Amtsrechte (Pfohl: zum Beispiel für private Zwecke) würde dafür jedoch nicht ausreichen. Vielmehr müsse ein Amtsträger dazu die Grenzen seiner Amtsbefugnisse so weit überschreiten, dass die Handlung den Charakter der Amtshandlung eines anderen Amts annimmt. Der OB dürfe sich zum Beispiel nicht als Landrat ausgeben, illustriert Pfohl. Als Oberbürgermeister sei Palmer aber Leiter der Ortspolizeibehörde, die auch für die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten zuständig ist, erklärt Grgic. In diesem Rahmen sei auch die Identität von Verdächtigen oder Zeugen festzustellen. Selbst wenn Palmer die Grenzen seiner Amtsbefugnisse überschritten hätte, könne nicht widerlegt werden, dass er in jener Nacht vom Anfangsverdacht einer Ordnungswidrigkeit und somit von seiner Verfolgungszuständigkeit ausgegangen ist. Er hätte damit ohne Vorsatz gehandelt.

Eine Straftat nach dem Kunsturhebergesetz liege bereits deshalb nicht vor, da die Fotos, die Palmer mit seinem Handy von dem Studenten gemacht haben soll, weder verbreitet noch veröffentlicht werden sollten.

Was in der Novembernacht geschah

Am Abend des 13. November gegen 22 Uhr kam es in der Tübinger Innenstadt zu einer Auseinandersetzung zwischen OB Boris Palmer und dem Stundenten Arne Güttinger (wir berichteten mehrfach). Die Staatsanwaltschaft Tübingen schildert die Ereignisse folgendermaßen: Der 33-jährige Passant (Güttinger) soll im Hinblick auf den Oberbürgermeister eine abschätzige Äußerung getätigt haben, woraufhin dieser (Palmer) das Gespräch gesucht haben soll. Nachdem sich der 33-Jährige und seine 32-jährige Begleiterin nicht darauf einließen und ihren Weg fortsetzten, soll sich der Beschuldigte ihnen mehrmals in den Weg gestellt haben, sodass die beiden ausweichen mussten. Als der 33-Jährige sodann lautstark gerufen haben soll, dass er sich bedrängt fühle, habe der Oberbürgermeister ihn einer Ruhestörung bezichtigt und unter Vorlage seines Dienstausweises als Vertreter der Ortspolizeibehörde seine Personalien zur Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit verlangt. Da der Mann der Aufforderung nicht nachkam und sich mit seiner Begleiterin entfernte, soll ihnen der Beschuldigte erneut gefolgt sein und beide für eine spätere Identitätsfeststellung fotografiert haben.

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Erstellt:
07.03.2019, 18:19 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 50sec
zuletzt aktualisiert: 07.03.2019, 18:19 Uhr

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