Tübingen · High-Tec

Batterie-Tester auf Zeit

Für zwei Jahre entwickelt ein Konsortium aus Spezialisten und Konzern-Partnern in Tübingen Batteriezellen. Gefördert vom Bund, wird daraus vielleicht mehr.

12.08.2020

Von Eike Freese

Der Standort Tübingen der Reutlinger Manz AG im Gewerbepark Neckaraue. Bild: Manz AG

Der Standort Tübingen der Reutlinger Manz AG im Gewerbepark Neckaraue. Bild: Manz AG

Wenn alles nach den Plänen des Batteriezell-Spezialisten Customcells läuft, könnten von Tübingen aus irgendwann hochmoderne Lithium-Ionen-Zellen in Serienfertigung gehen: etwa für Autos, Elektrowerkzeuge, Fluggeräte. Noch aber ist es „nur“ ein millionenschweres Projekt zur Testproduktion, das in den kommenden 24 Monaten am Standort Tübingen Varianten, Qualitäten, Fertigungstechnik und Wirtschaftlichkeit von High-Tec-Zellen prüft. Rund 50 hochqualifizierte Beschäftigte sollen dafür kurzfristig in den Tübinger Hallen der Reutlinger Manz AG in der Jopestraße neu an den Start gehen. Die Infrastruktur wird hier gerade eingerichtet.

„Der perfekte Reinraum bei Manz und die Nähe zum Ballungsraum mit vielen möglichen Partnern sind für uns die Hauptargumente für den weiteren Standort in Süddeutschland“, berichtet Customcells-Geschäftsführer Leopold König. Das Unternehmen sitzt ursprünglich im schleswig-holsteinischen Itzehoe – und das nicht zufällig: Am dortigen Fraunhofer-Institut ISIT hatten junge Mitarbeiter vor Jahren ihr Start-Up ersonnen. Mit ihrer Ausgründung sind sie binnen kurzer Zeit zum relevanten Player in Deutschland geworden. Die Idee: Im globalen Elektrifizierungs-Wirbel werden ganz eigene Batterie-Produkte für Unternehmen immer attraktiver. Die Hauptkriterien für den perfekten Akku können schließlich ganz andere im Auto sein (Kosten, schnelles Laden) als etwa im Flugzeug (Sicherheit). Bislang müssen nämlich auch große europäische Unternehmen vor allem damit vorliebnehmen, was ihnen von asiatischen Massenproduzenten als Konfektionsware vorgesetzt wird.

Wie es auch anders geht, unter anderem das soll nun in Tübingen getestet werden. Neben der Manz AG, den Automotive-Beratern P3 und dem Ulmer ZSW (Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoffforschung) sind deshalb die beiden Konzern-Partner Daimler (Mobilität) und Stihl (Motorgeräte) dabei. Die haben jeweils ganz eigene Anforderungen an mögliche Produkte. Eine überschaubare Zellfertigung in Deutschland könnte für solche Unternehmen ein Gelenk zur Massenfertigung in Fernost darstellen – oder sogar eine komplette Produktreihe bedienen: „Denken Sie an einen Sportwagen, mit seiner geringen Stückzahl und seinen speziellen Anforderungen“, so Customcells-CEO König.

Sein Vorstandskollege Torge Thönnessen betont, dass die Batteriezellfertigung in Deutschland (und Europa) ganz klar erst im Aufbau ist: „Es ist eine Aufholjagd, in der wir uns befinden.“ Die entsprechende Entwicklung hin zu mehr Wettbewerbsfähigkeit und Unabhängigkeit gegenüber Fernost sei indes politisch sehr stark gewollt. Zu den Gesamtkosten des aktuellen Projekts (rund 8,2 Millionen Euro in den zwei Jahren) trägt deshalb allein das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie 4,7 Millionen Euro bei.

Vor Ort sind vor allem die neugegründete Firma Customcells Tübingen GmbH (CCT) und die Manz AG eingebunden. CCT wird auf rund 1000 Quadratmetern im Gewerbepark Neckaraue arbeiten. Zuvor hatte ihre Mutterfirma auch Anlagen in China und Südkorea angeschaut. Die Reutlinger AG indes stellt die Anlage zur Verfügung, wird aber auch anderweitig profitieren, so Manz-Geschäftsführer Martin Drasch: „In Tübingen wird nun ein Know-How aufgebaut, das wir bei Folgeprojekten sehr gut nutzen können.“ Seit 2009 ist Manz im Bereich der Batterietechnik tätig.

In den kommenden Wochen werden die Projektpartner unter anderem die geplanten rund 50 Stellen schaffen müssen. Ein erheblicher Teil kommt aus dem Umfeld der jungen Firma Customcells, die bei Spezialisten der Branche durchaus bekannt ist. „Die andere Hälfte werden wir nun neu akquirieren müssen, aber da bin ich zuversichtlich“, so König. Von Anfang an seien die ersten zwölf Monate des Gesamtprojekts allein für den Aufbau vorgesehen – erst die zweiten für die Umsetzung. Und danach? Eine Serienproduktion in Tübingen – das wäre nach Ansicht von Customcells-Mitgründer König „die logische Konsequenz“.

Was passiert am neuen Batterie-Standort?

Hohe Qualität und kleine Stückzahl von Batterie-Zellen als Test-Produktion: Das soll in den kommenden 24 Monaten im Gewerbepark Neckaraue laufen. Die Anlagen sollen in der Lage sein, verschiedene Batteriezell-Designs und -Technologien in Großserienqualität zu fertigen. Die unterschiedlichen Zelltypen werden in kleinen Serien von bis zu 1000 Stück und in einer Größe von maximal 20 mal 20 Zentimetern produziert. Danach werden die rund um Entwicklung und Fertigung erhobenen Daten unter Kriterien wie Qualität, Wirtschaftlichkeit, Verbräuchen und weiterem ausgewertet. Die Manz AG (1600 Mitarbeiter, 297 Millionen Euro Jahresumsatz 2018), stellt die kostspieligen Räume und Anlagen für das Projekt zur Verfügung.

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Erstellt:
12.08.2020, 14:27 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 05sec
zuletzt aktualisiert: 12.08.2020, 14:27 Uhr

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